Dr. Thorsten Kuthe (links) und Madeleine Zipperle

Mittelstandsanleihen beherrschen für kleine und mittelgroße Emittenten seit ca. zwei Jahren wesentlich das Kapitalmarktgeschehen. Häufig wird bei Vorüberlegungen zu entsprechenden Anleiheemissionen auch das Genussrecht als Alternative erwogen. Mancher Emittent einer Mittelstandsanleihe hatte bereits zuvor Erfahrungen mit Genussrechten gesammelt. Bieten sich Genussrechte als interessante Alternative zu Mittelstandsanleihen an, oder lässt sich von dem einen nicht auf den anderen Markt schließen?

Grundsätzlich sind Genussrechte auch Anleihen, nämlich verbriefte Darlehensforderungen. Im Gegensatz zu den sogenannten Straight Bonds mit fester Laufzeit und fester Verzinsung sind Genussrechte jedoch höchst variabel und in der Praxis oft sehr verschieden gestaltet. Der Fantasie sind hier (fast) keine Grenzen gesetzt. Von Angeboten, die lediglich eine zusätzliche am Gewinn orientierte Verzinsung neben der Festverzinsung ausweisen, bis hin zu Genussrechten, die weitgehend an die Aktie angenähert sind, finden sich viele unterschiedliche Gestaltungen im Markt. Das „typische“ Genussrecht ist dabei mit einer festen und einer gewinnorientierten Verzinsung, einer Verlustteilnahme (ohne Nachschusspflicht) und meist auch mit einem Nachrang gegenüber anderen Verbindlichkeiten ausgestaltet. Aus Sicht des Emittenten hat dies den Vorteil, dass das Genussrecht nach HGB wirtschaftlich Eigenkapital darstellt und damit seine Fremdkapitalquote nicht erhöht. Damit ein Genussrecht nach IFRS als wirtschaftliches Eigenkapital behandelt wird, muss es eine „ewige“ Laufzeit ausweisen. Dies kann rechtlich erreicht werden durch eine unbegrenzte Laufzeit und den gleichzeitigen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts des Anlegers. Dem Emittenten hingegen steht dann nach einer festen Laufzeit von z.B. zehn Jahren ein ordentliches Kündigungsrecht zu, und wenn er hiervon keinen Gebrauch macht, erhöht sich die Verzinsung des Genussrechts. Solche Gestaltungen sind jedoch bislang bei Genussrechten, die im Privatanlegerbereich ausgegeben werden, unüblich. Zu finden sind sie aber beispielsweise bei Banken.

Diese rechtlichen Rahmenbedingungen für Prospekte wurden zur Mitte des Jahres 2012 geändert. Foto: PantherMedia / Arne Trautmann

Risikopapier?

Aus Sicht des Anlegers ist das Investitionsrisiko bei Genussrechten aufgrund der variablen Verzinsung und der Verlustteilnahme sowie des Nachrangs erhöht. Bei näherer Betrachtung relativiert sich der Unterschied aber. Denn die variable Verzinsung wird meist ergänzend zu einer festen Verzinsung gewährt und erhöht damit gegenüber einer üblichen Anleihe die Rendite, sie ist quasi der Risikoanteil, der zusätzlich vergütet wird. Nachrangig sind Anleihen im Mittelstandsbereich meistens faktisch deswegen, weil sie in Konkurrenz zu Bankverbindlichkeiten treten, die üblicherweise besichert sind. Somit unterliegen die Anleihen zwar nicht rechtlich, aber doch strukturell einem Nachrang. In einer Insolvenz ist der Unterschied zwischen einer Anleihe und einem Genussrecht im Ausfall daher in der Praxis meist nicht hoch. Damit verbleiben als wesentliche Unterschiede die Verlustteilnahme und damit auch das Ausbleiben der Verzinsung in wirtschaftlich schlechten Zeiten.

Vertrieb über Börsen möglich?

