Wenn Märkte anfangen, auf schlechte Nachrichten nicht mehr ausnahmslos zu fallen, kann es durchaus sein, dass sich langsam ein Boden bildet. Das kann jetzt, muss aber noch nicht der Fall sein. Der Pessimismus hat mittlerweile bereits so weit um sich gegriffen, dass alle Schreckensszenarien offen auf dem Tisch liegen. Wenn dann tatsächlich neue schlechte Nachrichten heraus kommen, dann relativiert das auch das Schlimmste bereits deutlich.

Die Verwirrung und Verunsicherung ist jedoch immer noch auf dem absoluten Höchststand. Man sieht das an den hohen Kursschwankungen. 5 % Gewinn oder Verlust im Dax an einem Tag machen heute niemanden mehr nervös. Das ist heute schon die Normalität. Sehr gut veranschaulicht findet man das auch in den Schlagzeilen der Presse. So schreibt beispielsweise die Financial Times Deutschland auf ihrer Internetseite in ihrem Börsenausblick für die deutsche Börse vor dem Wochenende, am Freitag nach Handelsschluss: „Wenig Hoffnung auf Bärenmarktrallye“. Nach dem Wochenende, am Montag vor Börseneröffnung, heißt es dann jedoch:  „Kräftige Kursgewinne in Sicht“.

Mehr Irritationen sind kaum denkbar, denn zwischen diesen beiden Schlagzeilen lag keinerlei Handel. Und so drehen sich die Anleger und Journalisten im Kreise – und zwar so lange, bis einer kritischen Masse der Anleger schwindelig wird und das Handtuch wirft – und die Journalisten ebenfalls schwindelig werden, aber unvermindert weiter schreiben. An dieser Stelle beginnt dann für den rationalen, aufgeklärten und reflexiven Investor die Zuversicht wieder zu glimmen.

Ob wir die Tiefststände tatsächlich gesehen haben, kann niemand sagen. Und letztlich sind diese Überlegungen auch zweitrangig. Denn niemals sollte man sein eigenes Handeln an Optimalitäten bewerten. Es ist nicht wichtig, am Tiefstpunkt gekauft zu haben, sondern überhaupt eingestiegen zu sein, wenn es Sonderangebote gibt. Und nie war der Spruch des alten Kostolany richtiger als heute: Wer die Aktien nicht hat, wenn sie fallen, der hat sie auch nicht, wenn sie steigen.

Neben der rein markttechnischen Stabilisierung sollten wir alle beachten, dass gegenwärtig das so verheerende Thema der „Systemkrise“ und der Bankenzusammenbrüche vorbei zu sein scheint. Jetzt reden wir „nur“ noch über eine Wirtschaftsflaute. Doch das sollte eigentlich vertrautes Terrain sein und nach einer gewissen Eingewöhnungszeit keine übermäßigen Ängste mehr auslösen. Eine Wirtschaftskrise? Na und! Das kennen wir doch, da kommen wir schon durch!

Wir alle sollten zudem beachten, wie expansiv sowohl die Finanzpolitik weltweit als auch ganz besonders die Geldpolitik derzeit agiert. Jeder Blick kann einen nur staunend machen. So hat die US-Zentralbank tatsächlich in wenigen Monaten ihre Bilanzsumme verdoppelt. Spiegelbildlich dazu hat sich die Geldbasis ebenso verdoppelt. Im Krisenjahr 1929, dem Jahr des Beginns der großen Weltwirtschaftskrise mussten die Märkte dagegen eine dramatische Schrumpfung der Geldmenge erleben.

Wenn die Wirtschaft schrumpft, dann braucht sie auch nicht so viel Geld, hat man damals gesagt und folglich eine Inflation bekämpft, die gar nicht da war. Heute haben wir daraus gelernt. Heute schrumpft die Geldmenge nicht, sondern sie explodiert regelrecht. Aus diesem Grunde wird es auch keine Wiederholung der damaligen Krise geben. Und um die Ausmaße noch einmal kurz zu nennen: Zwischen 1929 und 1933 hat sich der Welthandel gedrittelt! Das heißt: Er ist um zwei Drittel zurück gegangen!

Gegenwärtig reden wir im Unterschied dazu ausschließlich über einen Rückgang der Zuwachsraten des Welthandels und nicht über einen gravierenden Rückgang des absoluten Niveaus. Und das ist auch ganz richtig so. Man sollte daher das Ausmaß der diesjährigen Panik einmal rational an dem eben Geschilderten bewerten.

Bernd Niquet

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