Wie groß der Unterschied zwischen Reden und Handeln bisweilen ausfällt, macht das Beispiel Bundeserziehungsgeld (BErzG) deutlich. Sehr heimlich, sehr still und sehr leise wurde das Bundeserziehungsgeldgesetz am 29. Dezember 2003 geändert – mit Wirkung zum 1. Januar 2004. Kernpunkt der Änderung: Die Einkommens-Bemessungsgrenze für die Gewährung der 300 Euro monatlich wurde für Kinder ab Jahrgang 2004 drastisch gesenkt. Statt 51.130 Euro dürfen Paare fortan nur noch 30.000 Euro im Jahr verdienen, um in den Genuß von sechs Monaten BErzG zu kommen. Die Bemessungsgrenze ab dem 7. Monat liegt mit 16.470 Euro ohnehin sehr niedrig.

Wie konnte das passieren? War die Opposition geschlossen Skifahren? Nein, raunen Insider hinter vorgehaltenem Fächer, die Opposition findet die Änderung so schlecht auch nicht. In den meisten Ländern gibt es Landeserziehungsgeld, dessen Bemessungsgrenzen an das BErzG gekoppelt sind. So wird durch das neue Bundesgesetz auch auf Länderebene gespart. Da hält man sich schon mal bedeckt. Von einer Attacke auf die Kaufkraft, einem weiteren Anschlag auf die Binnennachfrage zu sprechen, ist kaum übertrieben.

Die Angelegenheit läßt einige Schlüsse zu. Zunächst ist festzustellen, daß der Verbraucher so falsch mit seiner Einschätzung nicht liegt: Ja, es kommt noch immer schlechter, und gut, daß wir gespart haben. Wenn man Verbraucher verunsichern möchte, dann mit solchen Aktionen. Allein der Bund plant mit Einsparungen von etwa 400 Mio. Euro pro Jahr. Das ist zum ganz überwiegenden Teil Geld, das der Binnennachfrage direkt entzogen wird: Wo soll denn das Geld herkommen, wenn die Mutti nach der Entbindung als Mitverdiener ausfällt?

Mehr noch als die direkten finanziellen Auswirkungen dürften die psychologischen Schaden anrichten: Was soll ein Familienvater eigentlich vom Staat halten, wenn er sich im Januar Formulare holt, auf denen Bemessungsgrenzen angegeben sind, die nicht mehr gültig sind, und er sechs Wochen später durch ablehnende Bescheide von neuen Grenzen in Kenntnis gesetzt wird?

Stefan Preuß

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