Nun mokieren wir uns wahrlich nicht zum ersten Mal über die unsägliche Arbeitslosenstatistik der US-Amerikaner. Da aber just heute wieder einmal die neuesten Daten bekannt gegeben werden (14.30 Uhr unserer Zeit), ist ein zusätzlicher Blick angebracht.

Am interessantesten ist zweifellos, wie die Erhebungen zur Arbeitslosenstatistik in den USA zustande kommen. Eine offizielle Statistik über die Meldungen bei Arbeitsämtern gibt es nämlich nicht. Arbeitslose erhalten nur ein halbes Jahr lang Unterstützung und werden danach einfach aus dem Verwaltungsapparat gestrichen – aus den Augen, aus dem Sinn.

Daher muß die „Ermittlung“ der Arbeitslosenstatistik etwas anders erfolgen. Das Bureau of Labor Statistics ruft eine gewisse Zahl von vermeintlich Arbeitslosen an (die Zahl ist eigentlich erschreckend klein, was zusätzliche Zweifel aufwirft) und befragt (verhört?) diese. Als arbeitslos gilt nur jemand, der derzeit ohne Arbeit ist, in der Befragungswoche aktiv gesucht hat (oder etwa „pro-aktiv“, wie aus dem Pre-Irak-Krieg-Sprachgebrauch?) sowie in den nächsten zwei Wochen eine Stelle antreten könnte. Eine negative Antwort unter diesen dreien und schon hat man einen Arbeitslosen weniger.

Es wird noch besser. Was heißt beispielsweise „eine Arbeit suchen“? Nein, Stellenanzeigen durchzuforsten, ist beileibe nicht ausreichend. Der Verdächtige muß sich in der Befragungswoche aktiv um einen Job bemüht haben. Andernfalls rutscht man in die Kategorie „discouraged worker“ ab. Schließlich gibt es noch „passive job seekers“, die ebenfalls gesondert geführt werden. Auch Arbeitslose im kritischen Alter von 15 Jahren werden vorsorglich aus der Statistik entfernt. Theoretisch kann man das noch viel weiterspinnen, indem man den Befragten so viele Fragen stellt, bis sie in irgendeiner Kategorie ausgesondert werden müssen – prompt hätte man die Arbeitslosenstatistik weiter abgesenkt und den hörigen Finanzmärkten weiterhin faktische Vollbeschäftigung vorgegaukelt.

Ein erschreckendes Szenario für Amerika scheint aber noch ein ganz anderes zu sein: Die eine Hälfte wird hinter Gitter gebracht, die andere Hälfte bewacht die erste und gilt somit als erwerbstätig. Von 1 Mio. Amerikanern sind mehr als 6.000 weggesperrt, etwa 7 bis 8 mal so viele wie etwa in Deutschland. Unnötig zu erwähnen, daß auch das natürlich die Arbeitslosenstatistik entlastet.

Es ist richtig: Die US-Industrie schafft durchaus auch hier und da Arbeitsplätze – aber eben nicht in den USA, sondern an Billigproduktionsstandorten in China und Asien. Ein Trend, der heute nicht mehr aufzuhalten ist. Im Hinblick auf die US-Präsidentenwahl darf man fest davon ausgehen, daß die Statistiken noch weiter „bearbeitet“ werden. Es ist nicht ganz abwegig, auch hier von einer Blase zu reden, namentlich der Statistik-Bubble. Wundern sollte man sich über gar nichts mehr.

Die GoingPublic erscheint zweimal wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

 

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