Wie viele Aufsichtsratsmandate kann eine einzelne Person gleichzeitig und mit guter Qualität wahrnehmen? Zehn. Das legte der Gesetzgeber schon vor rund 50 Jahren bei der Novellierung des Aktiengesetzes als Obergrenze fest. Im Volksmund wurde die Regelung als „Lex Abs“ bekannt, benannt nach dem ehemaligen Deutsche-Bank-Chef Hermann Josef Abs, der es Mitte der 60er Jahre zeitweise auf rund zwei Dutzend solcher Ämter brachte und dessen Mandatsflut damit u.a. auf ein sinnvolles Maß beschränkt werden sollte.

Axel Mühlhaus, Mitgründer und Geschäftsführer der Finanzkommunikationsund IR-/PR-Agentur edicto.
Axel Mühlhaus, Mitgründer und
Geschäftsführer der Finanzkommunikationsund IR-/PR-Agentur edicto.

Eine ähnliche „Lex …“, die man ebenfalls mit dem Namen eines ehemaligen Bankers verknüpfen könnte, stünde möglicherweise inzwischen auch den Mittelstandsanleihen gut zu Gesicht – nämlich beim sogenannten Gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger. Der wird als Interessenvertreter und Sprachrohr der Anleihegläubiger meistens dann gewählt, wenn ein Problem auftaucht. Das kann etwas Schwerwiegendes wie eine Insolvenz sein oder auch nur eine minder gravierende geplante Änderung der Anleihebedingungen. Mithin eine schwierige und entsprechend arbeitsintensive Thematik, die dafür aber auch in aller Regel höchst ordentlich honoriert wird. Nun gehört nicht viel Fantasie dazu, sich auszumalen, dass die Rolle als Gemeinsamer Vertreter wesentlich mehr Ressourcen beansprucht als die meisten Aufsichtsratsmandate. Dennoch gibt es bisher noch keinerlei Beschränkungen bei der Zahl dieser Mandate. Mit der Folge, dass sich bei den börsennotierten Mittelstandsbonds in diesem Bereich oligopolistische Strukturen etablieren konnten. Eine süddeutsche Adresse beispielsweise hat die Rolle des Gemeinsamen Vertreters vor einigen Jahren für sich entdeckt und in den vergangenen zweieinhalb Jahren über 20 Mandate in diesem Bereich angenommen.

Wohlgemerkt: Ein Gemeinsamer Vertreter ist oft über viele Quartale und Jahre tätig – er wird vom Unternehmen und somit letztlich vom Geld der Anleihegläubiger bezahlt –,sodass gleichzeitige Arbeitsbelastungen aus verschiedenen Mandaten in großem Umfang unterstellt werden dürfen. Wenn das erwähnte Beratungsunternehmen zum Gemeinsamen Vertreter bestellt wurde, wurde meistens auch dessen Geschäftsführer als der Mann, der die Fäden für die Anleihegläubiger in den Händen hält, präsentiert. Gehen wir davon aus, dass der Tag auch hier nur 24 Stunden hat, so drängt sich die Frage auf, ob es nicht im Sinne der Anleihegläubiger wäre wenn im Schuldverschreibungsgesetz eine ähnliche Beschränkung wie die Lex Abs im Aktiengesetz eingeführt würde. Damit wäre die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die ohnehin meistens in der Bredouille steckenden Gläubiger eine gemeinsame Vertretung erhalten, die ausreichende Ressourcen für ihre speziellen Belange vorhalten kann. Von privatwirtschaftlichen, gewinnorientierten Unternehmen sollte so eine Selbstbeschränkung nicht erwartet werden, d.h. hier müssten Regelungen vom Gesetzgeber geschaffen werden. Wenn das als Begleiteffekt dann noch zu etwas mehr Wettbewerb bei den Beratungshäusern und den „Profi -Gläubigervertretern“ führte, so wäre das vielleicht gar nicht schädlich. Hermann Josef Abs jedenfalls soll gesagt haben, nachdem die Begrenzung der Zahl der Aufsichtsratsmandate gesetzlich fixiert wurde: „Von allen Maßnahmen, die je zum Schutz meiner Gesundheit getroffen wurden, war dies bestimmt die einschneidendste.“

Der Beitrag erschien zuerst im GoingPublic Magazin 8-2016 – das E-Paper können Sie hier nachlesen.

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