Seit Indiegogo und Kickstarter nicht unerhebliche Summen einsammeln konnten, ist Crowdfunding in aller Munde. Seit einiger Zeit wagt sich auch die Wissenschaft an eine Teilfinanzierung durch die Massen. Die erste deutschsprachige Plattform, Sciencestarter, gefördert durch den Stifterverband für die deutsche Wirtschaft, ist seit November 2012 am Start. Die Kommunikation mit der Masse, die sich vielfach aus Laien rekrutiert, ist im Crowdfunding ein entscheidendes Erfolgskriterium. Nur wer die Crowd begeistert, wird sie auch überzeugen. Wir haben Thorsten Witt von Sciencestarter zu den Herausforderungen im Crowdfunding befragt.

Going Public: Herr Witt, Crowdfunding Portale für wissenschaftliche Projekt gibt es schon einige. Glauben Sie, dass sich diese Idee auch für Deutschland eignet? Der Charity Gedanke ist ja hier weit weniger ausgeprägt als beispielsweise in den USA, der Heimat des Crowdfundings.

Thorsten Witt: Unsere Plattform Sciencestarter ist die erste deutschsprachige Crowdfunding-Plattform für Projekte aus der Wissenschaft und wurde Ende November 2013 ein Jahr alt. Die Statistiken unserer Plattform zeigen deutlich, dass wir uns in entscheidenden Punkten kaum von denen amerikanischer Science-Crowdfunding-Plattformen unterscheiden. Sciencestarter macht also deutlich, dass Crowdfunding für die Wissenschaft auch in Deutschland funktioniert.

Going Public: Wie finanziert sich Sciencestarter, wer steht hinter der Plattform und ist Sciencestarter gewinnorientiert? Wann rechnen Sie im Falle einer Gewinnorientierung mit einer schwarzen Null?

Thorsten Witt: Sciencestarter ist eine Plattform der Wissenschaft im Dialog gGmbH, die Wissenschafts-Crowdfunding auch als eine neue Möglichkeit der Wissenschaftskommunikation begreift. Die Plattform ist kostenlos und nicht über Gebühren finanziert. Sie wurde durch den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft gefördert. Eine Gewinnorientierung und Finanzierung über Gebühren streben wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht an, da das Prinzip des Crowdfundings dafür nach unserer Meinung im Wissenschaftsbereich noch nicht etabliert und verbreitet genug ist.

Going Public: Wie stellen Sie sicher, dass die ausgeschriebenen Projekte wissenschaftlichen Standards genügen? Gibt es beispielsweise so etwas wie ein Review-Verfahren?

Thorsten Witt: Alle eingereichten Projekte werden vor der Freischaltung inhaltlich auf die Einhaltung der Plattform-Richtlinien geprüft. Unser Hauptkriterium ist dabei die Wissenschaftlichkeit und damit die Einhaltung gewisser Regeln und Methoden. Damit schließen wir pseudowissenschaftliche Projekte explizit von der Plattform aus. Bei der Einschätzung wird das Projektteam durch einen mehrköpfigen wissenschaftlichen Beirat unterstützt, der aus Vertretern der großen deutschen Forschungseinrichtungen besteht.

Going Public: Crowdfunding heißt auch, das Interesse und die Aufmerksamkeit der Masse für oftmals komplexe wissenschaftliche Sachverhalte zu wecken. Wie schaffen Sie es, die unterschiedlichen Forschungsvorhaben wirklich massentauglich zu kommunizieren?

Thorsten Witt: Die Kommunikation von Forschungsvorhaben und wissenschaftlichen Projekten ist genau das Ziel, das Wissenschaft im Dialog mit der Plattform verfolgt. Im Falle von Sciencestarter ist das aber nicht unsere Aufgabe sondern die des Projektstarters. Ein Crowdfunding-Projekt kann nur erfolgreich sein, wenn der Projektstarter selbst authentisch und glaubwürdig kommuniziert. Wir als Projektteam können die Kommunikationsmaßnahmen der Projektstarter lediglich unterstützen, indem wir sie beispielsweise über unsere Social Media Kanäle teilen. Wissenschaft im Dialog wurde vor über 10 Jahren dafür gegründet, den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu fördern, weshalb wir im Bereich der Wissenschaftskommunikation eine hohe Expertise vorweisen und die Projektstarter entsprechend beraten können.

