Dr. Konrad von Nussbaum, Geschäftsführer, ADEUS Aktienregister-Service-GmbH

Die Aktionärskommunikation vor und während der Hauptversammlung unterlag in den letzten Jahren einem stetigen Wandel. Im Zentrum stand die gezielte und effektive Ansprache von Aktionären. Technische und rechtliche Entwicklungen haben hierfür neue Möglichkeiten geschaffen. Wesentliche Impulse gingen dabei von der Namensaktie aus. Besondere Herausforderungen stellen sich im Rahmen der Hauptversammlung. Drei Schlaglichter aus der Praxis:

HV-Versand
Bei Inhaberaktiengesellschaften erhalten Aktionäre ihre HV-Einladung dezentral über die Depotbank. Diese erhält einen Aufwandsersatz nach Gebührenverordnung, der bei großen Gesellschaften wesentliche Summen erreicht. Allein im DAX werden so jährlich mehrere hundert Tonnen Papier verschickt.

Auch bei Namensaktiengesellschaften entstehen Druck- und Portokosten. Allerdings können die Unternehmen die Einladung in eigener Regie und im Corporate Design verschicken. Zudem besteht eine wesentliche Einsparmöglichkeit. Durch den direkten Kontakt mit dem Aktionär kann die Gesellschaft in einem Online-Service die Einwilligung des Aktionärs abfragen, künftige HV-Einladungen per E-Mail, E-Postbrief etc. zu erhalten. Die erreichten Zustimmungsquoten entwickeln sich erfreulich. Durch Benutzerfreundlichkeit, geeignete Anreize z.B. durch Gewinnspiele und das richtige Timing von Registrierungskampagnen lassen sich gut 15% bis 20% der Aktionäre für den elektronischen Versand gewinnen. Die Online-Möglichkeiten werden dabei über alle Generationen hinweg genutzt – keineswegs nur von jüngeren, vermeintlich technikaffineren Aktionären. Die Allianz SE spart so z.B. jährlich viele Tonnen Papier und das entsprechende Porto und verkürzt zudem die Versandzeiten.

Online-Services
Online-Services zur HV-Anmeldung, Vollmachtserteilung und Briefwahl haben sich als stabile und rechtssichere Instrumente für eine große Zahl von Anmeldungen etabliert. Auch hier ist die Namensaktie im Vorteil. Mit der HV-Einladung erhalten die Aktionäre direkt von der Gesellschaft alle Unterlagen zur Stimmrechtsausübung sowie die Zugangsdaten für den Online-Service. Mit Inhaberaktien geht dies nicht in gleicher Weise, weil zwischen Gesellschaft und Aktionär die dezentrale Depotbankenlandschaft tritt. Viele Gesellschaften ermöglichen den Namensaktionären bis in die HV hinein, häufig bis zum Ende der Generaldebatte, Weisungen an die Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft oder Briefwahlstimmen online zu ändern. Ergänzt wird das Angebot durch die Liveübertragung. So kann der Aktionär die HV online verfolgen und jederzeit durch Änderung seines Abstimmverhaltens reagieren.

Etwa ein Drittel aller einzelnen Anmeldungen geht heute bereits bei den großen Namensaktiengesellschaften über Online-Services ein. Das stärkt die Aktionärsbeteiligung und wirkt positiv auf die Präsenz. Die echte Online-Abstimmung nach § 118 Abs. 2 AktG wird dagegen sehr zurückhaltend genutzt. Für Aktionäre bietet sie keinen Vorteil, weil diese mit einer Online-Briefwahl oder Online-Bevollmächtigung ebenso aktuell reagieren können. Die Online-Abstimmung ist im Gegenteil sogar dahingehend eingeschränkt, dass sie nur während des Sammelgangs im Saal möglich ist. Aktionäre, die diesen Zeitpunkt nicht vor dem Bildschirm abwarten bzw. genau abpassen wollen, springen meist doch wieder zur Briefwahl oder Vollmacht an die Stimmrechtsvertreter ab. Emittenten verhalten sich zurückhaltend, weil die Online-Teilnahme aktienrechtlich eine echte Teilnahme ist und damit auch das Anfechtungsrecht gewährt. Das gilt umso mehr für das Online-Fragerecht, das bislang erstmals 2012 nur bei der EquityStory AG angeboten wurde, nicht aber bei größeren Gesellschaften oder in Hauptversammlungen mit kritischen Themen.

