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Als das Deutsche Aktieninstitut 2021 aktuelle Daten zur Entwicklung der Aktionärszahlen im Pandemiejahr 2020 vorlegte, konnte es gleich zweifach frohe Botschaften verkünden: Einerseits waren im Vergleich zum Vorjahr 2,7 Mio. Bürger neu am Kapitalmarkt aktiv, andererseits verzeichnete die größte relative Zunahme ausgerechnet die jüngste Alterskohorte. Um satte 67 Prozent nahm die Zahl der Aktiensparer unter 30 Jahren zu. Schnell war die Bezeichnung der neuen „Generation Aktie“ geboren, die allerdings nicht nur Begeisterung auslöste. Manche Kommentatoren befürchteten, die neue Anlegergeneration könnte besonders kurzfristig orientiert, risikoaffin und sprunghaft agieren. Was, wenn der Hype schnell wieder verfliegt? Was, wenn sich die Jungen mit spekulativen Anlagen die Finger verbrennen, und dann dem Kapitalmarkt auf lange Sicht den Rücken kehren?

Die Studie

Basierend auf einer quantitativen Befragung von Aktionären in Deutschland hat sich nun eine aktuelle Studie der Universität Leipzig in Kooperation mit dem DIRK – Deutscher Investor Relations Verband, dem Deutschen Aktieninstitut, der Deka Bank sowie den Aktiengesellschaften SAP SE, Lanxess AG und Zalando SE das Anlage- und auch Informationsverhalten der „Generation Aktie“ vertieft angeschaut.

Welche Motive treiben demnach junge Menschen unter 35 Jahren an den Kapitalmarkt? Abbildung 1 zeigt zwei Befunde, die dem Klischee der sprunghaften Jungen widersprechen: Der langfristige Vermögensaufbau und die finanzielle Unabhängigkeit sind für die Generation Aktie bedeutsamer als für die älteren Anleger. Tatsächlich bezeichnen auch mehr junge Anleger ihre Investitionen als ein „Hobby“ (22 Prozent), aber über beide Altersgruppen hinweg spielt der „Nervenkitzel“ eine untergeordnete Rolle.

Abb. 1: Anlagemotive (* = statistisch signifikanter Unterschied)

Mit Blick auf die bevorzugten Anlagekategorien zeigt sich, dass „Generation ETF“ möglicherweise die passendere Bezeichnung für die jungen Anleger wäre. ETFs und Fonds stehen bei den Jungen an erster Stelle, doch immerhin 65 Prozent investieren auch direkt in Aktien. Ein deutlicher Generationenunterschied zeigt sich bei der Investition in Kryptowährungen (Abb. 2).

Die Anlagekriterien bei der Auswahl der Aktien unterscheiden sich dabei wenig: die Jüngeren achten etwas mehr auf wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Trends und gewichten Empfehlungen höher, die Älteren legen dagegen mehr Wert auf ein geringes Risiko bei einer hohen Dividende. Überraschen mag: Nachhaltigkeit rangiert über die Altersgruppen hinweg auf den unteren Relevanzrängen.

Abb. 2: Genutzte Finanzprodukte (* = statistisch signifikanter Unterschied)

Sparen ist angesagt

Fast 70 Prozent der jungen Befragten setzen auf einen Sparplan (47 Prozent der Älteren). Auffällig häufiger nutzt die Generation Aktie zu diesem Zweck Neo-Broker. Die Umfrage adressierte auch das Anlagewissen – manche Kommentatoren hatten befürchtet, dass dieses gerade unter den Jungen bedenklich tief ausgeprägt sein könnte. Tatsächlich schätzt nur eine Minderheit von 43 Prozent der jungen Anleger ihr Kapitalmarktwissen als hoch oder sehr hoch ein. Basierend auf 16 Sachfragen wurde dieses Wissen auf die Probe gestellt, dabei konnten 63 Prozent der jungen Befragten mindestens die Hälfte der Fragen korrekt beantworten. Besonders häufig falsch beantwortet wurden Fragen, die sich auf ETFs bezogen – für diese Anlegergruppe ein in der Tat bedenkliches Resultat.

Abb. 3: Genutzte Finanzdienstleister (* = statistisch signifikanter Unterschied)

Ältere wollen Print

Mit Blick auf das Informationsverhalten zeigen sich einige erwartbare Altersunterschiede: Ältere Anleger setzen eher auf Zeitungen, Zeitschriften, TV und Radio – während die Generation Aktie signifikant mehr Wert auf Informationen aus Social Media legt. YouTube ist die drittwichtigste Informationsquelle für die Jungen, aber auch Podcasts, Blogs, Instagram, Facebook, Reddit, Twitter und sogar TikTok werden hier häufig(er) konsultiert. Unternehmensangebote wie die IR-Website oder der Geschäftsbericht werden dagegen über die Altersstufen hinweg ähnlich häufig verwendet. Für beide Altersgruppen an erster Stelle stehen Finanzportale.

Finfluencer spielen eine bedeutende Rolle

Mit Blick auf die bevorzugten Medienformate wird deutlich, dass die „Generation Aktie“ deutlich mehr Affinität zu audiovisuellen Medien zeigt, während ältere Anleger Textformate bevorzugen. Ein neuer Informationsintermediär, der für die „Generation Aktie“ eine bedeutsame Rolle spielt, sind Influencer, hier auch „Finfluencer“ genannt. Die jungen Anleger konsultieren diese ähnlich häufig wie Finanzjournalisten und häufiger als Anlageberater – und damit deutlich häufiger als Anleger über 35 Jahren. Doch auch Empfehlungen aus dem privaten und beruflichen Umfeld messen die Jungen eine höhere Bedeutung bei als die Älteren.

Mit Blick auf die Investor Relations zeigt sich: Nur 45 Prozent der Generation Aktie geben an, schon einmal den Begriff „Investor Relations“ gehört zu haben. Immerhin 55 Prozent wissen, dass börsennotierte Unternehmen verpflichtet sind, den Kapitalmarkt mit Informationen rund um ihr Geschäft zu versorgen, 63 Prozent halten solche Informationen für (eher) vertrauenswürdig. Aber nur 30 Prozent können sich vorstellen, bei einer inhaltlichen Rückfrage auch das Unternehmen direkt zu kontaktieren. Aktiengesellschaften, die Wert auf den Austausch mit jungen Privatanlegern legen, haben daher noch etwas Energie in den Abbau von Berührungsängsten in der „Generation Aktie“ zu investieren.

Autor/Autorin

Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann

Prof. Dr. Christian P. Hoffmann ist Professor für Kommunikationsmanagement an der Uni­versität Leipzig sowie Akademischer Leiter des Center for Research in Financial Communi­cation.