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Österreichs Börsenschwergewichte setzen bei der Finanzierung ihrer Geschäfts- und Expansionstätigkeiten verstärkt auf das Instrument der Unternehmensanleihe. Andere Formen der Kapitalbeschaffung standen zuletzt weniger im Fokus.

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Finanz- und Industrietitel geben die Richtung vor

Als Gradmesser für den Börsenplatz Wien und den gesamten österreichischen Aktienmarkt dient der ATX. Der Auswahlindex beinhaltet seit seinem Start vor 21 Jahren die gemessen an Börsenwert und Handelsvolumina 20 größten heimischen Aktien. In seiner Zusammensetzung ist das österreichische Aktienbarometer stark auf Finanz- und Industrieunternehmen konzentriert. So lassen sich bereits 14 Papiere einem der beiden Sektoren zuordnen – darunter auch die Index-Schwergewichte Erste Group, voestalpine und Andritz. Gleich drei Immobilien-AGs (Immofinanz, conwert, CA Immobilien) sind im ATX vertreten. Auch darin zeigt sich eine Besonderheit gegenüber anderen Indizes wie dem DAX, der gerne für Vergleiche herangezogen wird. Während der DAX seit Ende Juli 2011 ein moderates Minus von knapp 10% ausweisen muss, verlor der ATX im selben Zeitraum knapp ein Viertel seines Wertes.

Corporate Bonds sind gefragt, Aktien weniger

Die schwache Performance geht mit rückläufigen Handelsumsätzen einher (-37% im ersten Halbjahr). Vor allem Privatanleger haben dem Finanzmarkt augenscheinlich den Rücken gekehrt. Hierfür ist Beobachtern zufolge auch die Einführung einer Kapitalertragssteuer auf Aktiengeschäfte verantwortlich. Waren Kursgewinne nach einem Jahr früher steuerfrei, so müssen diese inzwischen wie in Deutschland auch mit 25% versteuert werden. Für die meist langfristig denkenden, sehr auf Value bedachten Austria-Anleger ist die Steuer ein Ärgernis. In der Folge fehlt es in den Orderbüchern nicht selten an der nötigen Liquidität. Dazu zählen insbesondere Corporate Bonds. Bis Anfang Juli gab es in diesem Bereich 14 Emissionen mit einem Gesamtvolumen von mehr als 1,7 Mrd. EUR. Allein der Industriekonzern Andritz sammelte mit seiner neuen 7-jährigen Anleihe 350 Mio. EUR ein. Über mangelndes Interesse können sich die Emittenten in aller Regel nicht beklagen. So sind die Anleihen meist mehrfach überzeichnet. Nur Unternehmen mit starken Ankeraktionären wie der Versicherer Uniqa gehen hingegen derzeit das Wagnis einer Kapitalerhöhung ein. Bezugsrechte, die bei der letzten Aktienplatzierung nicht ausgeübt wurden, gingen in den Besitz der beiden Großaktionäre, der Raiffeisen Zentralbank Österreich und der Austria Beteiligungs-Verwaltung, über. Am Ende belief sich das Volumen der Kapitalmaßnahme auf 500 Mio. EUR – ein durchaus respektabler Wert.