Grenzüberschreitende Aktionärstransparenz
Im Aktienregister sind Investoren aus dem Ausland häufig nicht selbst eingetragen, sondern über Nominees, die Auslandsbestände in sogenannten Omnibuskonten zusammenfassen. Im DAX machen Nominees bei Gesellschaften mit hohem Streuanteil meist zwischen 50% und 80% des Grundkapitals aus. Das hohe ausländische Investoreninteresse ist erfreulich, doch die Transparenz leidet.

Der deutsche Gesetzgeber hat darauf 2008 reagiert. Mit einer Änderung des § 67 AktG wurden zwei Instrumente zur Transparenzverbesserung geschaffen. Zum einen können Gesellschaften satzungsmäßige Beschränkungen für Fremdbesitzeintragungen einführen. Zum anderen kann vom Fremdbesitzer Auskunft darüber verlangt werden, für wen die Aktien gehalten werden. So lässt sich auch bei mehrstufigen Verwahrketten der wahre Aktionär erfragen.

Das Potenzial hinsichtlich Aktionärskommunikation und Transparenz ist jedoch noch lange nicht ausgeschöpft – national wie auch international. Illustration: PantherMedia / iconspro

Diese Instrumente werden von den Emittenten bislang noch nicht flächendeckend genutzt. Satzungsmäßige Beschränkungen bestehen im DAX nur bei Allianz und Münchener Rück. Durch regelmäßige zusätzliche Auskunftsverlangen identifiziert beispielsweise die Allianz zusätzlich zu den bekannten ca. 30% des Grundkapitals weitere ca. 40% des Grundkapitals. Weitere Nominees und Investoren bleiben unterhalb der Bagatellschwelle von 0,2%. Auf diese Weise entsteht ein vollständigeres Bild des Aktionariats.

Die Erfahrung zeigt, dass durch das Auskunftsverlangen auch einige große Aktionäre zum Vorschein kommen, die in einer Shareholder ID (Aktionärserhebung) nicht enthalten sind. Darüber hinaus veranlasst das Auskunftsverlangen zahlreiche Aktionäre, sich direkt in das Aktienregister eintragen zu lassen, insbesondere zur Hauptversammlung. Das wirkt sich auch positiv auf die Präsenz aus. Es ist also keineswegs so, dass die Investoren sich verstecken wollten. Vielmehr sind die Verwahrstrukturen so aufgebaut, dass der Investor eine Eintragung aktiv bei seiner Verwahrbank beziehungsweise seinem Nominee einfordern muss.

An der Verbesserung der Transparenz wird inzwischen auf nationaler wie internationaler Ebene gearbeitet. Auch die Europäische Kommission hat das Problem erkannt und in verschiedenen gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Konsultationen adressiert. Im Rahmen der Corporate-Governance-Entwicklung sind aus Brüssel weitere Maßnahmen zu erwarten.

Einen neuen Aspekt hat nun das OLG Köln (Urt. 6.6.2012, 18 U 240/11) in die Diskussion eingebracht. Danach sollen Fremdbesitzer verpflichtet sein, bei Erreichen oder Überschreiten der Meldeschwellen nach WpHG eine Meldung nach § 21 WpHG abzugeben. Die Praxis ging bisher davon aus, dass dies nur Eigenbesitzer betrifft. Allerdings ist die Ratio des Urteils nachvollziehbar. In vielen Hauptversammlungen sind Nominees mit hohen Beständen vertreten, teilweise mit über 20% des Grundkapitals. Dies kann eine Hauptversammlung leicht entscheiden. Die Bestände werden zwar weisungsgebunden ausgeübt. Dennoch kann ein Interesse des Kapitalmarkts bestehen zu erfahren, wer in der Hauptversammlung viele Stimmen auf sich vereint.

Fazit
Ein Ausweg ist die direkte Eintragung des wahren Aktionärs, der in der HV abstimmen möchte. So entsteht das Problem einer Überschreitung der Meldeschwelle beim Nominee erst gar nicht. Dies erscheint auch deshalb als die beste Lösung in der Praxis, weil – anders als das OLG Köln meint – die Meldepflicht Nominees, Verwahrbanken und Emittenten vor nicht unwesentliche organisatorische und rechtliche Herausforderungen stellen könnte.

Insgesamt wird durch diese Diskussionsausschnitte deutlich, dass in den vergangenen Jahren wesentliche Erfolge für Aktionärskommunikation und Transparenz erzielt werden konnten. Das Potenzial ist jedoch noch lange nicht ausgeschöpft. Es lohnt sich für die Emittenten, dies auf dem heimischen Markt wie auch international weiter voranzutreiben.

Dieser Artikel ist erschienen im HV Magazin 4/2012.

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