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Diesen und weitere Artikel zum Thema IPO, Aktien und Börse finden Sie in der neuen Ausgabe des GoingPublic Magazins 01-2022.

Von über 14.000 Aktiengesellschaften in Deutschland sind weniger als 900 börsennotiert. Dabei findet beinahe unbemerkt von der Öffentlichkeit auch ein reger Handel in Anteilen nicht notierter Unternehmen statt. Marktführer in diesem Segment ist das börsennotierte Wertpapierhandelshaus Valora Effekten Handel AG (VEH), Ettlingen. GoingPublic sprach mit dem Vorstand Klaus Helffenstein.

Herr Helffenstein, Sie sind seit 1988 Vorstand der Valora Effekten Handel AG, können Sie uns in kurzen Worten Ihr Unternehmen vorstellen?

Helffenstein: Die VEH AG beschäftigt sich seit 1988 primär mit dem Handel von nicht/nicht mehr börsennotierten Wert­papieren. In diesem Bereich sind wir das älteste börsenunabhängige Wertpapierhandelshaus – und inzwischen praktisch das einzige. In den letzten Jahren gab es zum Beispiel viele Delistings börsen­notierter Gesellschaften, deren Handel nun nur noch über uns möglich ist.

Wie viele Gesellschaften/Wertpapiere sind denn bei Ihnen gelistet?

Helffenstein: Das sind derzeit rund 130 Werte.

Beschreiben Sie uns doch kurz aus Sicht eines Emittenten/Unternehmens den Unterschied zwischen dem Handel ­notierter Aktien über die Börse und dem außerbörslichen Handel nicht notierter Werte.

Helffenstein: Je nach Börsensegment gilt es für die an der Börse gehandelten Gesellschaften eine Vielzahl von Vorschriften und Auflagen zu erfüllen. Grundsätzlich benötigt man für ein öffentliches Angebot einen Wert­papierverkaufsprospekt oder ein Wert­papierinformationsblatt (WIB). Hier ist das zu platzierende Volumen maßgeblich. Allgemein ist das für eine nachfolgende ­öffentliche Handelbarkeit unumgänglich. Ein öffentliches Angebot von Aktien ohne Prospekt ist in Deutschland nicht möglich. Verstöße ahndet die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit hohen Strafen. Dazu kommen die ­Ad-hoc-Pflichten, Mitteilungen über die Veränderungen des Aktienbesitzes von Führungskräften (Directors‘ Dealings) und die Insider Problematik. Bei unnotierten Aktien gibt es diese Einschränkungen und Auflagen nicht. Unnotierte Wertpapiere sind keine Insiderpapiere. Ad-hoc-Pflicht und Directors‘-Dealings-Meldungen entfallen. Insgesamt kann man sagen: Der außerbörsliche Handel ist eine gute Lösung für kleine und mittelständische Aktiengesellschaften, die den Verwaltungsaufwand ­begrenzen und die Auflagen einer Börsennotiz vermeiden wollen.

Wie läuft der außerbörsliche Handel ab?

Helffenstein: Nach einer einmaligen, bankenüblichen und gesetzlich vorgeschriebenen Kundenregistrierung nach Wertpapierhandelsgesetz (WpHG, §31) kann der registrierte Kunde via Telefon, Fax, E-Mail oder postalisch seine Order aufgeben. Der direkte Kontakt mit dem Händler ermöglicht dem Kunden auch die Abfrage der Orderlage. Auch die Erteilung von sog. „Eisberg-­Orders“ ist möglich. Hierbei wird gemäß der Absprache mit dem Kunden nur ein Teil der Order angezeigt, um den Markt nicht zu verunsichern und ungewollte Kursbewegungen auszulösen. Die VEH handelt grundsätzlich im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. So bleibt auch das Bankgeheimnis gewahrt.

Welche Voraussetzungen sind für Unternehmen und Investoren beim Handel ihrer Aktien über die VEH zu erfüllen? Wie funktioniert die Zusammenarbeit?

Helffenstein: Grundsätzlich kommen hier für uns Wertpapiere aus dem gesamten DACH-Raum in Betracht. Wichtig ist nur, dass ein Wert­papierinformationsblatt (WIB) bzw. ein Wertpapierverkaufsprospekt bei der BaFin hinterlegt und genehmigt ist. Neben der nach dem Aktiengesetz vorgeschriebenen jährlichen Hauptversammlung, den internen Aufsichtsratssitzungen sowie den für alle Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften zur Aufstellung und ­Offenlegung von Jahresabschlüssen gibt es bei uns keine weiteren Auflagen. Das Thema Kurspflege und Käufe/Verkäufe von Mitarbeitern/Vorständen/Aufsichts­räten (Insidern) ist bei uns ebenfalls nicht meldepflichtig. Natürlich selektieren wir auch Anfragen aus, sofern wir Zweifel an der Seriosität von Unternehmen oder ­Management haben.

