Bernhard Wolf, Global Head of Investor Relations, GfK SE
Bernhard Wolf, Global Head of Investor Relations, GfK SE

Für die IR-Abteilungen wird es immer schwieriger, mit ihrer Zielgruppe, den Eigentümern ihrer Gesellschaft, zu kommunizieren. Jenseits des Wissens, das die Kapitalmarktkommunikatoren aus dem Aktienbuch bei Namensaktien ziehen, den Verteilerlisten aufgebaut auf o-t-o meetings, den über die Website registrierten Aktionären oder dem Wissen aus extern durchgeführter Shareholder Identifikation, besteht eine Grauzone. Und diese Grauzone wird mit zunehmendem außerbörslichen Aktienhandel immer größer.

Gleichzeitig erhöhen sich die Transparenzanforderungen an die börsennotierten Gesellschaften: Geschäftsbericht, Quartalsberichte und Ad-hoc-Mitteilungen verlangen eine sorgfältige Kapitalmarktkommunikation. Social-Media-Kanäle wie Twitter verkürzen die Reaktionszeiten in der Kommunikation weiter. Der Aktionär erwartet immer schnellere und detailliertere Information über „sein“ Unternehmen. Ein legitimer Anspruch und die Gesellschaften tun gut daran, diese Anforderungen zu erfüllen – in der digitalen Welt ist das nächste Investment schließlich nur einen Klick entfernt. Während also die Anforderungen an die Gesellschaften steigen, nimmt die Transparenz für die Gesellschaften über das Geschehen in ihrer Aktie ab.

Handel wandert ab

Bei der im S-DAX enthaltenen GfK wurden in den zehn Monaten 2013 nur noch 22% des gesamten Handels an der Frankfurter Börse gehandelt. Und das ist kein Einzelfall. Sogar DAX-Werte liegen bei 30% oder weniger. Wenn aber immer mehr Handelsvolumen von den Börsen in den OTC, MTF oder in Dark Pools abwandern, dann ist das aus mehreren Gründen problematisch.

Die Unternehmen verlieren Informationen darüber, wer kauft, wer verkauft und welches Volumen dahintersteht. Damit wird es für die IR-Abteilungen schwieriger, zielgerichtet und effizient zu kommunizieren und auf Veränderungen im Markt zu reagieren.

Durch diese Entwicklung verlieren die amtlichen Kurse an den Börsen ihren Referenzcharakter. Wenn sie nur noch 20% des gesamten Handelsvolumens repräsentieren, dann sind sie nicht mehr Ausdruck eines Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage, sondern sie stellen nur noch einen Ausschnitt des gesamten Handels dar. Das hat auch Folgen für die Zusammensetzung der Aktienindizes. Denn die Entscheidung über die Aufnahme in einen nationalen oder internationalen Index wird auf der Basis des Aktienumsatzes und der Marktkapitalisierung an der Börse getroffen. Und die Zugehörigkeit zu einem Index sollte nicht davon abhängen, welche Handelsplattform die Marktteilnehmer für ihre Order wählen.

Wo ist der effiziente Markt?

Was bedeutet diese Entwicklung für die Anleger? Institutionelle und private Anleger suchen einen effizienten Markt, der sich durch hohe Liquidität auszeichnet und bei dem Kauf- und Verkaufskurse eng beieinander liegen. Beiden stehen börsliche und außerbörsliche Handelsplattformen zur Verfügung. Dem Privatanleger stehen jedoch nicht alle Alternativen offen, dafür ist seine Ordergröße in der Regel nicht groß genug. Fonds hingegen bewegen ein Ordervolumen, bei denen es selbst bei minimalen (oder keinen) Margen noch Interesse der alternativen Handelsplattformen gibt, diese Order abzuwickeln.

Börsennotierte Gesellschaften unterscheiden sich in dem Anspruch an einen effizienten Aktienhandel nicht von ihren Aktionären. Auch sie haben sich gut überlegt, welches Börsensegment an welcher Börse und in welchem Land zu ihrem Unternehmen am besten passt. Sie wollten damit den Anlegern ein attraktives Angebot machen. Sie erfüllen die Pflichten, die durch die Börsenzulassung entstanden sind, und tragen hierfür die Kosten. Auch sie wollen einen Aktienhandel, der es allen Interessenten erlaubt, schnell in die Aktie zu investieren oder zu desinvestieren. Unbegründete Kursausschläge, die die Volatilität einer Aktie erhöhen, durch wenige Orders ausgelöst, sind genau das, was ein börsennotiertes Unternehmen nicht braucht. Den Unternehmen kann es daher nicht egal sein, wenn Handelsströme neue Wege nehmen.

Fazit

  • Effiziente Handelsplätze sind für alle Marktteilnehmer wichtig
  • Wettbewerb zwischen börslichem und außerbörslichem Handel ist gut – Level Playing Field vorausgesetzt.
  • Benchmarkcharakter von Indizes zu erhalten ist wichtig.
  • Transparenz ist keine Einbahnstraße, Unternehmen stellen Informationen bereit und erwarten im Gegenzug Transparenz über den Handel der eigenen Aktie.

Dieser Artikel ist ursprünglich in der GoingPublic Ausgabe 1/2014 erschienen.

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