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Im Zuge der wachsenden Bedeutung von ESG in der Geldanlage kommen Investoren häufig auf die Kernfragen zurück: Wie wirkt mein Geld, wie kann ich Einfluss ausüben? Der Begriff „Active Ownership“ („aktive Teilhabe“) steht für Aktivitäten, die ein Investor zur Einflussnahme auf Wertpapieremittenten ausübt. Dabei geht es einerseits um den direkten Austausch zwischen Investor und Emittent, das sogenannte Engagement, und andererseits um die Stimmrechtsausübung im Falle von Aktieninvestments.

Active Ownership ist ein effektiver und direkter Weg, um positive ­Veränderungen in Unternehmen zu bewirken, und hat sich deshalb als ­Instrument in der ESG-Inte­grations-Toolbox von Investoren etabliert. Zudem ergibt sich für die Unterzeichner der sechs UN-Prinzipien für ver­ant­wortungs­vol­les Investieren ein allgemeiner Handlungs­bedarf im Bereich des Active Owner­ship.

Active Ownership jenseits der Stimmrechtsausübung

Anleiheinvestoren sehen sich bei ihren Active-Ownership-Aktivitäten allerdings mit zusätzlichen Herausforderungen kon­frontiert: Anders als Aktieninvestoren verfügen sie nicht über Stimmrechte, und die Vielzahl an Emittententypen im Anleihe­bereich, die neben Unternehmen auch Staaten und supranationale Akteure umfasst, erhöht die Komplexität. Zusätzlich müssen Anleiheinvestoren qua ihres Investmentansatzes einen stärkeren ­Fokus auf Risiken legen und partizipieren nicht im selben Maße wie Aktieninvestoren an der Nutzung von ESG-Chancen.

Diesen und weitere Artikel zum Thema Investor Relations / ESG-Reporting finden Sie im GoingPublic Magazin 02-2022 – jetzt kostenfrei als PDF downloaden.

Insbesondere aufgrund der fehlenden Stimm­rechte bei Anleiheinvestments galt Active Ownership lange Zeit nur für Aktien­investoren als relevant. Doch inzwischen haben sich verstärkt auch Anleihe­investoren mit dem Thema auseinandergesetzt und Möglichkeiten und Mechanismen eruiert, Active Ownership jenseits von Stimmrechtsausübung zu ­leben – denn Anleiheinvestoren stellen bei vielen Emit­tenten einen wichtigen Kapitalgeber dar.

Engagement im Anleihenbereich

Viele Mechanismen des Engagements überschneiden sich Assetklassen übergreifend. Allerdings bestehen im Anleihen­bereich Besonderheiten, etwa beim Zeithorizont oder bei der Zielerreichung, die für ein erfolgreiches Engagement berück­sichtigt werden sollten:

  • Priorisierung und Definition von Enga­­ge­mentauslösern: Faktoren hierbei kön­­nen die Größe der Holdings oder die ESG-­Risiken spezifischer Sektoren sein. Eine klare Definition von Engagement­aus­lösern hilft bei der Struktur eines systematischen Prozesses. Neben kon­tro­versen Meldungen zu einem Emittenten kann auch fehlende ESG-Transparenz ein Engagementauslöser sein.
  • Ziele und Erfolgsmessung: Anleihe­investoren sollten Meilensteine für ihre Engagements festlegen und diese dahingehend auf ihre Effektivität überprüfen. Nur so kann der Erfolg abschließend ­beurteilt werden. Die Ziele können dabei stark variieren: Sie können sich etwa auf die Erhöhung von Transparenz beziehen, auf Verhaltensänderungen, auf Implementierung spezifischer Maßnah­men oder auf konkrete Informationsbeschaffung im Falle kontroverser Mel­dungen. Kleinere Investoren haben jedoch teils Schwierigkeiten beim Zugang zu den Emittenten – eine Herausforderung, der u.a. mit kollaborativem Engagement ­gemeinsam mit anderen Inves­toren ­begegnet werden kann.
  • Zeithorizont: Teilweise werden Anleihen kurzfristig emittiert. Im Falle von Neu­inves­titionen muss die Investitions­entschei­dung deshalb häufig in einem Zeitraum getroffen werden, in dem das Engagement noch nicht erfolgreich abge­schlos­sen werden konnte. Der Engagementprozess sollte dies mit der klaren Defini­tion berücksichtigen, in welchen Fällen eine Investition bereits vor erfolg­reichem Abschluss zulässig ist und in welchen Fällen das Engagement abgeschlossen sein sollte. Bei kontroversen Meldungen kann sich dies beispielsweise auf die Schwere der Kontroversen beziehen.

Diffizilerer Ansatz bei ­Staatsanleihen

Das Engagement bei Anleihen aus dem staatlichen und staatsnahen Bereich ist ein gesonderter Teilbereich des Active Ownership. Auch hier geht es in der Regel darum, Risiken durch zusätzliche Informa­tionen zu sozialen und ökologischen ­Aspekten besser einzuschätzen. Anders als bei Unternehmen mit Investor-­Relations-Abteilungen fehlt bei Staaten aber oft ein direkter Kommunikations­kanal, Eskala­tionsmechanismen bei unbefriedigenden Gesprächsergebnissen sind begrenzt und die Abgrenzung zu Lobby­ismus ist teilweise nicht klar. Doch auch dieser Teilbe­reich hat sich in den letzten Jahren weiter­entwickelt und internationale Initiativen für kollaborative Engagements wurden ins Leben gerufen.

