Bis Ende März soll der Marktindex der Frankfurter Wachstumsbörse bereits bei 8.000 Punkten stehen. Erstaunlich, denn momentan notiert das Kursbarometer gerade einmal bei knapp 4.100 Punkten. Da kann es für den chancenbewußten Anleger ja nur heißen: Alle liquiden Mittel rein in die führenden Wachstumswerte! Nur, welche Aktien soll man bevorzugen? Etwa die Marktschwergewichte T-Online, MobilCom und EM.TV oder aussichtsreiche Werte „der zweiten Reihe“?

Da die Verfasser der Studie mitgedacht haben, werden die interessantesten Aktientips gleich mitgeliefert. Demnach sind es also nicht die alten Stars, die für den Kurszuwachs sorgen und den Index zu neuen Höhen führen sollen. Vielmehr sollen Aktien wie Thiel Logistik, D. Logistics und ComROAD für einen „Generationenwechsel“ sorgen. Gerade billig sind diese Werte ja nicht mehr, aber die Genossen aus Frankfurt wissen sicher, wovon sie reden…

Wenn man die Erkenntnisse der Strategen der führenden Emissionsbank am Neuen Markt mal etwas genauer auf sich einwirken läßt, dann bleiben jedoch viele Fragen offen: Der Neue Markt sieht momentan charttechnisch alles andere als gut aus. Ob der Boden bereits erreicht wurde, ist noch längst nicht sicher. Aus empirischer Sicht ist jedenfalls keine gesicherte Prognose möglich, da die Historie des Neuen Marktes zu kurz ist. Auch durch Ableitung der Entwicklung des Nasdaq in der Vergangenheit läßt sich keine Aussage treffen, da die Korrelation beider Indices im Zeitablauf zu stark schwankt. Wie will man da vorhersagen, wo der NEMAX zum Ende nächsten Jahres steht, wenn man dies noch nicht einmal für das laufende Jahr mit Sicherheit prognostizieren kann?

Wo liegt also der Wert einer solchen Vorhersage? Ralph Acampora, der Chefstratege von Prudential Securities, hat einmal gesagt: „If you give them a date, don´t give them a number, if you give them a number, don´t give them a date!” Frei übersetzt heißt dies: Leg Dich nur nicht zu genau fest! Diese Empfehlung erscheint angesichts aller gegenwärtigen Unwägbarkeiten und Risiken der einzig praktikable Weg zu sein. Punktlandungen an der Börse sind ungefähr so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Daß die deutsche Wachstumsbörse eine Erfolgsstory ist und auch der Turnaround früher oder später gelingen wird, steht außer Zweifel. Wann dieser Zeitpunkt jedoch eintritt, ist momentan noch nicht absehbar. Von daher ist es auch nahezu unmöglich, jetzt schon abzusehen, wo der Marktindex in etwas mehr als einem Jahr stehen wird. Eine Prognose mit einem derart positiven Ausblick, wie ihn die Analysten des führenden Emissionshauses am Neuen Markt gewagt haben, grenzt daher an Kaffeesatzleserei.

Interessanter ist es doch vielmehr, jetzt schon herauszufinden, wer die Gewinner von morgen sind. Dabei sollte man sich jedoch auch nicht an den Shooting-Stars von gestern festklammern, die an der Börse neben nach wie vor hohen Bewertungen rückläufige Umsätze und ein abnehmendes Momentum aufweisen – ein sicheres Anzeichen dafür, daß sich viele institutionelle Anleger bereits verabschiedet haben! Spannender ist es doch, Werte herauszufiltern, die noch nicht im ganz großen Rampenlicht standen, bei denen aber neben den Fundamentals auch noch die Technik stimmt. Ein Blick auf Aktien „der zweiten Reihe“ mit gutem Geschäftsmodell, soliden Zahlen und einem kompetenten Management offenbart so manchen aussichtsreichen Kandidaten für eine weiterhin gute Performance: AdPhos, ComputerLinks, IVU, Linos, Lipro und Lambda Physik, um nur einige zu nennen. Den Medienwerten wie Constantin und Kinowelt könnte zudem bald ein Revival bevorstehen.

In Zeiten der Unsicherheit an der Börse hat sich eine gezielte Stock Picking-Strategie bisher noch immer ausgezahlt. Dabei sollte ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Chance und Risiko im Vordergrund stehen. Ob der Index am Jahresende 2001 dann bei 5.000, 7.000 oder 10.000 Punkten steht, wird bei der richtigen Aktienauswahl dann fast zur Nebensächlichkeit.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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