In jüngster Vergangenheit sind vermehrt IPOs deutscher Unternehmen (nur) an ausländischen Börsen zu verzeichnen, z.B. voxeljet AG, Innocoll AG oder auch die Probiodrug AG. Aufgrund des aktienrechtlichen Schwerpunkts des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) müssen solche Gesellschaften auch dann den Empfehlungen des DCGK folgen bzw. eine Entsprechenserklärung gem. § 161 Abs. 1 AktG abgeben, wenn sie ausschließlich im Ausland börsennotiert sind. Für die betroffenen Gesellschaften kommt es daher zum einen darauf an, ob ihre Auslandsnotierung einer Börsennotierung gem. § 161 Abs. 1 AktG entspricht; zum anderen müssen die betroffenen Gesellschaften das Zusammenspiel der jeweiligen Corporate Governance Standards (CGS) der ausländischen Börse und der CGS des Heimatlandes berücksichtigen.

§ 161 Abs. 1 Satz 1 AktG verpflichtet den Vorstand und den Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft zu einer jährlichen Erklärung, wonach den Vorschriften des DCGK entsprochen wurde und wird bzw. welche Empfehlungen des DCGK nicht angewendet wurden/werden und die Begründung hierfür (sogenanntes „comply or explain“). Der Anwendungsbereich des DCGK knüpft an den Satzungssitz an und nicht an den Ort der Börsenzulassung. Daher müssen im Ausland börsennotierte Gesellschaften mit Satzungssitz in Deutschland wissen, ob ihr jeweiliges Marktsegment den Anforderungen an einen geregelten und überwachten Markt gem. § 3 Abs. 2 AktG entspricht, sodass sie die Erklärungsverpflichtung trifft.

Robert Michels und Valeria Hoffmann, Dentons
Robert Michels und Valeria Hoffmann, Dentons

Wann ist man im Ausland „börsennotiert“?

Gem. § 3 Abs. 2 AktG sind Gesellschaften börsennotiert, deren Aktien zu einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum mittelbar oder unmittelbar zugänglich ist. Die Gesetzesbegründung (Drs. 13/9712, S. 12) stellt fest, dass auch die Notierung an vergleichbaren Börsen im Ausland erfasst wird. Mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Beschränkung (anders die Definition des „organisierten Marktes“ in § 2 Abs. 5 WpHG) versteht man hier unter „Ausland“ nicht nur Mitgliedstaaten der EU, sondern auch alle anderen Drittstaaten (vgl. auch die harmonisierte Formulierung von § 2 Abs. 5 WpHG a.F. vor der Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie MIFID I, Drs. 13/7142). Ausreichend ist also eine Zulassung zu einem ausländischen Markt, der von einer staatlich anerkannten Stelle geregelt und überwacht wird (anders bei einer Auslandsnotierung, die einer Einbeziehung in den Freiverkehr vergleichbar ist). Solche Überwachungsstellen sind beispielsweise die SEC in den USA, die Securities and Futures Commission in Hongkong oder die Autorieteit Financiele Markten in den Niederlanden.

Berücksichtigung des Sonderstatus, Beispiel Nasdaq und NYSE

Von der Erklärungsverpflichtung im Zusammenhang mit ihrem US-Listing gehen derzeit beispielsweise die voxeljet AG mit Sitz in Augsburg (notiert an der NYSE) sowie die Innocoll AG mit Sitz in Halle/Saale (notiert an der Nasdaq) aus.

Sowohl die NYSE als auch die Nasdaq werden von der SEC überwacht, die Nasdaq jedoch erst seit Februar 2008. Folglich gilt sie (erst) ab diesem Zeitpunkt als regulierter Markt im Sinne des § 3 Abs. 2 AktG. Beachtenswert ist, dass die Nasdaq Corporate Governance Requirements für sogenannte ausländische Emittenten („foreign private issuers“) explizit die Möglichkeit berücksichtigen, dass sich solche Emittenten an die nationalen CGS halten, gebunden an eine Reihe von Bedingungen und Transparenzpflichten. So muss der ausländische Emittent beispielsweise die Nichtbefolgung der Nasdaq-Regeln sowie die grundsätzlichen Unterschiede zwischen diesen und den befolgten CGS des Heimatstaates offenlegen. Diese müssen – abhängig von den jeweiligen Berichtspflichten der Gesellschaft – in dem jährlichen Geschäftsbericht, dem Registrierungsformular oder auf der Homepage des Emittenten erfolgen. Auch verlangt die Nasdaq die Stellungnahme eines unabhängigen Rechtsberaters, die bezeugt, dass die Praxis der Gesellschaft nach den Regeln des jeweiligen Heimatstaates zulässig ist.

Entsprechende Berücksichtigung findet die Corporate-Governance-Praxis des jeweiligen Heimatlandes z.B. in den CGS der NYSE (Abschnitt 303A.11), wonach an der NYSE gelistete „foreign private issuers“ ebenfalls die Unterschiede zwischen den CGS des jeweiligen Heimatlandes und den CGS der NYSE offenlegen müssen. Dabei weist die NYSE jedoch ausdrücklich darauf hin, dass es keine unnötig komplizierte, jedes Detail berücksichtigende Offenlegung sein müsse: Gefordert ist lediglich eine knappe, allgemeine Zusammenfassung der wesentlichen Unterschiede, um den US-Anleger zu sensibilisieren. Dies würde z.B. auch die Unterscheidung zwischen einer monistischen (one-tier) und einer dualistischen (two-tier) Organisationsstruktur betreffen, da das einstufige Board-System im internationalen Vergleich überwiegt (so in den USA, England, der Schweiz etc.). Eine deutsche AG, die an der Nasdaq oder der NYSE gelistet ist, muss daher die obligatorische Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat offenlegen und erklären.[1]

Fazit

Es lässt sich folglich keine gemeinsame Praxis der internationalen Handelsplätze hinsichtlich der CGS für ausländische Emittenten feststellen. Den ausschließlich im Ausland börsennotierten deutschen Unternehmen bleibt daher nur eine Balance zwischen den deutschen und den jeweiligen ausländischen CGS zu wahren

Von Robert Michels, Partner, und Valeria Hoffmann, Dentons


[1] Weiteres Beispiel für einen deutschen Emittenten mit einer Erstnotierung im Ausland ist die Probiodrug AG mit Sitz in Halle (Saale). Das IPO ist für den 27.10.2014 an der Euronext in Amsterdam angekündigt und der Wertpapierprospekt enthält bereits die Erklärung gem. § 161 AktG. Auch die Schramm Holding AG mit Sitz in Offenbach, die vor ihrer Übernahme durch die Akzo Nobel NV bis Oktober 2011 an der Börse Hong Kong gelistet war, gab während dieser Zeit Entsprechenserklärungen ab.

Autor/Autorin