Active-Ownership-Ansatz bei Berenberg

Im Berenberg Wealth and Asset Manage­ment ist Active Ownership ein wesent­licher Bestandteil unseres ESG-Ansatzes. Assetklassen übergreifend ist die direkte Ansprache für uns ein zentrales Instrument, um das ESG-relevante Handeln von Unternehmen und Emittenten zu verstehen und zu beeinflussen. Unsere Engagement­richtlinie fasst auf übergeordneter Ebene unser Vorgehen zusammen und in unserem jährlich erscheinenden Active Ownership Report berichten wir aggregiert über unsere Aktivitäten rund um Engagement und Stimmrechtsausübung.

Die Auslöser für ein Engagement bei Anlei­hen konzentrieren sich für uns auf zwei Fälle: zum einen, wenn uns relevante Informationen für die ESG- und Impact-Analyse fehlen und zum anderen, wenn kontroverse Meldungen vorliegen und Verbesserungspotenzial bei ESG-Themen besteht. Sowohl für bestehende Holdings als auch für potenzielle neue Investments finden ein systematisches Engagement und Austausch mit dem Emittenten durch das Portfoliomanagement und das ESG Office statt. Nach Abschluss des Engagements treffen wir – je nach Ausgang und Erfolg – unsere finale Investmententscheidung.

Engagement-Beispiel einer Unternehmensanleihe: Bei der Analyse einer poten­ziellen Investition in einen Green Bond ­eines deutschen Kreditinstituts wurden Unklarheiten im Green Bond Framework durch das Portfoliomanagement identi­fiziert. In einem Engagementgespräch wurden insbesondere die Mittelverwendung der Anleihe sowie der zulässige rückwirkende Zeitraum für die Projekt­finanzierung diskutiert. Dabei spiegelte das Portfoliomanagement seine Perspek­tive und Erwartungen hinsichtlich Best-Practice-Standards, sowohl mit Blick auf das Green Bond Framework als auch mit Blick auf die allgemeine ESG-Strategie des Unternehmens. Mit den gewonnenen ­Erkenntnissen wurde entschieden, vorerst keine Investition für einen Fonds mit Fokus auf positive Wirkung zu tätigen.

Engagement-Beispiel einer Staatsanleihe: Vor dem Hintergrund einer Investi­tion in Staatsanleihen eines südamerika­nischen Staates identifizierte das Port­folio­manage­ment im Rahmen seiner Due Diligence verschiedene kritische Punkte im sozialen und ökologischen Bereich. Im Zuge einer Roadshow von Mitgliedern aus dem ­Finanzministerium des Staates wurde ­deshalb ein Engagementgespräch geführt. Dabei ging es um die aktuelle wirtschaft­liche Situation und Entwicklung des Landes, das Green Bond Framework und eine geplante Emission sowie soziale Ungleichheiten und Unruhen im Land. Im offenen und konstruktiven Dialog wurde eine klare und konsistente Nachhaltigkeitsstrategie in Bezug auf Umweltaspekte kommuniziert. Allerdings wurden soziale Aspekte aus Berenberg-Sicht nicht ausreichend und transparent genug behandelt, weshalb schriftlich wei­tere Fragen gestellt wurden. Diese wurden ausführlich beantwortet und lieferten wertvolle Erkenntnisse im Hinblick auf allgemeine Investitionen sowie auf die kommenden Emissionen im Speziellen.

Fazit

Anleiheinvestoren können als aktive ­An­leger dabei helfen, langfristig das Nachhaltigkeitsprofil der Emittenten zu verbessern, Transparenz zu erhöhen und damit Risiken zu reduzieren. Auch wenn der Handlungsspielraum u.a. aufgrund fehlender Stimmrechte kleiner ist als bei Aktien­investoren, können sie durch konkrete Spiegelung von Erwartungen und Einforderung von Best-Practice-Standards wirksame Engagements durchführen. Definierte Prozesse, welche die potenziellen Aus­löser für Engagements, die Engagementziele sowie die Erfolgsmessung berücksichtigen, können hierbei wichtige ­Hilfestellung leisten.

Autor/Autorin

Robert Reichle

Robert Reichle (CFA, CQF, ) ist seit Januar 2010 bei Berenberg und leitet den Bereich Global & Emerging Markets. Er managt selbst den Fonds Berenberg Sustainable EM Bonds. Der Diplom-Wirtschaftswissenschaftler ist Chartered Financial Analyst (CFA) und besitzt das Certificate in Quantitative Finance (CQF). Reichle ist Eurex-Börsen­händler, FSA Approved ­Person und verfügt über einen Master in internationaler Volkswirtschaft von der Université Paris Panthéon-Sorbonne.

Christoph Mäder

Christoph Mäder verantwortet als Port­folio­manager den ­Berenberg Sustainable Euro Bonds. Vor seinem Start bei Beren­berg im August 2017 konnte er erste Berufs­erfahrung bei der UniCredit und DWS sammeln. Er hält ­einen Master of Finance & Investments von der Rotterdam School of Management und ist CFA-Charterholder.

Tabea Weber

Tabea Weber ist seit Januar 2021 Teil des ESG Office von Berenberg und befasst sich u.a. mit dem Thema ESG. Zuvor war sie im Sustainability Research der GLS Bank tätig. Sie absolvierte den Master of Science in Volkswirtschaftslehre an der Universität Münster und hat an der Université Paris Panthéon-Sorbonne ­sowie an der Universität Bayreuth studiert.