Elektronische Medien sind mittlerweile auch aus der Welt der HV nicht mehr wegzudenken: Veröffentlichung der HV-Einladung, Bereitstellung von Unterlagen im Vorfeld, Bekanntmachung der Ergebnisse nach der HV – das alles ist für börsennotierte Unternehmen zwar Pflicht, viele verstehen es jedoch gleichzeitig als Kür. Schon weiter auseinander gehen dagegen die Auffassungen in Sachen Online-HV oder auch Online-Ausübung von Aktionärsrechten.

Quelle: Eigene Erhebung HCE Haubrok Corporate Events GmbH
Quelle: Eigene Erhebung HCE Haubrok Corporate Events GmbH

Untersuchungsgrundlage

Untersucht wurden für die vorliegende Studie die auf den Internetseiten der DAX30-Gesellschaften bereitstehenden HV-Unterlagen. Ziel war es, eine „Best Practice des Online-Angebots rund um die HV“ zu bestimmen – die es jedoch nicht gibt, wie sich zeigen sollte. Untersucht wurden die Einberufungsunterlagen und Online-Angebote der ordentlichen Hauptversammlungen 2014 der 30 DAX-Gesellschaften (Stand 1. September 2014). Dabei wurde ausgewertet, inwiefern die Hauptversammlung im Internet übertragen wurde, welche Bewegtinhalte im Anschluss an die HV verfügbar blieben, ob und wenn ja in welcher Form und v.a. bis zu welchem Zeitpunkt eine Abstimmung über das Internet möglich war.

Übertragung

Die Übertragung der Vorstandsrede ins Internet ist mittlerweile bei den großen Gesellschaften State-of-the-Art. Bis auf HeidelbergCement übertragen dieses zentrale Element alle DAX-Gesellschaften. Fand eine Übertragung statt, dann ist die Rede auch im Anschluss als Webcast mit den eingespielten Folien abrufbar. Interessierte Aktionäre, die die Ausführungen der Vorstandsvorsitzenden live verfolgen möchten, haben jedoch bei einer Gesellschaft das Nachsehen: Beiersdorf überträgt die HV ausschließlich für die Aktionäre, die sich im Vorfeld der HV registriert haben. Im Nachhinein steht die Vorstandsrede jedoch allen Interessierten zur Verfügung. K+S ist hingegen die einzige Gesellschaft, die die Rede nur ausschnittsweise ins Netz stellt. Bei Linde müssen sich Interessierte für das Video-on-demand mit Namen und E-Mail-Adresse registrieren. Insgesamt elf Unternehmen stellen zudem die einführenden Ausführungen des Aufsichtsratsvorsitzenden im Anschluss an das Aktionärstreffen als Webcast auf die Internetseite.

Bei der Übertragung der Generaldebatte scheiden sich hingegen nach wie vor die Geister: Lediglich zwölf DAX-Unternehmen bieten die Übertragung an – vier davon übertragen die Aussprache ausschließlich für die im Vorfeld registrierten Aktionäre, darunter die Beiersdorf AG, die auch schon die Übertragung der Vorstandsrede an die vorherige Anmeldung zur HV geknüpft hatte.

Haubrok Tabelle2Anmeldungen

Neben der Übertragung und der Bereitstellung auslagepflichtiger Unterlagen wie Einladung und Tagesordnung bieten die DAX-Unternehmen außer Fresenius, Fresenius Medical Care und HeidelbergCement auch jeweils die Möglichkeit, sich über ein Portal anzumelden und über dieses Vollmachten und Weisungen an den Stimmrechtsvertreter und ggf. Briefwahlstimmen abzugeben. Diese Art der Nutzung der Hauptversammlung hat sich mittlerweile auch bei zahlreichen kleineren Gesellschaften durchgesetzt, so dass man hier bereits von einer allgemeinen „Best Practice“ sprechen kann.

Auch die Briefwahl ist mittlerweile bei 19 der 30 DAX-Gesellschaften möglich, zusätzlich eine echte Online-Teilnahme des Aktionärs bietet jedoch im DAX-Bereich nur die SAP SE an. Dabei beschränkt SAP die Rechte der Online-Teilnehmer im Vergleich zu den vor Ort präsenten Teilnehmern (siehe Kasten auf Seite 18). So ist beispielsweise das Fragerecht via Internet nicht enthalten.

