Peter Homberg, Partner, Salans

Für die forschende Arzneimittelindustrie spielt die durch Patente gewährleistete Exklusivität ihrer Wirkstoffe eine entscheidende Rolle. Nur dadurch kann eine Amortisierung der hohen Forschungskosten für innovative Arzneimittel erreicht werden. Zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung dürfen Arzneimittel nach ihrer Entwicklung jedoch nicht ohne weiteres vertrieben werden, sondern erfordern eine entsprechende Zulassung. Entwicklung und Zulassungsverfahren dauern regelmäßig einige Jahre, sodass der Patentschutz des dem jeweiligen Arzneimittel zugrundeliegenden Patents zum Zeitpunkt der Erteilung der Arzneimittelzulassung nur noch für einen relativ kurzen Zeitraum besteht.

Das ergänzende Schutzzertifikat (ESZ) bietet als Ausgleich für die lange Entwicklungs- und Zulassungsdauer des Arzneimittels die Möglichkeit, das Grundpatent und somit die exklusiven Rechte an dem Arzneimittelwirkstoff um bis zu fünf Jahre zu verlängern. Die Laufzeit des ESZ berechnet sich dabei nach dem Zeitraum zwischen der Anmeldung des Grundpatents und dem Zeitpunkt der ersten Arzneimittelzulassung, abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren.

In der europäischen Verordnung (EG) Nr. 469/2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel sind die Voraussetzungen für die Erteilung eines ESZ geregelt. Damit soll insbesondere der wichtige Bereich der pharmazeutischen Forschung ausreichend geschützt werden, der entscheidend zur ständigen Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung beiträgt.

Voraussetzungen für die Erteilung eines ESZ

Nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 469/ 2009 müssen in dem Mitgliedstaat, in dem die fristgerechte Anmeldung auf Erteilung eines ESZ eingereicht wird, kumulativ die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

    • Der Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung des Arzneimittels muss zum Zeitpunkt der Anmeldung durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt sein.
    • Für den Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung des Arzneimittels muss eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel gemäß der Richtlinie 2001/83/EG bzw. der Richtlinie 2001/82/EG erteilt worden sein.
    • Für den Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung des Arzneimittels darf nicht bereits ein ESZ erteilt worden sein.
    • Die Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel gemäß der Richtlinie 2001/83/EG bzw. 2001/82/EG muss die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Wirkstoffes oder dieser Wirkstoffzusammensetzung als Arzneimittel sein.

Praktische Probleme bei der Erteilung eines ESZ

In der Praxis ergeben sich hinsichtlich dieser Voraussetzungen für die erteilenden Behörden schwierige Auslegungsfragen. Insbesondere wenn mehrere Wirkstoffe im Spiel sind, stellte sich bislang oft die Frage, ob ein ESZ erteilt werden kann und wenn ja, wie weit der Schutzbereich eines ESZ reicht.

Wichtige Aspekte aus den aktuellen Entscheidungen des EuGH

Zu diesen Auslegungsfragen der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in den vergangenen Monaten in verschiedenen Entscheidungen Stellung genommen. Besonders praxisrelevant stellen sich dabei die folgenden Aspekte dar:

  • Ein ESZ kann nur für solche Wirkstoffe erteilt  werden, die in den Ansprüchen des Grundpatents genannt sind. Erfassen die Patentansprüche eines dem Arzneimittel zugrundeliegenden Patents die Zusammensetzung zweier Wirkstoffe A und B, jedoch nicht den einzelnen Wirkstoff A, so kann bezüglich des isolierten Wirkstoffes A kein ESZ erteilt werden.
  • Wird ein Wirkstoff (A) durch ein Grundpatent geschützt und wird hierfür ein ESZ beantragt, so ist eine Erteilung auch dann möglich, wenn das Arzneimittel, für das eine Genehmigung für das Inverkehrbringen besteht, neben diesem Wirkstoff (A) noch weitere Wirkstoffe (B, C, D und E) enthält.
  • Wurde für einen Einzelwirkstoff (A) ein ESZ erteilt, so kann sich der Schutz aus diesem ESZ auch auf eine Wirkstoffzusammensetzung (A und B) erstrecken, die den Einzelwirkstoff (A) enthält. Dies ist dann möglich, wenn der Patentanspruch des Grundpatents ebenfalls ein Vorgehen gegen diese Wirkstoffzusammensetzung (A und B) ermöglicht.

Aktueller Fall des EuGH

In einem aktuellen noch anhängigen Fall hat der EuGH über die Frage zu entscheiden, ob die Erteilung eines ESZ möglich ist, wenn der gleiche Wirkstoff im Anmeldemitgliedstaat bereits zuvor als Tierarzneimittel zugelassen wurde.

Das Urteil des EuGH zu dieser vorgelegten Frage steht noch aus. Zuletzt hat die Generalanwältin in ihren Schlussanträgen dahingehend Stellung bezogen, dass die Erteilung eines ESZ möglich ist, soweit das erstzugelassene Tierarzneimittel außerhalb der Grenzen des Schutzbereichs des vom Antragsteller bestimmten Grundpatents liegt. Der EuGH folgt in seinen Entscheidungen regelmäßig der Generalanwaltschaft. Schließt sich der EuGH auch diesmal den Schlussanträgen an, so läge immer dann eine erste Genehmigung für das Inverkehrbringen vor, wenn es sich um die erste Genehmigung handelt, die in den Schutzbereich des vom Antragsteller bestimmten Grundpatents fällt. Dann wäre die Erteilung eines ESZ möglich.

Fazit

Die aktuelle Rechtsprechung des EuGH führt zu mehr Rechtssicherheit bezüglich der notwendigen Voraussetzungen für die Erteilung eines ESZ. Es ist erfreulich, dass der EuGH dabei als Argument insbesondere den wesentlichen Zweck der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 heranzieht, einen ausreichenden Schutz zur Förderung der Forschung im pharmazeutischen Bereich zu gewährleisten.

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