Dr. Christian C. H. Badura, Rechtsanwalt, Mayrhofer & Partner
Dr. Christian C. H. Badura, Rechtsanwalt, Mayrhofer & Partner

Der Bundesgerichtshof hat für mehr Rechtssicherheit im Zusammenhang mit der Entlastung von Organen börsennotierter Aktiengesellschaften gesorgt. Er erinnerte daran, dass die Entlastung der Organe einer Aktiengesellschaft grundsätzlich im Ermessen der Aktionäre liegt und von der Hauptversammlung beschlossene Entlastungen nur bei einem eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzesverstoß der Organe anfechtbar sind. Ein solch schwerwiegender Verstoß liege jedoch nicht automatisch in unrichtigen bzw. ungenauen Kodex- bzw. Entsprechenserklärungen gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 AktG. Nach dieser Vorschrift erklären Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft jährlich, dass den vom Bundesministerium der Justiz im amtlichen Teil des Bundesanzeigers bekannt gemachten Empfehlungen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) entsprochen wurde bzw. welche Empfehlungen nicht angewendet wurden und warum nicht (comply or explain).

Unzureichende Darstellung der im Aufsichtsrat bestehenden Interessenkonflikte…

In dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall bestanden innerhalb des Aufsichtsrats der beklagten Aktiengesellschaft Interessenkonflikte. In dem Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung wurden zwar diejenigen Aufsichtsratsmitglieder benannt, bei denen Interessenkonflikte aufgetreten waren, und zugleich die Behandlung der Interessenkonflikte unter Darstellung der jeweiligen Beratungsgegenstände offengelegt. Weitere Einzelheiten wurden in dem Bericht des Aufsichtsrates jedoch nicht beschrieben, was die Kläger und mit ihnen das OLG Frankfurt am Main als Vorinstanz (Urteil vom 15. Mai 2012, Az. 5 U 66/11) als einen Verstoß gegen Ziffer 5.5.3 Satz 1 DCGK werteten. Gemäß dieser Kodexempfehlung soll der Aufsichtsrat in seinem Bericht an die Hauptversammlung über aufgetretene Interessenkonflikte und deren Behandlung informieren, was nach Ansicht des OLG Frankfurt am Main jedoch nur unzureichend erfolgte.

Das OLG Frankfurt am Main führte in seinem Urteil aus, dass zwar der Verstoß gegen Regelungen des DCGK selbst noch keine Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse begründe; allerdings folge die Anfechtbarkeit aus der unzutreffenden Entsprechenserklärung, dessen Unrichtigkeit zur Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse (insbesondere auch des Entlastungsbeschlusses für den Vorstand) führe.

…begründet nach BGH keine Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse

Dieser Ansicht hat der Bundesgerichtshof deutlich widersprochen, obwohl er letztlich der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main aus anderen Gründen zugestimmt hat. Den Ausführungen des Bundesgerichtshofes zufolge soll gerade nicht jede unzureichende Mitteilung von Interessenkonflikten im Aufsichtsratsbericht ausreichen, um die von Vorstand und Aufsichtsrat verlangte Entsprechenserklärung unrichtig im Sinne einer Anfechtungsmöglichkeit werden zu lassen. Für einen schwerwiegenden Gesetzesverstoß, welcher zur Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse führen könnte, müsse die Unrichtigkeit der Entsprechenserklärung über einen Formalverstoß hinausgehen und auch im konkreten Einzelfall Gewicht haben. Der Bundesgerichtshof sah in dem Fehlen detaillierter Ausführungen zu den bestehenden Interessenkonflikten jedenfalls keine relevante Verletzung der Informationspflicht. Ziffer 5.5.3. DCGK verlange nicht, dass Einzelheiten des Interessenkonflikts im Aufsichtsratsbericht dargelegt werden. Bei weiterem Informationsbedürfnis der Aktionäre könnten diese in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft hierüber verlangen.

Fazit

Aus Sicht börsennotierter Aktiengesellschaften ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofes selbstverständlich zu begrüßen, dass nicht jede Ungenauigkeit zwingend zur Anfechtbarkeit von Entlastungsbeschlüssen führt. Auch wenn die Entsprechenserklärung mit der nötigen Sorgfalt zu erstellen ist, droht zumindest bei entschuldbaren Ungenauigkeiten oder kleineren Fehlern nicht mehr die rückwirkende Nichtigkeit von bereits beschlossenen Entlastungen der Organe (und eventuell von sonstigen Beschlüssen der Hauptversammlung). Möglicherweise können durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zukünftig sogar zeit- und kostenaufwendige Prozesse vermieden werden.

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