Dr. Almut Graebsch und Dr. Georg Kääb, Manager Communication, BioM GmbH

„Es gibt überhaupt keinen Grund, warum jemand einen Computer bei sich zu Hause haben wollte.“ Dieser berühmte Irrtum von Ken Olson aus dem Jahr 1977 könnte eines Tages neben einigen eher skeptischen Aussagen zur Personalisierten Medizin, die darin wahlweise einen Marketinggag der Pharmabranche oder aber eine unbezahlbare Elitenmedizin sehen, stehen.

Bill Gates investiert
Ein Mann, der in den 70ern den richtigen Riecher hatte, scheint heute von der Zukunftsfähigkeit der Personalisierten Medizin überzeugt: Bill Gates stieg Anfang des Jahres mit einem zweistelligen Millionenbetrag bei der kalifornischen Biotech-Firma Foundation Medicine ein, die genetische Tests für die personalisierte Krebstherapie entwickelt. Bei diesen Biomarker-Tests der zweiten Generation werden statt einem Gen gleich 280 Gene analysiert, die für das Wachstum des Tumors und sein Ansprechen auf eine bestimmte Therapie verantwortlich sind.

Die Bewältigung einer solchen Komplexität ist ohne Zweifel eine der größten Herausforderungen der künftigen Medizin. Doch Komplexität ist insbesondere den IT-affinen Investoren kein Schreckgespenst. Und auch andere Investoren haben Gefallen an den Möglichkeiten einer computergestützten molekularen Diagnostik gefunden – der Grundvoraussetzung, um Personalisierte Medizin als bessere Entscheidungsmethode zwischen Therapieoptionen zu etablieren. Der Inventages Capital Fund, hinter dem Nestlé steht, startete im Januar eine Zusammenarbeit mit SAP. Junge Healthcare-Unternehmen aus diesem Bereich erhalten Kapital und Know-how, um übergreifende IT-Systeme zu entwickeln. Durch die Integration verschiedenster Informationsquellen – genetische, nicht-genetische, klinische Daten – sollen umfassende Diagnosen und Behandlungskonzepte erstellt werden.

Investitionen in die Zukunft
Auch das größte deutsche Biotech-Unternehmen Qiagen, welches sich selbst als Marktführer der Personalisierten Medizin bezeichnet, investiert weiter – und nicht nur in die eigene Produktentwicklung: Mit der Beteiligung an dem Berliner Start-up Alacris Theranostics GmbH unterstützt Qiagen die Entwicklung eines Modellierungssystems für die Auswertung von Sequenzierungsdaten und sichert sich den Zugriff auf neu entdeckte Biomarker.

Diese Investments geschehen nicht nur aus wissenschaftlichem Interesse, sondern vielmehr, weil die Verantwortlichen vom künftigen wirtschaftlichen Erfolg überzeugt sind. Dabei ist auch diesen Akteuren sicherlich klar, dass eine Stärkung der „individuellen Medizin und Therapie“ ganz neue Herausforderungen an die Gesundheitssysteme stellen wird:

  • Weg von der Behandlung des Phänotyps, hin zu einer übergreifenden Molekulardiagnostik, die an den Ursachen der Erkrankung ansetzt
  • Stärkung der „evidenzbasierten Medizin“ bei schnellerer Berücksichtigung von neuen Erkenntnissen aus der Wissenschaft und klinischen Praxis. Datenintegration und Datenschutz des Patienten, bei gleichzeitiger Steigerung seiner Autonomie und Partizipation
  • Sehr praktische Fragen wie ein Vergütungsmodell, das auch der Diagnostik für die beste Therapieentscheidung einen größeren Wert (Nutzen) für das System einräumt
Genetische Tests als Basis für die personalisierte Krebstherapie. Foto: PantherMedia / Sergey Nivens

Personalisierte Medizin in den USA …
Hier lohnt sich ein Blick über den Atlantik: Die USA sind einerseits Spitzenreiter in der biopharmazeutischen Industrie und auch bei der Personalisierten Medizin schon einige Schritte voraus, gleichzeitig wird dort ein Gesundheitssystem für die Allgemeinheit gerade erst aufgebaut. Hier müssen also zwei Systemwelten parallel entwickelt und miteinander verzahnt werden. Hierzulande steht das Gesundheitssystem jedoch unter einem Kostendämpfungs-Kuratel, das jede Innovation als Kostentreiber stigmatisiert. Eine verfeinerte, neuartige medizinische Methode wie Personalisierte Medizin kann heute noch keine (später hoffentlich positiven) Langzeiteffekte auf die Kostenentwicklung vorweisen. Bei der Kostenbilanz müsste dabei u.a. berücksichtigt werden, welche Einsparungen durch die Verhinderung unwirksamer Therapien und schwerwiegender Nebenwirkungen erreicht werden können. Die Fürsprecher hoffen auch, dass sich die Arzneimittelkosten dadurch reduzieren lassen, dass weniger Entwicklungsprogramme abgebrochen werden müssen. Zum einen könne eine Biomarker-Strategie bei einem drohenden Ausfall aufgrund mangelnder Wirksamkeit die Investition retten. Zum anderen könne ein tiefgehendes molekularbiologisches Verständnis von Krankheitsursache, Wirkmechanismus und Zielpopulation das Ausfallrisiko verringern.

Darüber hinaus könnten die heute für viele Investoren abschreckenden sehr langen Entwicklungszeiten von über zwölf Jahren für ein neues Medikament stark verringert werden, wenn von Anfang an die klar definierte Patienten(sub)gruppe als Zielgruppe der Therapie ausreichend charakterisiert worden ist.

… und bei uns

Bei Investoren – zumindest auf internationaler Ebene – scheint genügend Phantasie bei einem überschaubaren Risiko in der Personalisierten Medizin vorhanden zu sein. Umso besser, dass zumindest in einigen Regionen Deutschlands, angestoßen etwa durch den Spitzencluster-Wettbewerb der Bundesregierung, dieser Ball aufgenommen wurde und sich in Heidelberg, Mainz und München (aber auch einigen weiteren Regionen wie Berlin) interdisziplinäre Netzwerke für die Personalisierte Medizin gebildet haben. Hier gibt es erste sichtbare Ergebnisse der Verknüpfung tiefgehender, individueller Diagnostik mit besseren Therapieoptionen bzw. der Entwicklung besserer, zielgerichtet wirkender Arzneimittel. Hier dürfte man also auch als Investor jedenfalls fündig werden, ohne den Flug nach Übersee antreten zu müssen.

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