Adi Drotleff, Gründer und Verwaltungsratsvorsitzender, Mensch und Maschine Software SE

Bereits seit dem Jahr 1997 ist der CAD/CAM-Spezialist Mensch und Maschine (kurz: MuM) ein börsennotiertes Unternehmen. Die Aktie zählte seinerzeit praktisch zu den „Gründungsmitgliedern“ des Neuen Marktes. Anfang des Jahres vollzog die Gesellschaft den Wechsel vom Open Market in den strenger regulierten Entry Standard. Seit dem Jahr 2010 ist MuM überdies im Freiverkehr der Börse München (M:access) gelistet. Wir sprachen mit Firmengründer und CEO Adi Drotleff.

GoingPublic: Herr Drotleff, Sie haben mit MuM an der Börse schon vieles erlebt. Neuer Markt, Prime Standard, M:access und jetzt seit Januar auch der Entry Standard. Wo haben Sie sich bislang am besten aufgehoben gefühlt?

Drotleff: Der Neue Markt war gewissermaßen der Wilde Westen der deutschen Aktienkultur, und MuM war fast von Beginn an dabei. Beim IPO waren wir 178-fach überzeichnet, dann wurde die MuM-Aktie innerhalb von zwei Wochen fast auf das Fünffache des Ausgabekurses hochkatapultiert. Das war Adrenalin pur. Aber 2002 war damit dann Schluss. Wir sind sogar noch ein paar Monate vor dem offiziellen Ende aus dem Neuen Markt ausgestiegen, weil es so langsam geschäftsschädigend wurde. Dann haben wir uns lange Zeit im Prime Standard sehr wohl gefühlt, schließlich war das zweisprachige Reporting nach IFRS für eine international agierende Firma sehr passend. Dass wir uns 2010 zum Downgrading entschieden haben, lag ganz einfach an den für einen Mittelständler untragbaren Opportunitätskosten. Mit der Abschaffung des Geregelten Markts wurde seitens der Deutschen Börse alles auf DAX-Niveau „hochreguliert“. Das zusätzliche Listing im Entry Standard bedeutet für uns hingegen keine signifikanten zusätzlichen Kosten oder Mehraufwand. Da die Umsätze ohnehin primär über Xetra laufen, erschien uns das weitere Listing in Frankfurt opportun.

GoingPublic: War das Verlassen des Prime Standards vor zwei Jahren somit eine reine Kostenentscheidung?

Drotleff: Der Verbleib in der höchsten Spielklasse hätte für uns praktisch bedeutet, dass wir zu einem der großen Wirtschaftsprüfer hätten zurückwechseln müssen, weil die DPR nach unserer Erfahrung nur diese als satisfaktionsfähig ansieht. Dieser Umstand hätte uns jedes Jahr rund 1 Mio. EUR gekostet, und das bei eher schlechterer Qualität und Termintreue, wie wir aus zehn Jahren Erfahrung bei einem der Big-Four-Wirtschaftsprüfer wissen. Wir zogen es deshalb vor, freiwillig in den M:access zu wechseln, gleichzeitig aber eine Bilanzierung nach IFRS, Quartalsberichte sowie eine deutsch-englische Berichterstattung beizubehalten. Wir könnten somit jederzeit wieder aufsteigen, sollte uns dies eines Tages sinnvoll erscheinen, zum Beispiel für eine Indexmitgliedschaft im TecDAX oder SDAX.

GoingPublic: Wie fällt bislang die Resonanz auf die Notiz im M:access und Entry Standard aus?

Drotleff: Den Aktionär interessiert hauptsächlich, ob der Handel liquide ist und ob das Unternehmen seriös wirtschaftet und berichtet. Insofern gab es hierzu nicht viele Rückmeldungen, weder positive noch negative. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang mein Erlebnis von der Hauptversammlung 2010. Hätte ich damals den Wechsel in den M:access nicht angesprochen, wäre das Thema überhaupt nicht diskutiert worden. Ein gewisser Nachteil liegt bei einer Notiz im Entry Standard oder M:access sicherlich in der geringeren Aufmerksamkeit, da man als Unternehmen nicht länger ad-hoc-pflichtig ist. Wir versuchen dies mit regelmäßigen Presseveröffentlichungen so gut es geht zu kompensieren.

GoingPublic: Die Abhängigkeit von Autodesk ist jedoch geblieben. Können Sie Bedenken in dieser Richtung überhaupt noch hören?

Drotleff: Das ist in der Tat die meistgestellte Frage der letzten 15 Jahre. MuM ist jedoch seit 28 Jahren erfolgreich im Geschäft, und zwar nicht trotz, sondern wegen der engen Bindung an Autodesk, die in dieser Zeit vom absoluten Außenseiter zum Weltmarktführer aufgestiegen sind. Autodesk-Lösungen laufen heute auf rund jedem zweiten CAD-Arbeitsplatz weltweit und decken die gesamte Palette von Mechanik/Elektrotechnik über Architektur/Bauwesen bis zu Infrastruktur ab. Wir können damit auch Überschneidungsbereiche wie Fabrikplanung und Anlagenbau bedienen. Mit keinem anderen Hersteller wäre so etwas möglich. Außerdem kompensieren wir die Abhängigkeit auf der Lieferantenseite mit einer völligen Unabhängigkeit auf der Seite unserer Kunden. Dort bestehen keinerlei Klumpenrisiken.

GoingPublic: Wie schnell und auf welchem Wege möchten Sie bei Ihrem europäischen Systemhausgeschäft wachsen?

Drotleff: Wir planen die Übernahme von etwa 30 Mio. EUR Umsatzvolumen. Bei einer typischen Umsatzgröße von 3 Mio. EUR dürften das zehn Systemhäuser sein, verteilt auf die sieben Länder England, Frankreich, Italien, Belgien, Niederlande, Polen und Rumänien. Die meisten Übernahmen werden vermutlich in das zweite oder dritte Quartal fallen, so dass der volle annualisierte Umsatzeffekt erst kommendes Jahr eintritt. Deshalb prognostizieren wir für 2012 nur etwa 35 Mio. EUR Umsatz in diesem neuen Segment, davon etwa ein Drittel aus unseren umgewandelten Niederlassungen und zwei Drittel aus den Übernahmen. Innerhalb von drei Jahren, also bis 2015, wollen wir den Segmentumsatz auf ca. 70 Mio. EUR verdoppeln. Unsere Erfahrung aus der Umstellung des deutschen Geschäfts lehrt uns, dass wir bis zum eingeschwungenen Zustand fünf oder sechs Jahre einplanen müssen. Vielleicht geht es im Ausland auch etwas schneller, wenn wir die bisher im Inland gesammelten Erfahrungen intelligent nutzen.

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