Dr. Christian Dohm, Partner, Satell Rechtsanwälte Steuerberater

Der erste Referentenentwurf der Aktienrechtsnovelle wurde im November 2010 der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Seitdem hat der Gesetzentwurf Korrekturen und Änderungen erfahren. Trotz der langen Zeitspanne kam es überraschend, dass der Bundestag den Gesetzentwurf am 29.11.2012 in erster Lesung beraten und einstimmig an die zuständigen Ausschüsse überwiesen hat. Die Aktienrechtsnovelle hat nun, so die Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums vom 30.11.2012, „gute Aussichten, in der ersten Hälfte 2013 in Kraft zu treten“. Das gibt Anlass, die Kernpunkte der Novelle darzustellen.

 Namensaktie wird die präferierte Aktiengattung
Der ursprünglich im Gesetzentwurf enthaltene Zwang zur Namensaktie für Freiverkehrsgesellschaften und nicht notierte Aktiengesellschaften wurde fallen gelassen. Der Gesetzentwurf lässt den Gesellschaften die Wahl zwischen Namensaktie und Inhaberaktie. Dabei wird die Namensaktie zur präferierten Aktiengattung. Eine Aktiengesellschaft darf Inhaberaktien nämlich nur noch dann ausstellen, wenn sie im regulierten Markt notiert ist oder wenn der Anspruch des Aktionärs auf Einzelverbriefung ausgeschlossen und die Globalurkunde bei einer Wertpapiersammelbank hinterlegt ist.

Die Inhaberaktie war in die Kritik geraten, weil aufgrund der mit ihr verbundenen Beteiligungsintransparenz Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung befürchtet wurden. Die Einschränkung, dass für Freiverkehrsgesellschaften und nicht notierte Aktiengesellschaften die Inhaberaktie nur bei Girosammelverwahrung zulässig ist, stellt sicher, dass wegen der damit verbundenen Einbuchung der Inhaberaktien in Depots stets eine Ermittlungsspur gegeben ist. Im regulierten Markt ist die Beteiligungstransparenz darüber hinaus durch die eng gestaffelten Meldeschwellen des Wertpapierhandelsgesetzes sichergestellt. Der Gesetzgeber sieht so die Befürchtung, die Inhaberaktie könnte als Instrument für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung genutzt werden, als zerstreut an.

Bestehende Freiverkehrsgesellschaften und bestehende nicht notierte Aktiengesellschaften genießen Bestandsschutz. Sie sind nicht gezwungen, Inhaberaktien auf Namensaktien umzustellen, wie es noch der erste Entwurf vorsah. Allerdings gilt das nach dem Gesetzentwurf nur für Gesellschaften, die spätestens am Tag des Kabinettsbeschlusses gegründet worden sind, also spätestens am 20.12.2011.

Umgekehrte Wandelschuldverschreibung
Momentan sieht das Aktiengesetz nur Wandelschuldverschreibungen vor, bei denen das Wahlrecht, statt der Rückzahlung in Geld die Ausgabe von Aktien zu verlangen, ausschließlich bei dem Gläubiger liegt. Die Aktienrechtsnovelle führt ein Wandlungsrecht auch zugunsten der Gesellschaft ein. Ihr kann das Recht eingeräumt werden, von dem Gläubiger die Wandlung in Aktien zu verlangen. Diese Umkehrung der Wandelschuldverschreibung muss in der Formulierung des bedingten Kapitals ihren Niederschlag finden.

