Generationswechsel während der Krise
Inmitten der Finanzkrise übernahm Roland Werner den Vorstandsvorsitz von Bijou Brigitte. Sein Vater Friedrich-Wilhelm Werner, der Gründer des Unternehmens, gab Ende 2008 bekannt, dass er seinen Vertrag als Vorstandsvorsitzender nicht verlängern würde. Der Zeitpunkt für den Stabswechsel war für Roland Werner jedoch nicht problematisch: „Die Übergabe war bereits geplant und somit alle Weichen gestellt. Die Finanzkrise trifft das Unternehmen und nicht nur mich persönlich. In der Krise gilt es, Chancen zu erkennen und diese erfolgreich für das Unternehmen umzusetzen“, betont Werner gegenüber dem GoingPublic Magazin.

Dass die Gründerfamilie Chancen erkennen kann, stellte der Senior hinlänglich unter Beweis. Er gründete das Unternehmen 1963 als Import- und Handelsunternehmen für Modeschmuck aus Hongkong, den er an Drogerien veräußerte. Nur drei Jahre später startete er die Produktion eigener Schmuckkollektionen in Hamburg und vertrieb mit Hilfe von Außendienstmitarbeitern Geschäfte in ganz Deutschland. 1993 verlagerte das Unternehmen seine Produktion nach Asien. Fast zwei Drittel der Artikel werden selbst entworfen, nur 35% sind Handelsartikel. Einkäuferinnen reisen um die ganze Welt und besuchen internationale Modemessen auf der Suche nach aktuellen Schmucktrends. Diese prägen die aktuelle Kollektion. Mittlerweile hat Bijou Brigitte mehr als 9.000 Artikel im Portfolio und setzt sich mit dieser Zahl deutlich von seinem größten Mitbewerber Claire’s Store ab.

Nachhaltigkeit bei Familienunternehmen
Friedrich-Wilhelm Werner steht dem Unternehmen auch nach seinem Rücktritt beratend zur Seite und hält weiterhin 50,4% der Aktien. Sein Sohn stieg erst 2001 bei Bijou Brigitte ein und gehört seit 2004 zum Vorstand. Die Vorteile eines Familienunternehmens liegen für den neuen CEO auf der Hand: „Einerseits können Sie vom Erfahrungsschatz und den gewachsenen Strukturen profitieren. Andererseits ist die Planung, die auf einen langfristigen Geschäftserfolg ausgerichtet ist, ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Wir haben darüber hinaus eine Organisation mit flachen Hierarchien. Das führt zu schnellen Entscheidungen und geringer Bürokratie.“ Die Beständigkeit der Unternehmensnachfolge wirke sich auch positiv auf die Mitarbeiter und Anleger aus.

Weiter auf Expansionskurs
Bijou beschäftigt heute 3.425 Mitarbeiter in insgesamt 1.100 Filialen in zwölf europäischen Ländern und den USA. Nach Gründung des ersten Geschäfts in Norderstedt baute Werner sein Filialnetz stetig weiter aus. Die Expansion ins Ausland begann mit der Erschließung der Märkte in Österreich und den Niederlanden im Jahr 1989. Zehn Jahre später gab es Filialeröffnungen in Spanien und Polen. In den nächsten Jahren folgten zehn weitere Länder in Europa, darunter Frankreich, Schweden und die Türkei. 2006 wagte Bijou den Sprung über den großen Teich und eröffnete einen Shop in Florida. Auch für das kommende Jahr sind weitere Shoperöffnungen in Europa geplant.

Das Geheimnis des Erfolgs
Der Schlüssel des Erfolgs liegt im kostenbewussten Geschäftsmodell. Um den Kapitalbedarf überschaubar zu halten, ist die durchschnittliche Filiale zwischen 40 und 100 qm groß. Die Filialen befinden sich fast ausschließlich auf Hauptgeschäftsstraßen und mittlerweile auch in großen Kaufhäusern. Das Ziel, möglichst viele Mädchen und Frauen im Alter ab 15 Jahren anzusprechen, erreicht das Unternehmen mit dieser Strategie problemlos. Außerdem sind die Artikel günstig, mit durchschnittlichen Preisen von 5 bis 10 EUR. Da es sich bei Schmuckkäufen um spontane Entscheidungen handelt, schlagen die Kundinnen bei niedrigeren Preisen gerne zu. Durch die Produktion großer Stückzahlen können die Preise auf einem niedrigen Niveau gehalten werden.

Trotz des bewährten Geschäftsmodells bekam der Schmuckhersteller die Rezession zu spüren. Laut den kürzlich veröffentlichten Eckdaten eröffnete Bijou Brigitte zwar 40 neue Filialen im Geschäftjahr 2009 und konnte so den Umsatz um 4% auf 390 Mio. EUR steigern, verzeichnete aber flächenbereinigt einen Rückgang von 3,5%. Der Überschuss ging um 8,4% auf 75,4 Mio. EUR zurück. Auch für das erste Quartal 2010 wird nochmals mit einem leichten Umsatzrückgang gerechnet. Für 2010 und 2011 wurden die Prognosen leicht nach unten korrigiert. Das Unternehmen plant jedoch weiterhin eine Dividende von insgesamt 7,00 EUR pro Aktie auszuzahlen.

Fazit
Friedrich-Wilhelm Werner hat mit Bijou Brigitte ein beständiges und erfolgreiches Geschäftsmodell entwickelt. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren immer wieder sein ausgeprägtes Gespür für die aktuellen Schmucktrends bewiesen. Trotzdem konnte die Krise nicht völlig unbeschadet überstanden werden. „Werner Junior“ muss jetzt zeigen, inwiefern er von den Erfahrungen und den gewachsenen Strukturen profitieren kann, um Bijou Brigitte aus der Rezession heraus fit für die Zukunft zu machen.

Maximiliane Worch

Ursprünglich erschienen in der GoingPublic Ausgabe 4/2010.

 

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