Dr. Thomas Zwissler, Rechtsanwalt und Partner, ZIRNGIBL
Dr. Thomas Zwissler, Rechtsanwalt und Partner, ZIRNGIBL

Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Organmitglieder ist grundsätzlich Sache von Vorstand und Aufsichtsrat. Um jedoch zu verhindern, dass sich die Verwaltungsorgane untereinander decken, sieht das Aktiengesetz die Möglichkeit vor, bestimmte Sachverhalte durch externe Sonderprüfer aufklären und gegebenenfalls durch einen sogenannten besonderen Vertreter verfolgen und durchsetzen zu lassen. Die Sonderprüfung ist Gegenstand der §§ 142 ff. AktG, die Verfolgung von Ansprüchen durch einen besonderen Vertreter ist in § 147 AktG geregelt.

Sowohl die Einleitung einer Sonderprüfung nach den §§ 142 ff. AktG als auch die Entscheidung über die Verfolgung und Durchsetzung von Ansprüchen bedarf einer Entscheidung der Hauptversammlung. Für diese gelten besondere Regeln, teilweise sogar erweiterte Stimmverbote. Dadurch soll verhindert werden, dass eine die Verwaltung tragende Aktionärsmehrheit die Aufklärung und Geltendmachung von Ansprüchen verhindert.

Der Sachverhalt

Im vorliegenden Fall hatte die Hauptversammlung sowohl die Einleitung einer Sonderprüfung als auch die Geltendmachung bestimmter Ansprüche beschlossen und für Letztere einen besonderen Vertreter im Sinne des § 147 AktG bestellt. Dieser begann auch umgehend mit der Arbeit und forderte bei der Gesellschaft umfangreiche Informationen und Unterlagen an. Gegen den Bestellungsbeschluss hatte der Mehrheitsaktionär allerdings Anfechtungsklage erhoben. Der Vorstand verweigerte die Erteilung von Informationen und die Überlassung von Unterlagen unter anderem mit dem Hinweis, der Bestellungsbeschluss sei rechtswidrig und man könne den besonderen Vertreter nicht mit Informationen und Unterlagen versorgen, solange über die Anfechtungsklage nicht entschieden sei. Der in der Hauptversammlung bestellte besondere Vertreter wollte sich nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Anfechtungsklage vertrösten lassen und verfolgte seinen Informationsanspruch mittels eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und dem Ziel, die angeforderten Informationen und Unterlagen sofort zu erhalten.

Die Entscheidung des OLG Köln

Das Oberlandesgericht Köln gab dem Antrag des besonderen Vertreters statt und verpflichtete den Vorstand, dem besonderen Vertreter die angeforderten Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Es bejahte dabei den sogenannten Verfügungsgrund, d. h. den Anspruch des besonderen Vertreters auf Herausgabe von Informationen und Unterlagen, die er zur Durchführung seines von der Hauptversammlung erteilten Auftrages benötigt.

Entscheidend war die Frage, ob der besondere Vertreter seinen Informationsanspruch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend machen konnte. Hierfür bedarf es nach allgemeinen Regeln eines sogenannten Verfügungsgrundes, d.h. einer besonderen Eilbedürftigkeit. Das Oberlandesgericht Köln bejahte auch dies und verwies dabei auf die Vorschrift des § 147 Abs. 1 Satz 2 AktG. Danach „soll“ der besondere Vertreter den Anspruch innerhalb von sechs Monaten geltend machen. Dem würde es widersprechen, wenn man den besonderen Vertreter auf den Ausgang des seine Bestellung betreffenden Anfechtungsverfahrens verweisen würde. Da im vorliegenden Fall auch nur Anfechtungsgründe und keine Nichtigkeitsgründe gegen den Bestellungsbeschluss geltend gemacht wurden, sah das Oberlandesgericht Köln auch keine Gefahr, dass der besondere Vertreter am Ende zu Unrecht Informationen und Unterlagen erhalten würde.

Das von der Gesellschaft ins Feld geführte Argument, § 147 Abs. 1 Satz 2 sei lediglich eine Soll-Vorschrift und im konkreten Fall drohe keine Verjährung irgendwelcher Ansprüche, ließ das OLG Köln nicht gelten. Das als Vorinstanz zuständige Landgericht Köln hatte diesen Punkt noch anders gesehen und die Gewährung der beantragten Verfügung verweigert.

Nicht gelten lassen wollte das Oberlandesgericht Köln auch das Argument, mit der Verpflichtung zur Informationserteilung und der Herausgabe der Unterlagen erhalte der besondere Vertreter bereits alles, was er im Rahmen eines ordentlichen Gerichtsverfahrens erhalten könne. Eine solche Vorwegnahme der Hauptsache sei zwar nur in Ausnahmefällen angebracht. Ein solcher Ausnahmefall sei hier allerdings gegeben, da der in § 147 AktG vorgesehene Minderheitenschutz sonst nicht effektiv gewährt werden könne.

Fazit

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln stärkt die Position des besonderen Vertreters und der hinter ihm stehenden Minderheit. Letztendlich darf aber nicht übersehen werden, dass Entscheidungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes stets in erheblichem Maße im Ermessen der Gerichte liegen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass Gerichte in der hier gegebenen Fallkonstellation auch einmal gegen den besonderen Vertreter entscheiden, insbesondere dann, wenn die Anfechtbarkeit des Bestellungsbeschlusses offensichtlich ist oder gar ein Nichtigkeitsgrund vorliegt oder plausibel gemacht wurde.

t.zwissler@zl-legal.de

Der Artikel erschien zuerst im HV Magazin 1-2016.

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