In den letzten zwölf Monaten waren chinesische Investitionen in Europa ein wesentlicher Treiber des globalen M&A-Markts (vgl. GoingPublic Magazin 12/2016, S. 18 ff.). Laut einer Untersuchung von EY nahm Deutschland mit 37 Transaktionen und einem Gesamtvolumen von EUR 10,7 Mrd. EUR allein im ersten Halbjahr 2016 die Spitzenposition ein. 2016 gab es auch vermehrt M&A-Transaktionen aus dem Reich der Mitte, die börsennotierte Zielgesellschaften in Deutschland im Visier hatten – nicht zuletzt die Übernahme des Maschinenbauers KUKA oder das Übernahmeverfahren um Aixtron. Viele ausländische Investoren fürchten aber nach wie vor die vermeintliche Komplexität und das strenge Regelkorsett bei der Übernahme deutscher börsennotierter Unternehmen. Während der Erwerb nicht-börsennotierter Unternehmen oft bis zuletzt mit zahlreichen Unwägbarkeiten verbunden ist, bietet das deutsche Regime für öffentliche Übernahmen jedoch viele Vorteile. Von Lars-Gerrit Lüßmann und Sebastian Beyer

So ist der Einigungsbedarf mit dem Management der Zielgesellschaft erheblich geringer. Zumeist bedarf es lediglich der Einigung über einige wesentliche Eckpunkte (strategische Logik, Governance, Gegenleistung/Umtauschverhältnis, Transaktionsstruktur), um aus einem Übernahmeangebot für den Vorstand der Zielgesellschaft ein „offer he can’t refuse“ zu machen.

Übernahmen bei börsennotierten Gesellschaften

In Unternehmen mit geschlossenem Gesellschafterkreis können die maßgeblichen Akteure in ihrem Umgang mit einem Erwerbsinteressenten jedenfalls in der Praxis frei agieren und über das Schicksal von Vertragsverhandlungen auch aus subjektiven Kriterien entscheiden. Gerade gegenüber ausländischen Investoren können dabei diffuse Ängste eine Rolle spielen. Die Verwaltung einer börsennotierten Zielgesellschaft ist hingegen strikt an das Gesellschaftsinteresse und das Neutralitätsgebot gebunden. Bei der Beurteilung des Angebots ist die Verwaltung der Zielgesellschaft auf objektive Kriterien, wie die industrielle Logik oder die Angemessenheit der Gegenleistung beschränkt: Sie kann den Erfolg der Übernahme allenfalls beeinflussen, aber nicht verhindern. Stimmen die strategische Logik und die Gegenleistung, werden Vorstand und Aufsichtsrat pflichtgemäß kaum von der Annahme des Angebots abraten können.

Ferner sind wesentliche Eckpfeiler der Transaktion, wie Ablauf oder anzubietende Mindestgegenleistung, gesetzlich verbindlich geregelt. Das führt zu Rechts-, Planungs- und einer gewissen Transaktionssicherheit und gewährleistet eine beachtliche Planbarkeit des Erfolgs der Transaktion. Dank kapitalmarktrechtlicher Publizitäts- und Transparenzvorschriften kann sich der Käufer bereits anhand öffentlich zugänglicher Quellen ein Bild von der Zielgesellschaft machen. Auf die Kooperationsbereitschaft der Verwaltung der Zielgesellschaft kommt es zunächst nicht an.