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Die Coronapandemie hat den IR-Abteilungen einen Digitalisierungsschock verpasst. Kay Bommer, Geschäftsführer des DIRK, erklärt im Interview, warum das der Branche auch gutgetan hat und wie effizient der Wandel seither bewältigt wird. Ein Wermutstropfen aber bleibt immer, wenn statt Präsenz virtuell die Devise ist: Das „Schnacken“ in den Gängen fehlt – und auch alle Möglichkeiten, die der informelle Austausch bringt.

GoingPublic: Im letzten Jahr mussten Sie die DIRK-Konferenz wegen Corona absagen – 2021 wird es ein virtuelles Event. Die richtige Entscheidung?

Bommer: 2020 wurden wir von der Pandemie überrascht. In diesem Jahr hatten wir Zeit, uns vorzubereiten. Wir haben Erfahrung mit digitalen Formaten gesammelt. Nachdem wir schon im Januar von immer mehr Partnern, Mitgliedern und Teilnehmern gehört haben, dass sie sich eine Präsenzveranstaltung zwar wünschen, aber nicht daran glauben, dass diese im Frühsommer realistisch ist, haben wir reagiert und entschieden, ein rein digitales Format festzulegen. Wir haben die Not zur Tugend gemacht.

Es sind nur noch knapp zwei Wochen bis zur Konferenz – wie laufen die Vorbereitungen?

Sehr gut – wir sind im Zeitplan. Wir probieren eine neue Plattform aus und nutzen die Learnings aus unseren beiden digitalen Mitgliederversammlungen und anderen virtuellen Events. Es soll sogar die eine oder andere erfreuliche Überraschung für die Teilnehmer geben.

Welche Learnings sind das?

Der Umgang mit dem Digitalen ist nicht einfach. Mir persönlich und dem DIRK insgesamt ist technische Stabilität wichtig. Wir haben also sehr genau hingesehen, was andere Anbieter machen – haben große Konferenzen, aber auch kleine Webinare besucht.

Wir haben gelernt, dass es neben der inhaltlichen Erstklassigkeit einer Veranstaltung auch einer perfekten technischen Umsetzung bedarf. Die Katze sollte nicht über den Tisch streunen. Unsere Webinare laufen daher ohne Video. Damit werden wir dem Anspruch an technischer Sauberkeit gerecht. Für diesen Ansatz haben wir sehr positives Feedback bekommen.

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Haben die IR-Manager den Digitalisierungsschock ebenso gut verarbeitet wie Sie?

Die IR-Community hat den Schock gut gehandhabt. Es läuft überraschend problemlos, obwohl die Digitalisierung im Eiltempo, ja sogar im Schocktempo, passieren musste. Und das war noch nicht einmal die einzige Schwierigkeit: Man muss konstatieren, dass die IR-Branche in mancher Hinsicht sehr verhaftet in Bewährtem ist. In den USA beispielsweise war man in Sachen IR auch vor Corona schon viel weiter. Social Media wurde besser genutzt. Auch in Deutschland sind z.B. die Public-Relations-Abteilungen voraus. IR-Manager sind zurückhaltend, was auch an den rechtlichen Gegebenheiten liegt: Eine Ad-hoc-Mitteilung sollte man nicht via Twitter verbreiten. Wenn ein IRVerantwortlicher falsche Aussagen trifft, kann das strafrechtliche Konsequenzen haben – daher sind die meisten Manager vorsichtiger und zurückhaltender.

Also war die plötzliche Digitalisierungsnotwendigkeit gar nicht so schlecht?

Ohne Corona hätte sich die Praxis wie bisher fortgesetzt und IR sich nur langsam weiterentwickelt. Jetzt gab es keine andere Möglichkeit mehr und alle wurden positiv überrascht. Roadshows wurden online umgesetzt, One-on-Ones ins Digitale übertragen und sogar die Hauptversammlung virtuell abgehalten.

Apropos Hauptversammlung: Im letzten Jahr sagten Sie uns an dieser Stelle, die COVID-19-Gesetzgebung der Regierung sei vollkommen angemessen. Bleiben Sie dabei?

Vor einem Jahr hätte es keine andere Möglichkeit gegeben, Hauptversammlungen abzuhalten. Auch die Verlängerung für 2021 ist zielführend, sinnvoll, angemessen und fast schon alternativlos. Die zuletzt nachgeschobenen Änderungen z.B. im Fragerecht muss man hingegen nicht unbedingt glücklich finden. In ein digitales Format, das auf die Schnelle funktionieren muss, können nicht alle Aktionärsrechte übertragen werden – jetzt geht es darum, eine langfristige Lösung zu finden, die dieses Problem adressiert.

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Kann das noch vor der Bundestagswahl gelingen?

Das bezweifle ich, auch wenn ich es mir sehr wünschen würde. Wir müssen aufpassen, dass wir langfristig nicht wieder in die reine Präsenzhauptversammlung zurückfallen. Damit ist niemandem gedient.

Gehen Sie davon aus, dass die generelle Entwicklung hin zu innovativen Onlineformaten und Digitalisierung sich auch nach Corona ungebrochen fortsetzt?

Die Digitalisierung hat in allen Bereichen Einzug gehalten. Das Pendel wird nicht wieder voll zurückschlagen – es wird aber auch nicht alles so fortgeführt werden. Das ist das Spannende: zu sehen, wo alte Gewohnheiten wieder aufgenommen werden und wo nicht. Das Reisen wird reduziert bleiben – Firmen werden genauer hinschauen, ob jemand für drei Gespräche nach Boston fliegen muss. Auf der anderen Seite ist physische Begegnung nun einmal oft entscheidend. Auf Konferenzen trifft man Hunderte Leute, die man nur einmal im Jahr sieht. Persönliche Begegnung erlaubt uns das Networking – vielleicht beim zufälligen Kaffee auf dem Gang. Das wird wiederkommen.

Dann wird der DIRK nicht bei den Onlineformaten bleiben?

Ein klares Jein – wir werden unsere Webinarserie fortführen und bei den Mitgliederversammlungen könnten wir uns ein Wechselmodell zwischen digital und physisch vorstellen. Bei der DIRK-Konferenz werden wir aber vermutlich zur Präsenzveranstaltung zurückkehren. Das ist der Ort, der Marktplatz, der über 400 Leute zusammenbringt. Die Konferenz lebt vom Austausch.

Herr Bommer, vielen Dank für das Gespräch und eine erfolgreiche DIRK-Konferenz.

ZUM INTERVIEWPARTNER
Kay Bommer (Rechtsanwalt, MBA) ist – mit einer Unterbrechung von 2011 bis 2012 – seit 2001 Geschäftsführer des DIRK – Deutscher Investor Relations Verband. Zudem ist er im Aufsichtsrat innovativer Aktiengesellschaften vertreten und nimmt Lehraufträge für Kapitalmarktrecht und Unternehmenskommunikation an renommierten Universitäten wahr.

Autor/Autorin

Isabella-Alessa Bauer