Die aktuelle Konjunkturschwäche ist zweifellos eine temporäre Erscheinung, eine Erscheinung, die unter zyklischen Gesichtspunkten immer wieder mal auftauscht und de facto gar nicht zu verhindern ist. Das passiert jedem Land mal. Das deutsche Problem ist aber nicht diese vertrackte Konjunkturschwäche – auch andere Länder haben schließlich eine –, sondern die immanente und notorische Wachstumsschwäche.

Freunde & Feinde im Überfluß
Sie ist im Laufe der Jahre unter dem Deckmantel unserer stabilen Demokratie herangewachsen. Warum? Weil in einer über einen langen Zeitraum stabilen Gesellschaft die Lobbies und Interessensgruppen immer mehr Einfluß auf die politischen Machthaber gewinnen. Diese wiederum sind in erster Linie um ihre eigene Wiederwahl besorgt, was opportunistischen Einflußgruppen Tür und Tor öffnet – Beispiel: Kohls Spendenaffären-Geheimniskrämerei zum Ausklang seiner Ära dürfte der Höhepunkt seiner 16 Jahre währenden Abschlaffung gewesen sein.

Nicht zufällig erreichen Staaten nach Einschnitten historischen Ausmaßes die größten Wachstumsraten, z.B. Deutschland und Japan nach dem totalen Zusammenbruch 1945. Nach über 50 Jahren stabiler Demokratie und inhärenter Lobbyismusarbeit der einschlägigen Interessensgruppen nähert sich das Potentialwachstum der Nullinie. Nur ein radikaler Abbau des ineffizienten Staatsapparats mit seinem überbordenden Staatsanteil, etwa bei der Arbeitslosenverwaltung und der beitragsfressenden Renten- und Sozialversicherungsmakulatur, hin zu einer privatwirtschaftlich organisierten Form in vielen verschiedenen Bereichen könnte die Wende einläuten. Doch dazu fehlen hierzulande sowohl die ernst zu nehmenden Macher wie auch die Einsicht, daß dies zwingend erforderlich wäre. Auch nur ansatzweise.

Geht es Anderen besser?
Daß die USA noch ein vermeintlich höheres Potentialwachstum vorzeigen können, liegt an der mittlerweile eingetretenen Verwässerung der demokratischen Grundstrukturen infolge ihrer autokratisch-angehauchten Präsidialdemokratie, die unter ihrem aktuellen Stab sicherlich auf dem Weg zu einer neuen Dimension in dieser Hinsicht ist. Gegenbeispiel: „Die englische Krankheit“, die erst unter der resoluten Herrschaft Thatchers angegangen wurde – die Früchte ihrer einschneidenden wirtschaftlichen Umbruchmaßnahmen ernteten allerdings erst die Nachfolgeregierungen, was offenbar als abschreckende Warnung für Politiker heutiger Generationen gelten muß. Seitdem kann man keinem Politiker mehr etwas zumuten, das über den Zeithorizont der eigenen Legislaturperiode hinausgeht.

Ressourcen werden kläglich verschwendet
Deutschland geht es nach wie vor gut, kein Zweifel; von daher muß man sich vor einem Gejammer auf hohem Niveau in Acht nehmen. Aber der derzeitige Zustand ist sicher kaum das Optimum, das dieses Land zu leisten in der Lage im Stande wäre – oder besteht daran wiederum ein Zweifel? Folglich müssen die Schmerzen, die man erleidet, wenn man sich die Inkompetenzen der Verantwortlichen ansieht, erst noch viel größer werden, damit sich etwas ändern wird, leider. Eine Steuersenkung auf Pump spricht Bände, eine Marketingmaßnahme für die Bevölkerung, die sich über die oberflächliche Entlastung freuen wird, aber sich über die langfristigen Implikationen nicht im Klaren ist. Das ist genau die richtige Betäubungsrezeptur, um sich der Aufgabenstellungen dieser Wahlperiode kurzzeitig zu entledigen. Wichtige Zeit und Ressourcen gehen somit aufs Neue verloren, beides Faktoren, die von der aktuellen Regierung kläglich verschwendet werden.

Die GoingPublic Kolumne erscheint zweimal wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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