Illustration: PantherMedia / Allan Swart

Ferner wird die Begrenzung des bedingten Kapitals auf 50% des Grundkapitals für den Fall aufgehoben, dass die bedingte Kapitalerhöhung beschlossen wird, um der Gesellschaft ein Umtauschrecht für den Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit einzuräumen. Damit soll die Wandelschuldverschreibung „in einer extremen Krise ein wirkungsvolles Mittel zur Sanierung sein“, so die Gesetzesbegründung. Inwieweit das in der Praxis Früchte trägt, bleibt abzuwarten. Zweifel sind an dieser Stelle angebracht. Denn eine Tagesordnung, die ein solches bedingtes Kapital enthält, zwingt geradezu den Eindruck auf, dass die Gesellschaft kurz vor der Zahlungsunfähigkeit steht. Kaum ein Vorstand wird sich einen solchen Vorratsbeschluss antun wollen. Droht hingegen die Zahlungsunfähigkeit, dürfte es in der Regel zu spät sein. Denn von der Einberufung der Hauptversammlung, die die Ermächtigung zu der Ausgabe einer Sanierungsanleihe beschließen soll, bis zu der Ausgabe der Sanierungsanleihe wird in aller Regel ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten eingeplant werden müssen, wenn die Gesellschaft Anfechtungsklagen und Freigabeverfahren berücksichtigt und der Vorstand nicht das Risiko eingehen will, die Sanierungsanleihe vor dem Abschluss des Freigabeverfahrens auszugeben. Hier dürfte oft die Zahlungsfähigkeit eingetreten sein, bevor die Mittel aus der Sanierungsanleihe fließen können.

Verhinderung nachgeschobener Nichtigkeitsklagen
Die Aktienrechtsnovelle enthält einen weiteren Baustein zur Verhinderung missbräuchlicher Klagen. In der Praxis war es immer wieder zu Fällen gekommen, in denen Aktionäre Anfechtungsklage erhoben hatten und dann im laufenden Freigabeverfahren oder gar nach dessen Abschluss, aber vor Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister eine Nichtigkeitsklage nachgeschoben hatten. Damit sollte die Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister hinausgezögert und ein erneutes Freigabeverfahren erzwungen werden. Die Novelle knüpft daran an, dass die Gesellschaft die Erhebung der Anfechtungsklage im Bundesanzeiger bekanntmachen muss. Eine Nichtigkeitsklage gegen einen bereits mit einer Anfechtungsklage angegriffenen Beschluss kann nur noch binnen eines Monats nach dieser Bekanntmachung nachgeschoben werden. Für die Praxis bedeutet dies, dass die von dem Gesetz schon geforderte „unverzügliche“ Bekanntmachung möglichst schnell umgesetzt werden sollte, um die Frist für nachgeschobene Nichtigkeitsklagen in Gang zu setzen.

Vorzugsaktie ohne zwingenden Nachzahlungsanspruch
Nach dem aktuellen Aktienrecht können Aktien ohne Stimmrecht ausgegeben werden, wenn sie mit einem Dividendenvorzug versehen sind. Wird der Dividendenvorzug in einem Jahr nicht oder nicht vollständig gezahlt und der Rückstand im nächsten Jahr nicht neben dem vollen Vorzug dieses Jahres nachgezahlt, so lebt das Stimmrecht auf, bis die Rückstände nachgezahlt sind.

Mit der Aktienrechtsnovelle wird es möglich, Vorzugsaktien ohne einen zwingenden Nachzahlungsanspruch auszugeben. Das soll vor allem Kreditinstituten helfen, da nach den Eigenkapitalanforderungen stimmrechtslose Vorzugsaktien, die mit einem Nachzahlungsanspruch versehen sind, nicht auf das Kernkapital angerechnet werden können.

Klarstellungen und Korrekturen
Der Entwurf enthält zahlreiche Klarstellungen und Korrekturen, die Rechtsunsicherheiten beilegen sollen. Die wichtigste Klarstellung betrifft die Vorbesitzzeit bei einem Minderheitsverlangen auf Ergänzung der Tagesordnung. Es ist umstritten, ob für die Berechnung der Vorbesitzzeit auf den Tag der Hauptversammlung oder auf den Tag abzustellen ist, an dem das Minderheitsverlangen der Gesellschaft zugeht. Die Novelle stellt klar, dass die Aktionäre seit mindestens 90 Tagen vor dem Tag Inhaber der Aktien sein müssen, an dem das Minderheitsverlangen der Gesellschaft zugeht.

Fazit
Die Aktienrechtsnovelle enthält zwar keine bahnbrechenden Änderungen des Aktienrechts. Sie ist aber insgesamt zu begrüßen. Der lange Zeitraum, in dem die Novelle in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, hat dem Entwurf gut getan.

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