Verhandelt wird nicht erst seit gestern. Bereits im November 2001 wurde Klage erhoben, aber genau in dieser Woche könnte der Verlauf des Prozesses um die Haffa-Brüder und ihr Luftschloß EM.TV eine dramatische Wende genommen haben. Vor dem Münchner Landgericht stehen die beiden Gründer und ehemaligen Vorstände des Medienunternehmens EM.TV wegen der Anklage auf Kursbetrug und geschönte Geschäftszahlen.

Noch im November sah die Welt besser aus. Da belastete der frühere EM.TV-Finanzchef Ulrich Goebel die Haffa-Brüder sehr mit seiner Aussage, er habe den beiden frühzeitig über Ungereimtheiten in den Halbjahreszahlen für 2000 Bescheid gegeben. Die Haffa-Brüder hätten die offensichtlich falschen Zahlen allerdings weiterhin als wahrheitsgetreu verbreitet und erst viel später auf Fehler hingewiesen. Deshalb die Anklage.

Diese Woche allerdings nahm der Prozeß eine entscheidende Wendung. Ein Gutachter erklärte, Kursschwankungen von 10 % pro Tag deuteten nicht zwangsläufig auf Manipulation hin, sondern könnten das Ergebnis zufälliger Schwankungen sein. Damit scheint dieser Klagepunkt für die Staatsanwaltschaft verloren. Dies um so mehr, als das vierte Finanzmarktförderungsgesetz der Anklage mit einer Neuerung zusätzlich in den Rücken fällt. Reichte für eine Verurteilung vorher die bloße Absicht, Kurs zu manipulieren, muß jetzt eine tatsächliche Manipulation nachgewiesen werden, und das wird wohl kaum möglich sein. Glück für die Haffa-Brüder: Für sie würde dieser Anklagepunkt in einer Ordnungswidrigkeit enden, mit ein paar läppischen Tausend Euro schnell abgegolten.

Nun hängt also alles am zweiten Anklagepunkt, den geschönten Halbjahreszahlen. Kann ihnen nachgewiesen werden, diese bewußt falsch dargestellt zu haben, wären vier Jahre Freiheitsstrafe fällig. Ein Gutachten ist bereits in Auftrag gegeben worden, das Gericht rechnet noch im Februar mit einem Urteil.

Vom Ausgang des Prozesses hängt viel ab, wird er doch gemeinhin als Musterprozeß in vielen Fällen von Anlegerbetrug gesehen. Es geht daher nicht nur um EM.TV, es geht um viel Grundsätzlicheres: Dürfen Privatanleger sich als ernstzunehmendes Gegenüber von Vorständen und Unternehmen sehen, die bei Verstößen ihres Gegenübers gegen Recht und Gesetz mit einer Maßregelung der institutionellen Organe rechnen können? Oder sind sie letztlich nur das, was die bisherigen Prozesse vermuten lassen: Der dümmliche Spielball von Blendern und Abzockern, dem man nach Gutdünken und ohne Gefahr in die Tasche greifen kann, gerade so, wie es beliebt?

Das 4. FMFG deutet bereits das Unglaubliche an, aber noch ist das Urteil nicht gesprochen. Doch die Gerichte sollten sich ihrer Verantwortung bewußt sein. Die Gerechtigkeit darf nicht vom besseren Anwalt abhängen. Das falsche Urteil wäre ein Tiefschlag für jeden geprellten Anleger.

Die GoingPublic Kolumne erscheint jeweils montags, mittwochs und freitags in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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