Stimmabgabe über InternetHaubrok Tabelle 3

Deutliche Unterschiede gibt es beim Zeitpunkt, bis zu dem eine Stimmabgabe über das Internetportal – sei es in Form der Briefwahl oder durch Vollmacht und Weisung an den Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft – möglich ist: Denn hier macht (fast) jede Gesellschaft – übrigens unabhängig vom begleitenden HV-Dienstleister – individuelle Vorgaben. Immerhin ein Drittel der Gesellschaften (11) lässt die Abstimmungsmöglichkeit via Internet bis zum Ende der Generaldebatte offen, eine sogar bis zum Ende der Abstimmung (SAP im Zuge der Online-HV). Dabei ist auch bei einigen Gesellschaften die Stimmabgabe bis zum Ende der Generaldebatte möglich, obwohl strikt keine Übertragung der Generaldebatte im Internet erfolgt.

Weitere sieben Gesellschaften ermöglichen zumindest noch den Online-Zugang zu Beginn der HV, sodass zwei Drittel also ihr Portal bis in die HV hinein geöffnet halten. Die restlichen Gesellschaften schließen das Portal bereits am Vortag. Eine zweistufige Vorgehensweise hat die E.ON SE gewählt: Hier müssen Aktionäre bereits zum Anmeldeschluss ihre Vollmachten und Weisungen abgegeben haben. Änderungen oder ein Widerruf der erteilten Weisungen sind dann im Anschluss jedoch noch bis 12.00 Uhr am HV-Tag möglich.

Stimmabgabe im Vorfeld

Ein sehr uneinheitliches Bild ergibt sich auch, wenn man die verschiedensten Möglichkeiten der Stimmabgabe im Vorfeld der HV per Brief, Fax oder E-Mail untersucht. Die Stimmabgabe und Weisungserteilung an den Stimmrechtsvertreter vor der HV erfordert vom Aktionär ein intensives Studium der Teilnahmebedingungen der jeweiligen Einberufungsunterlagen. Nicht nur, dass jede Gesellschaft praktisch ihre eigene Deadline hat, bis zu welcher die Stimmabgabe/Weisung bei der Gesellschaft eingegangen sein muss, bei einigen Gesellschaften unterscheidet sich diese Ausschlussfrist auch noch je nach gewähltem Übermittlungsweg und Art der Stimmabgabe (Briefwahl vs. Übertragung der Stimmen an den Stimmrechtsvertreter).

Gar keine Angabe, bis wann eine Stimmabgabe per Brief, Fax oder E-Mail vorab möglich ist, haben vier Gesellschaften in ihren Einberufungsunterlagen. Bei Allianz, BASF, E.ON und Siemens werden die Aktionäre offensichtlich bewusst auf die Online-Portale gelenkt.

In nur sechs Fällen stimmt dabei der Zeitpunkt der letzten Möglichkeit der Stimmabgabe über die Portale mit der Stimmabgabe in Textform überein. Bei den übrigen Fällen sind die Internetportale eine wirkliche Bereicherung für die Aktionäre, denn sie ermöglichen ihnen eine zum Teil deutlich längere Abgabe ihrer Stimmen.

Haubrok Tabelle 4Fazit

Die Nutzung des Internets ist zu einem festen Bestandteil der Hauptversammlung in Deutschland geworden. Dennoch zeigen die Ergebnisse der Auswertung, dass Unternehmen nach wie vor sehr konservativ bei dessen Nutzung im Rahmen der HV sind. Viele scheuen sich, die Generaldebatte zu übertragen, zumeist, um insbesondere kritischen Aktionären keine zusätzliche Plattform zu bieten. Auch die zum Teil erheblich vor dem Tag der HV liegenden Termine der letztmöglichen Stimmabgabe dürften auf ein gewisses Sicherheitsdenken zurückzuführen sein. Dies könnte auch der Grund dafür sein, dass sich die wirkliche Online-HV, in der ein Online-Teilnehmer dieselben Rechte hat wie ein HV-Teilnehmer vor Ort, bislang noch nicht durchgesetzt hat. Das Horrorszenario langer Fragenkataloge, die per Copy & Paste in mögliche Dialogfelder geladen werden und die es dann zu beantworten gälte, haben sich in den Köpfen der HV-Verantwortlichen festgesetzt. Auch der Ausfall der Systeme, Übermittlungspannen oder sonstige Fehler lassen HV-Verantwortliche vor einer Ausweitung der Möglichkeiten zurückschrecken. Zu Unrecht, denn die vorhandenen Systeme haben mittlerweile gezeigt, dass sie zuverlässig die einzelnen Spielarten der Online-HV beherrschen. Auch wenn der Rückgang der HV-Präsenzen eingedämmt scheint, könnten die Möglichkeiten der Online-Teilnahme insbesondere institutionelle Investoren wieder verstärkt zurück in die Hauptversammlungen bringen.

 Daniela Gebauer, HV-Beraterin, HCE Haubrok Corporate Events GmbH

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