Privatanleger im Blick

Mit einer Stückelung von 500 EUR hatte Andritz bei der aktuellen Anleiheemission vor allem den Privatanleger im Blick. Dieser zeigte auch großes Interesse, wobei die gute Kursentwicklung des Bonds in den ersten Wochen nach Handelsaufnahme gleichsam als Vertrauensbeweis zu werten ist. Den Grazern stand jedoch schon vor der Emission ein üppiges Liquiditätspolster für Übernahmen zur Verfügung. Auf der M&A-Front ist der Konzern schon länger sehr aktiv. Erst im Juni sicherte man sich die Mehrheit am deutschen Metallpressenhersteller Schuler. Weitere Zukäufe sollen folgen, wobei der Vorstand insbesondere in den BRIC-Staaten Wachstumschancen sieht. Unbeeindruckt von den Turbulenzen der Euro-Krise und allgemeinen Konjunktursorgen eilte die Andritz-Aktie in den letzten Wochen unterstützt von guten Quartalszahlen und soliden Auftragseingängen von Allzeithoch zu Allzeithoch. Hierzu spiegelbildlich ging es für die Notiz des Ziegelproduzenten Wienerberger schon länger abwärts. Eine Kapitalerhöhung wäre allein aufgrund dessen aus Sicht des Unternehmens vermutlich keine allzu attraktive Option. Finanzchef Willy Van Riet betont überdies den geringen Verschuldungsgrad von lediglich 18% zum Ende des letzten Geschäftsjahres sowie die starke Kapitalstruktur (Eigenkapitalquote von 59%). Wienerberger verfügt dafür nach drei Anleiheemissionen in den vergangenen drei Jahren über eine beachtliche Erfahrung auf diesem Gebiet. Die letzte Platzierung erfolgte im Januar. „Wir konnten aufgrund des starken Interesses von nationalen und internationalen Investoren das maximal mögliche Volumen von 200 Mio. EUR voll ausschöpfen“, so Van Riet. Durch die Refinanzierungsstrategie besitzt der Konzern inzwischen ein ausgewogenes Fälligkeitsprofil. Daran möchte der CFO festhalten. „Für die nächsten Jahre bedeutet das, dass wir immer wieder Anleihen mit kleineren Volumina begeben werden, um keine Refinanzierungsspitzen in einzelnen Jahren aufzubauen.“

Auch Österreichs größtes Immobilienunternehmen, die Immofinanz AG aus Wien, suchte zuletzt das Instrument der Unternehmensanleihe. Mit einem Volumen von 100 Mio. EUR zählte der Bond (Kupon: 5,25%; Laufzeit 5 Jahre) aber zu den kleineren Emissionen der vergangenen Monate. Wie Vorstandschef Dr. Eduard Zehetner dem GoingPublic Magazin berichtet, war dies eine vorbeugende Maßnahme. „Das Geld ist ein Sicherheitspolster, das unsere Liquidität noch weiter erhöht. Im Wesentlichen werden wir damit unsere Wandelanleihe 2007–2017 tilgen, die mit einer Put-Option der Anleiheinhaber im November 2012 ausgestattet ist.“ Die Aufnahme von Eigenkapital war hingegen kein Thema. „Unser Aktienkurs weist momentan einen Abschlag von mehr als 50% auf den Net Asset Value auf, daher wäre eine Kapitalerhöhung mit einem sehr großen Verwässerungseffekt für unsere Aktionäre verbunden“, erklärt der Immofinanz-Chef.Seit dem vergangenen September ist die Lenzing AG im ATX enthalten. Der Weltmarktführer bei industriell hergestellten Cellulosefasern nutzte eine Anleiheemission vor zwei Jahren als Testlauf für eine spätere Kapitalmaßnahme. Bei der Ansprache der neuen Investoren galt es nach Worten von Vorstand Thomas G. Winkler einige Besonderheiten zu beachten. „Im Falle der Lenzing AG war es zu Beginn sehr wichtig, die generelle Dynamik des Fasermarkts zu erklären sowie auf die Weltmarktführerschaft, die technologische Spitzenposition von Lenzing und die dadurch erzielbaren Preisprämien am Markt als zentrales Differenzierungskriterium hinzuweisen.“ Flexibilität zählt für den Finanzchef in der Finanzierung zu den wichtigsten Geboten. Dabei möchte Winkler das Verhältnis von Net-Debt zu EBITDA nicht über ein Multiple von 2,5 ansteigen lassen. „Dies wollen wir durch einen gesunden Mix aus Eigenkapitalfinanzierung, Krediten und Anleihefinanzierung erreichen.“ Auch er bestätigt, dass der Markt für Corporate Bonds aktuell wesentlich aufnahmefähiger und bei Investoren beliebter ist.

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