Peter Thilo Hasler, Vorstand, Blättchen & Partner AG

Mittelstandsanleihen sind kleinvolumige Anleihen mit einem prospektierten Volumen zwischen 25 und 150 Mio. EUR. Anleihen dieser Größenordnungen wurden bislang von den etablierten Emissionsbanken nicht platziert, da institutionelle Fondsmanager restriktive Anforderungen an die Unternehmensgröße und das Handelsvolumen stellen. Außerdem fehlt etablierten Geschäftsbanken vielfach der Zugang zu Investoren, die bereit sind, in kleinere Anleihevolumina zu investieren. Angesichts eines geringen Nennbetrags der Anleihe von 1.000 EUR stellen Privatanleger, aber auch Vermögensverwalter, Kapitalsammelstellen und Family Offices die typischen Zielinvestoren für Mittelstandsanleihen dar. Um diesen Non- bis Semiprofessionals ein Mindestmaß an Sicherheit zu gewähren, haben die einzelnen Marktsegmente für Mittelstandsanleihen an den Börsen spezifische Zulassungsvoraussetzungen und Folgepflichten aufgestellt.

Der Wertpapierprospekt

Zentrales Element der Begebung einer Mittelstandsanleihe ist die Erstellung und Veröffentlichung eines Wertpapierprospektes. Ziel des Wertpapierprospekts ist es, den Anlegern strukturierte Informationen zum Geschäftsmodell, den damit verbundenen Risikofaktoren, der Markt- und Wettbewerbssituation sowie der Entwicklung der Finanz-, Vermögens- und Ertragslage der letzten beiden Jahre zu geben. Allerdings sind die Anforderungen an den Wertpapierprospekt bei der Emission von Anleihen deutlich geringer als bei der Emission von Aktien. Unter anderem

  • ist keine Management Discussion and Analysis (MD&A) erforderlich, also eine Erläuterung der Entwicklung wesentlicher Kennzahlen der Jahresabschlüsse durch die Geschäftsführung;
  •  sind nur zwei statt drei Jahresabschlüsse zu veröffentlichen;
  •  sind bei Zwischenabschlüssen für die Bilanz keine Vergleichszahlen des entsprechenden Vorjahrszeitraums erforderlich.
Quelle: Regelwerke, Allgemeine Geschäftsbedingungen und Freiverkehrsordnungen der Börsen

Der Ratingbericht

Neben der Erstellung und Veröffentlichung eines Wertpapierprospekts ist die Einschätzung der Unternehmensbonität durch eine unabhängige, von der EU registrierte Ratingagentur ein weiteres zentrales Element bei der Emission einer Mittelstandsanleihe. Überraschenderweise haben die drei etablierten US-amerikanischen Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch Ratings zwar jahrzehntelange Ratingerfahrungen, allerdings betrifft dies vor allem das Rating von Large Caps, also von global tätigen Gesellschaften (und von Staaten). Ihre Anforderungen an Bilanzrelationen und Profitabilität können allerdings von einem klassischen Mittelständler kaum erfüllt werden. Es fehlt ihnen an geeigneten Benchmark-Größen für das Rating nicht börsennotierter deutscher mittelständischer Unternehmen. Neue Ratingagenturen konnten sich stattdessen etablieren, namentlich die Creditreform Rating AG aus Neuss und die Hamburger Euler Hermes Rating GmbH.

Die Quasi-Ad-hoc-Publizität

Von besonderer Bedeutung für die Börsen ist es, dass sich das Management auch nach der Begebung ihrer Anleihe dazu verpflichtet, regelmäßig relevante Informationen bereitzustellen. Da es sich um nicht regulierte Börsensegmente handelt, wurde hierfür eine neue Begrifflichkeit kreiert, die „Quasi Ad-hoc-Publizität“. In Anlehnung an die für regulierte Börsensegmente für Aktien geltenden Informationspflichten werden Unternehmen angehalten, wichtige Informationen, die für die Kursentwicklung der Anleihe und die Entscheidung, in eine Anleihe zu investieren, wichtig sind, unverzüglich einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Dies entbindet den Anleger zwar nicht, die Entwicklung des Unternehmens selbst kontinuierlich zu verfolgen, gibt ihm aber die Möglichkeit, auf für die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage wesentliche Ereignisse schnell zu reagieren.

Der Berater

Kennzeichnend für Mittelstandsanleihen ist ferner die Mitwirkung eines Emissionsberaters. Seine Aufgaben umfassen in einem ersten Schritt die Feststellung der Anleihefähigkeit des Unternehmens und die Anleihestrukturierung, also im Wesentlichen Nominalverzinsung, Festlegung der Zinstermine und der Laufzeit sowie – falls erforderlich – der Covenants und besonderer Besicherungselemente. Seriöse Berater führen häufig auch einen Stresstest der wichtigsten Einflussfaktoren auf die Cashflow-Entwicklung durch, um die Belastbarkeit der Zinszahlungsfähigkeit zu analysieren. Nach der Anleiheplatzierung besteht die Aufgabe des Beraters darin, die Folgepflichten sicherzustellen und den Emittenten gegebenenfalls auf Verstöße aufmerksam zu machen.

Quelle: Regelwerke, Allgemeine Geschäftsbedingungen und Freiverkehrsordnungen der Börsen

Die Anforderungen und Zulassungsvoraussetzungen an einen Emissionsberater sind an den einzelnen Börsen sehr unterschiedlich geregelt. An keinem Börsenplatz ist die Frage nach der Qualifikation des Beraters erheblich, allenfalls ist die Eignung zum Emissionspartner durch den Nachweis von Beratungsmandaten nachzuweisen. Um sicherzustellen, dass die Qualifikation auch im beratenden Unternehmen weiterhin besteht, könnte es durchaus sinnvoll sein zu fordern, dass dieser Qualifikationsnachweis jährlich erbracht wird.

Fazit

Langfristig werden nur jene Mittelstandssegmente reüssieren, an denen überwiegend Unternehmen gelistet sind, die ihren Zinszahlungen und ihrer Anleihetilgung auch in einem schwierigen konjunkturellen Umfeld nachkommen können. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Ausfälle an einzelnen Mittelstandssegmenten auch zu Verunsicherungen an anderen Börsenplätzen führen werden. Daher ist zu fordern, dass alle Beteiligten ein hohes Maß an Sensibilität wahren, damit diese für den deutschen Mittelstand neue und gleichzeitig wichtige Finanzierungsquelle nicht bereits in der Frühphase versiegt.

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