Bildnachweis: High-Tech Gründerfonds.

Ein Blick hinter die Kulissen der Venture Capital-Szene verrät, dass nicht nur Start-ups hart arbeiten müssen, um Investoren zu gewinnen, sondern auch die Venture Capitalisten selbst. Eine überzeugende Investmentstrategie, ein sehr erfahrenes Team und eine professionelle Struktur sind vor allem dann, wenn das Fondskonzept noch nicht erprobt ist, zwar notwendige Bedingung – aber nicht hinreichend. Kontakte, viel Vertrauen, positive Empfehlungen von Dritten und Glück müssen als Katalysatoren hinzukommen. Das kleine Coronavirus hat diese hinreichenden Notwendigkeiten erodieren lassen.

Als Mitte März binnen einer Woche fünf höchst interessierte und erstklassige Kapitalgeber abgesagt hatten, schien der Stern des European Circular Bioeconomy Fund (ECBF) im Sinkflug. Absagen sind im Fundraising zwar ständige Begleiter, aber Corona schnitt uns den Weg zu neuen Leads ab. Die Krise verunsicherte zudem zentrale Geschäftspartner, die mutig in Vorleistung gegangen waren. Sie verhandelten aggressiv nach. Behörden, deren Genehmigungen Voraussetzung für den Start waren, schien Corona in Schockstarre zu versetzen. Das Gründerteam des Fonds, seit Anfang des Jahres ohne Einkommen, hatte sich ein Zeitlimit gesetzt, das nicht mehr zu halten war.

Aber keiner steckte den Kopf in den Sand. Allen Widrigkeiten zum Trotz stand das Team tatkräftig zusammen. Der Hauptinvestor, die European Investment Bank (EIB), kam dem ECBF deutlich entgegen; die Liquiditätshilfe des Landes NRW griff uns unter die Arme und einige überzeugte Investoren blieben trotz allem treu an der Seite des ECBF. In der zweiten Hälfte der Krise stellte sich die Geschäftswelt auf digitale Videokommunikation um und war wieder besser erreichbar. Zwar lassen sich Investoren noch immer nicht per Videochat überzeugen, aber es kam wieder Bewegung in die ausgedünnte Leadpipeline. Bottleneck waren plötzlich nicht mehr die Investoren, sondern die erforderlichen Genehmigungen verschiedener Behörden, auf die wir gemeinsam mit den Investoren warten mussten.

Langfristig rechnet der ECBF mit einem positiven Effekt aus der Corona-Krise. Anleger werden zunehmend nachhaltig und im Einklang mit den sogenannten Enviromental, Social and Governance-(ESG-)Kriterien investieren. Auch die Bioeconomy erwartet positive Impulse, da die Konsumenten und Regierungen mehr Nachhaltigkeit einfordern und fördern. Die Fundraising-Achterbahn für den ECBF ist aber noch nicht zu Ende: Der ECBF wird noch etwa ein Jahr für Rendite und impactorientierte Anleger offen sein. Allerdings wird er sehr bald selbst investieren können und den für unseren Planeten so wichtigen Transformationsprozess von einer linearen, fossilbasierten Wirtschaft zu einer biobasierten Kreislaufwirtschaft unterstützen. Da dieser Transformationsprozess disruptiv neue Geschäftsmodelle und Innovationen braucht, ergeben sich lukrative Investmentopportunitäten. Die ersten beiden Beteiligungen sind bereits auf den Weg gebracht.

Autor/Autorin

Dr. Michael Brandkamp

Dr. Michael Brandkamp ist General Partner beim ECBF European Circular Bioeconomy Fund. Zuvor war er mehr als 14 Jahre als Geschäftsführer des High-Tech Gründerfonds tätig.