In der Regel schließen wir mit den ­Gesellschaften einen Handelsvertrag. Wir stehen mit unserem Know-how von über 30 Jahren beratend zur Seite und veröffentlichen die Kurse und Nachrichten der bei uns gehandelten Gesellschaften auch über Partner wie das Nebenwerte-Journal. GSC-Research als weiterer Partner berichtet neutral über besuchte Hauptversammlungen. Diese Berichte werden von uns über die eigene Homepage und fast alle namhaften Finanzportale online verbreitet, sodass diese Informationen auch die interessierten Personen/Aktionärskreise erreichen. Auch stellen wir gerne Kontakte zu interessanten Partnern zur Verfügung.

In Verbindung mit einem Handelsvertrag bieten wir auch die Unterstützung bei der Erstellung eines Wertpapierverkaufsprospekts oder eines WIB. Eine Rechtsberatung ist selbstverständlich ausgeschlossen.

Im Bereich „Paketgeschäfte und Umschich­tungen“ wollen Sie nun Ihr Angebot auch auf börsennotierte ­Nebenwerte ausweiten. Wie sehen Ihre Pläne konkret aus?

Helffenstein: Das Thema Pakethandel und Umschichtungen extern oder intern im bestehenden Aktionärs-/Familienkreis mit Wertpapierabrechnung bei kleinen börsennotierten Nebenwerten ist sicherlich ein interessantes Zukunftsthema für unser Haus. Zielgruppe sind alle betroffenen Gesellschaften und Personenkreise. Die VEH hat schon immer Wertpapierpakete aufgebaut, gehandelt oder platziert. Es spielt hierbei im Wesentlichen keine Rolle, ob die Wertpapiere notiert sind oder nicht. Beim außerbörslichen Handel mit börsennotierten Wertpapieren übernehmen wir die gesetzlich vorgeschriebenen Meldungen nach § 26 MiFIR (EU-Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente). Auch nicht öffentlich angebotene Wertpapiere können ab einer Größenordnung von 100.000 EUR über uns als Investorenpaket ­angeboten werden. Interne Umschichtungen noch nicht öffentlich angebotener Wertpapiere sind ebenfalls problemlos möglich.

Warum sehen Sie hier einen Markt und welche Rolle übernehmen Sie hier genau?

Helffenstein: Bei börsennotierten Nebenwerten gibt es das grundsätzliche Problem, dass aufgrund der meist natürlichen Marktenge und der wenigen aktiven Investoren/Aktio­näre bereits kleinste Umsätze zu ­dramatischen Kurseinbrüchen führen können. Mir sind hier viele Kurseinbrüche bekannt, die durch unlimitierte Verkaufsorders mit einem Volumen von teilweise wenigen Tausend Euro im Freiverkehr zu einem Kurssturz von 50% und mehr ­geführt haben. Das ist auch der Grund, warum wir grundsätzlich keine unlimitierten Orders entgegennehmen!

Der mittel- bis langfristige Aufbau von Paketen bei börsennotierten Nebenwerten und unnotierten Aktien erfordert eine ständige Präsenz am Markt und strate­gische Überlegungen, um nicht das Vor­haben selbst zu gefährden. Unerfahrene Aktionäre bekommen oft die gewünschten Stückzahlen gar nicht zusammen oder zahlen in Summe einen zu hohen Preis. Natürlich haben wir eine Handelsmarge, aber unter dem Strich erspart sich der ­Investor viel Zeit, Ärger und Geld, wenn wir das für ihn übernehmen. Abgerechnet wird immer in vereinbarten Tranchen bzw. nach Rücksprache. Oft sind uns auch Kunden bekannt, die wir direkt ansprechen können. Möchte sich ein Aktionär von seinem Aktienpaket an einer börsennotierten Gesellschaft außerbörslich trennen, können wir potenzielle Investoren ­ansprechen, ohne dass gleich Auswirkungen auf den Kurs entstehen. Eine andere­ Möglichkeit ist es, über öffentliche ­Kauf­angebote größere Positionen im ­Kundenauftrag aufzubauen, ohne dass der Kunde sich nach außen „outen“ muss. Auch hier tritt die VEH im eigenen Namen und auf eigene Rechnung auf.

Herr Helffenstein, vielen Dank für das interessante Gespräch.

Das Interview führte Markus Rieger.

Zum Interviewpartner

Nach dem Wirtschaftsabitur und einer Ausbildung zum Groß-Außenhandels­kauf­mann stieg Klaus Helffenstein über eine Vermögensverwaltung ins Berufsleben ein. Schließlich war er Mitbegründer sowie von Beginn an (1988) Vorstand der börsen­notierten Valora Effekten Handel AG, Ettlingen (WKN 760010).

Autor/Autorin

GoingPublic Media AG

Markus Rieger ist Gründer und Vorstand der GoingPublic Media AG. Als „Brückenbauer“ zwischen Unternehmen und Investoren ist er gelegentlich auch als Autor von Analysen und Beiträgen tätig.