Oracle bezeichnet sich selbst gern als den weltweit führenden Software-Anbieter in seinem Marktsegment. Allen voran hält in erster Linie Konzernchef Larry Ellison, 57, die Fahnen seines Unternehmens hoch, manchmal möglicherweise zu hoch. Im medienwirksamen Auftritten verbreitete er in der Vergangenheit Optimismus pur. Und nicht immer war dieser angebracht.

Nach der Bekanntgabe von neuen Quartalszahlen war Ellison aufgrund seiner charismatischen Ausstrahlung gerngesehener Gast in den einschlägigen TV-Wirtschaftssendungen. Während in den letzten beiden Jahren des Abschwungs andere Vorstandschefs noch von „verschwommenen Ausblicken“ und unklaren Wirtschaftsbedingungen ausgingen und sich bedeckt hielten, sah er immer wieder aufs Neue den Boden für gekommen und die Situation von Oracle sich verbessern.

Dieses Versprühen von Optimismus war richtig in der Dekade zuvor, aber unglücklich in den beiden Jahren danach. Denn nach sechs Umsatz- bzw. Ertragswarnungen in den letzten zwölf Monaten stellen sich seine Statements als das berühmte Pfeifen im Walde heraus. Im Schnitt mußte Oracle alle 60 Tage seine Prognose nach unten korrigieren.

Daß das auch geschickter geht, belegen Beispiele wie Microsoft oder IBM. Obwohl sich die Konjunktur auch für diese beiden nicht anders dargestellt hat als für Oracle, haben sie nur einmal ihre Planungen nach unten reduziert. Optimistische Ausblicke vermieden sie, um die Erwartungen ja nicht zu hoch zu schrauben. Die Kurse von Microsoft und IBM gerieten zwar auch in unruhiges Fahrwasser, doch blieb ihnen ein Schiffbruch erspart: Die Kurse von beiden stehen höher als vor einem Jahr. Der Oracle-Kurs hingegen ist nach zwischenzeitlichen Impulsen – nach jeweils positiven Ausblicken – wieder in sich zusammengefallen.

Daraus kann man lernen, daß ein realistischer Ausblick oder gar ein Understatement bei Investoren letztlich doch besser ankommt und honoriert wird als ein kurzfristiger bullisher Kommentar. Denn ersterer wird vielleicht von der Realität getoppt, während im letzteren bereits alles enthalten ist. Die beiden Jahre der Baisse erfordern also nicht nur bei Anlegern ein Umdenken.

Die GoingPublic Kolumne erscheint jeweils montags, mittwochs und freitags in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

Autor/Autorin