BGH, Beschluss vom 08.10.2013 – II ZB 26/12 („FRoSTA“)
Der Rückzug von der Börse galt bisher als schwieriges Unterfangen. Grund war die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der in einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2002 („Macrotron“) entschieden hatte, ein „Delisting“ sei ungeachtet der an sich fehlenden aktienrechtlichen Vorgabe nur mit vorheriger Zustimmung der Hauptversammlung zulässig. Überdies stehe den Aktionären ein Abfindungsanspruch zu, der ihnen den Ausstieg aus der Gesellschaft zum tatsächlichen Wert ihrer Aktien sichere.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schien lange Zeit unverrückbar. Im Juli 2012 entschied dann allerdings das Bundesverfassungsgericht, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Delisting sei zwar vertretbar, verfassungsrechtlich aber doch nicht zwingend geboten. Damit ebnete das Bundesverfassungsgericht den Weg für eine Neubewertung der Delisting-Problematik durch den Bundesgerichtshof, der – wie die hier zu besprechende Entscheidung zeigt – sehr schnell Gelegenheit hatte, seine Position zu bestätigen oder zu verändern. Das Gericht entschied sich für letzteres.

Der Anlass: Ein Fall des sog. „Downgrading“
In dem Verfahren, welches der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde lag, ging es konkret um einen Fall des sogenannten „Downgrading“. Die FRoSTA AG wechselte vom regulierten Markt der Wertpapierbörse in Berlin in den Entry Standard des Freiverkehrs (Open Market) der Frankfurter Wertpapierbörse. Das Landgericht und das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen hatten hierzu als Vorinstanzen entschieden, dass ein Spruchverfahren zur Festsetzung einer Barabfindung unzulässig sei. Sie folgten damit den Entscheidungen des Kammergerichts in Berlin und des Oberlandesgerichts München, die sich bereits zuvor für diesen Weg entschieden hatten.

Bedeutung der Entscheidung für das „echte“ Delisting
Soweit der Bundesgerichtshof zum konkreten Fall die Entscheidungen der vorinstanzlichen Gerichte bestätigte, ist der Beschluss wenig spektakulär. Bedeutsam wird die Entscheidung erst dadurch, dass der Bundesgerichtshof die neuen Grundsätze ausdrücklich auch auf den Fall des „echten“ Delisting, d.h. den Fall des vollständigen Rückzugs von der Börse erstreckt sehen will und damit seine bisherige („Macrotron-“) Rechtsprechung ausdrücklich aufgibt. Aktienrechtlich sind Hauptversammlungsbeschluss und Barabfindungsverbot also nicht mehr zwingende Voraussetzungen des Delisting (gleich ob „echtes“ Delisting oder „Downgrading“).

Die Begründung des Gerichts
Zur Begründung stützt sich der Bundesgerichtshof einerseits darauf, dass es eine verfassungsrechtlich zwingende Vorgabe nicht gibt. Andererseits lasse sich den sonstigen Vorschriften des Aktiengesetzes auch keine hinreichenden Anhaltspunkte entnehmen, die im Rahmen einer sogenannten Gesamtanalogie zum Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses geschweige denn eines Barabfindungsanspruches führen würden. Die Aktionäre seien auch nicht schutzlos. Über § 39 Abs. 2 Satz 2 BörsenG seien die Interessen der Anleger angemessen geschützt und gegen die Entscheidung der jeweiligen Börse über den Widerruf der Börsenzulassung sei zudem der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Zivil- bzw. aktienrechtlich müsse dieser Schutz nicht ergänzt werden.

Fazit
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes wird vielfach als Durchbruch gefeiert, der das Delisting grundlegend vereinfacht. Das ist einerseits richtig, vielleicht aber auch zu voreilig. Zum einen ist davon auszugehen, dass die Fälle des Delisting künftig vermehrt die Verwaltungsgerichte beschäftigen werden. Und zum anderen wird bereits jetzt der Ruf nach dem Gesetzgeber und einer aktienrechtlichen Regulierung laut. Sollte dieser Ruf gehört werden, könnte sich die Rechtslage schnell wieder ändern.

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