Going Public: Steht Sciencestarter auch einzelnen Forschern offen oder können sich nur Forschergruppen aus renommierten Instituten um eine Spende bemühen?

Thorsten Witt: Generell stellen wir keine bestimmten Anforderungen an den Projektstarter selbst. Er muss weder Wissenschaftler sein, noch einen akademischen Hintergrund haben, oder an einer wissenschaftlichen Einrichtung tätig sein und dort forschen. Für uns relevant ist das Projekt, für das dann auch bei uns die bekannten wissenschaftlichen Maßstäbe gelten. Wissenschaft findet aber eben nicht nur an wissenschaftlichen Einrichtungen, sondern teilweise auch in der Mitte der Gesellschaft statt, weshalb die Plattform an die Person des Projektstarters keine Bedingungen stellt.

Going Public: Fallen für die Registrierung als Spendenempfänger oder potenzieller Sponsor Kosten an und gibt es einen Mindestförderbetrag und/oder einen Mindestspendenbetrag?

Thorsten Witt: Der Mindestförderbetrag auf Sciencestarter beträgt 1 €. Weder für die Projektstarter noch für die Unterstützer fallen bei unserer Plattform irgendwelche Kosten oder Gebühren an. Lediglich die real angefallenen PayPal-Gebühren für die Bezahlprozesse, die über PayPal abgewickelt werden, werden im Erfolgsfall von der Gesamtsumme abgezogen. Sollte das unterstützte Projekt nicht erfolgreich finanziert werden, bekommt der Unterstützer aber seinen gesamten Betrag zurück erstattet.

Going Public: Gibt es Vorgaben zur Verwendung der Spenden und erhalten Sponsoren eine Gegenleistung für ihre Spende?

Thorsten Witt: Beim Crowdfunding handelt es sich im Normalfall eben nicht um eine Spende, da der Supporter für seine Unterstützung eine Gegenleistung erhält. Das ist auch bei uns der Fall, weil wir gerade das Ziel des Austauschs zwischen dem Wissenschaftler und der Öffentlichkeit verfolgen. Die Gegenleistungen werden vor der Finanzierungsphase vom Projektstarter selbst festgelegt und sind, je nach Höhe der Unterstützung, gestaffelt. Meist sind sie ideeller und immaterieller Art und eher ein Dankeschön des Projektstarters an den Unterstützer.

Going Public: Wie hoch sind im Durchschnitt die benötigten Summen für ein Projekt und wo sehen Sie persönlich die Grenze der Finanzierbarkeit durch Crowdfunding?

Thorsten Witt: Das durchschnittliche Funding der Projekte auf Sciencestarter liegt bei knapp 5.000 €. Das größte auf der Plattform geförderte Projekt belief sich bislang auf 14.660 €. Crowdfunding für die Wissenschaft ist ein noch sehr neuer Ansatz, weshalb wir Projektstartern generell empfehlen, die Zielsumme von 15.000 bis 20.000 € nicht zu übersteigen. Das ist jedoch jedem Projektstarter selbst überlassen. Ich denke auch, dass wir schon bald Projekte haben werden, die ein größeres Funding anstreben. Klar ist aber auch: Je höher die Zielsumme, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit auf ein erfolgreiches Funding.

Going Public: Wie sehen Sie generell die Zukunft der Finanzierung von Start-up Unternehmen in den Life Sciences im deutschen Raum?

Thorsten Witt: Generell kann man feststellen, dass den entsprechenden Akteuren die Bedeutung der Beratung und Förderung von Start-Ups in diesem Bereich immer bewusster wird. Damit einher geht auch eine Ausweitung und Diversifizierung der Fördermöglichkeiten, wobei eben auch Crowdfunding eine Rolle spielt. Letztlich, denke ich, bietet Crowdfunding hier eine tolle Möglichkeit der Co-Finanzierung durch Wirtschaft, öffentliche Förderinstitutionen und der Öffentlichkeit, was für alle Beteiligten Vorteile bringen kann.

Going Public: Herr Witt, wir bedanken uns ganz herzlich für die Beantwortung unserer Fragen!

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