Dr. Christian Becker
Dr. Christian Becker

Befindet sich ein Anleiheemittent in Rückzahlungsschwierigkeiten, kann die Anleihe unter bestimmten Voraussetzungen nach dem Schuldverschreibungsgesetz 2009 restrukturiert werden. Eine derartige Restrukturierung hat Wirkung gegenüber allen Anleihegläubigern und sollte in ein umfassendes Restrukturierungskonzept eingebunden sein.

I. Möglichkeiten der Restrukturierung

Das Schuldverschreibungsgesetz 2009 gilt für Anleihen nach deuts

chem Recht, die ab dem 5. August 2009 ausgegeben wurden. Das Schuldverschreibungsgesetz 2009 ist ausdrücklich nur dann anwendbar, wenn dies in den Anleihebedingungen vorgesehen ist. Ist die Anwendbarkeit des Schuldverschreibungsgesetzes nicht in die Anleihebedingungen aufgenommen, ist eine Änderung der Anleihebedingungen anhand des Schuldverschreibungsgesetzes ausgeschlossen. Dann bleibt dem Emittenten nur der Weg einer – nur schwer umsetzbaren – Einigung mit sämtlichen Anleihegläubigern.

Restrukturierungsmaßnahmen

Dr. Christian Becker (links) und Dr. Christian Schröder
Dr. Christian Schröder

 

Das Schuldverschreibungsgesetz zählt exemplarisch einzelne Restrukturierungsmaßnah

men auf. Die Restrukturierung erfolgt technisch regelmäßig durch eine Änderung der Anleihebedingungen: Von besonderer Bedeutung sind dabei die Reduzierung der Hauptforderung und der Zinsen bzw. deren Stundung sowie der Umtausch von Schuldverschreibungen in Gesellschaftsanteile des Emittenten (Debt-Equ

ity-Swap). Das Gesetz beschränkt die Art und den Umfang der Maßnahmen grundsätzlich nicht. Die Anleihegläubiger dürfen jedoch auf keinen Fall mit zusätzlichen Leistungspflichten belastet werden.

Altanleihen

Für Anleihen, die vor dem 5. August 2009 ausgegeben wurden („Altanleihen“), kann das Schuldverschreibungsgesetz 1899 Anwendung finden. Dieses Gesetz hat Restrukturierungsmaßnahmen nur in eingeschränktem Umfang zugelassen: Ein (Teil-)Verzicht – sowohl auf Zinsen als auch auf die Hauptforderung – ist nach diesem Regime nicht möglich. Eine Stundung ist lediglich für maximal drei Jahre zulässig. Der Gesetzgeber hat allerdings die Möglichkeit eröffnet, dass auch die Anleihegläubiger von Altanleihen durch Beschluss das Schuldverschreibungsgesetz 2009 für anwendbar erklären können („Opt-in-Beschluss“).

Kombination von Maßnahmen

Der Emittent muss prüfen, welche zulässigen Sanierungsmaßnahmen im konkreten Fall möglich und hilfreich sind. Dabei kann sich auch die Kombination verschiedener Maßnahmen anbieten: Die Stundung der Hauptforderung sowie der Zinsen kann im ersten Schritt die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit beseitigen und dem Emittenten Luft für weitere Schritte verschaffen. Im Einzelfall kann auch ein Rückkauf von Schuldverschreibungen durch den Emittenten möglich sein. Daher sollte die Restrukturierung von Anleihen stets mit ausreichend Vorlauf – in der Regel 12 bis 18 Monate – vor deren Endfälligkeitstermin geplant werden.

II. Vorbereitung

In einem Restrukturierungsszenario ist zügiges Handeln erforderlich. Die Vorbereitung und die Durchführung von Gläubigerversammlungen können jedoch mit erheblichem Zeitaufwand verbunden sein.

Einberufung der Gläubigerversammlung und formale Anforderungen

Die Gläubigerversammlung ist mindestens 14 Tage vor dem Tag der Versammlung durch Veröffentlichung der Einladung im elektronischen Bundesanzeiger einzuberufen. Gerade bei Anleihen mit einem hohen Streubesitzanteil ist nicht gesichert, dass die zur Restrukturierung geplanten Maßnahmen in der ersten Gläubigerversammlung beschlossen werden können. Beschlüsse, die den wesentlichen Inhalt der Anleihebedingungen ändern, können von der Gläubigerversammlung nur gefasst werden, wenn das Anwesenheitsquorum in der Gläubigerversammlung von 50% der ausstehenden Schuldverschreibungen erreicht wird (sonst zweite Gläubigerversammlung mit Quorum von immerhin noch 25%). Neben den Quoren sind die gesetzlichen Mehrheitserfordernisse zu beachten: Beschlüssen, die wesentliche inhaltliche Änderungen der Anleihebedingungen herbeiführen, müssen mindestens 75% der teilnehmenden Stimmrechte zustimmen.

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