Mittelstandsanleihen sind auch deswegen so erfolgreich geworden, weil diese über die Börsen öffentlich vertrieben werden und hierdurch auch der Privatkundenbereich sowie Vermögensverwalter und kleinere institutionelle Investoren angesprochen wurden. Genussrechte von kleinen und mittelgroßen Emittenten werden in der Praxis häufig an ähnliche Investoren vertrieben. Tendenziell dürfte bei solchen Genussrechtsemissionen der Anteil der Privatanleger eher höher sein als bei aktuellen Mittelstandsanleiheemissionen. In vielen Kreisen hat sich das Genussrecht gerade bei (vermögenden) Privatpersonen als bekannte Anlageform etabliert. Genussrechtsemissionen ließen sich in technischer Hinsicht genauso über die Börsen vertreiben wie Mittelstandsanleihen. Jedoch werden Genussrechte aktuell meistens nicht verbrieft und damit auch nicht börsenhandelsfähig angeboten. In diesen Fällen erfordert der öffentliche Vertrieb der Genussrechte einen Prospekt, der nicht nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG), sondern nach dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) zu erstellen und von der BaFin zu billigen ist.

Aus Sicht des Anlegers ist das Investitionsrisiko bei Genussrechten aufgrund der variablen Verzinsung und der Verlustteilnahme sowie des Nachrangs erhöht. Bei näherer Betrachtung relativiert sich der Unterschied Foto: PantherMedia / costasz

Geänderter Rechtsrahmen für Prospekte

Diese rechtlichen Rahmenbedingungen wurden zur Mitte des Jahres 2012 geändert. Dabei sind Anpassungen an das Wertpapierprospektgesetz erfolgt, das Prospekte für verbriefte Genussrechte und Anleihen regelt. Dies gilt sowohl hinsichtlich inhaltlicher Vorgaben als auch bzgl. des Prüfverfahrens. Insbesondere kann und muss die BaFin nunmehr eine sogenannte inhaltliche Kohärenzprüfung (also Schlüssigkeitsprüfung) bei Prospekten für unverbriefte Genussrechten vornehmen und orientiert sich dabei teilweise an der Vorgehensweise der entsprechenden Referate für Wertpapierprospekte. Erste Erfahrungen zeigen Schwierigkeiten bei der Anwendung der Neuregelungen auf Genussrechte, weil die Gesetzesänderungen sich auf geschlossene Fonds fokussieren. Diese Anlaufschwierigkeiten dürften aber bald überwunden sein. Es ist möglich, Genussrechte ebenso wie Anleihen zu verbriefen. In diesem Fall ist dann ebenso wie bei Mittelstandsanleihen ein Wertpapierprospekt nach dem WpPG zu veröffentlichen. Durch die Verbriefung ist auch eine Börsenhandelbarkeit möglich. Demgemäß werden Genussrechte teilweise auch im Freiverkehr notiert. Technisch ist dann auch ein Vertrieb über die Zeichnungsfunktionalität der Börsen im Freiverkehr möglich. Bislang hat nach unserer Kenntnis zwar noch keine deutsche Börse ein Genussrecht über den allgemeinen Freiverkehr mit Zeichnungsfunktionalität oder eines ihrer Qualitätssegmente für Mittelstandsanleihen vertrieben, Gedankenspiele hierzu gibt es jedoch.

Fazit

Ebenso wie bei Mittelstandsanleihen gilt auch bei Genussrechten: Die richtigen Investoren müssen gefunden und über die Risiken und Chancen der Investition sachgerecht aufgeklärt werden. Stabile Cashflows sind letztlich bei jeder Art von Fremdkapitalaufnahme Voraussetzung. Durch den eigenkapitalähnlichen Charakter sind Genussrechte für die Emittenten häufig interessant und können eine attraktive Beimischung in der Finanzierungsstruktur sein. Entsprechend seriöse Angebote, die sich durch eine gute Struktur und eine professionelle Dokumentation auszeichnen, können auf der anderen Seite eine lohnenswerte Bereicherung der Anlageoptionen für Investoren sein.

Von Dr. Thorsten Kuthe und Madeleine Zipperle, Rechtsanwälte, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln

 

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