In den Gazetten wird es so laut behandelt, als sei es schon Tatsache: Der „Rosa Riese“ soll einen neuen Chef bekommen. Vielleicht gerade jetzt, weil es so gut in den Wahlkampf paßt. Man könnte auf den Gedanken kommen, daß Ron Sommer als Bauernopfer vor der kommenden Bundestagswahl dienen soll. Schließlich ist der Kursverfall an der Börse nicht nur der Deutschen Telekom vorbehalten. Die Papiere ihrer internationalen Konkurrenten gerieten in den letzten Monaten ebenfalls gehörig unter Druck. Im Branchenvergleich steht der deutsche Telekommunikationskonzern noch relativ gut da.

Was hat Ron Sommer denn getan, was nicht auch von anderen Vorständen kritiklos akzeptiert wird? Egal, wie dreist bei der Einwerbung von Kapitalmarktgeld Wahrheiten gedehnt werden und wie sorglos mit diesem Geld umgegangen wird, so ist dieses Verhalten doch gängige und allgemeine Praxis. Mehr noch: es könnte als geeigneter Qualifikationsnachweis für eine politische Karriere dienen.

Wer meldete sich schon zu Wort, als Ex-Babcock-Chef Lederer seine Aktionäre mehrfach hintereinander ablederte? Berufsopponenten, obstruktive Kleinstaktionäre, publizitätsgeile Aktionärsschutz-Missionare, und (na, welches Etikett haben wir denn für Herrn Guy Wyser-Pratte bereit?) …potentielle Firmen-Zerfleischer. Dabei nutzte Lederer eigentlich nur den Rahmen aus, den der deutsche Gesetzgeber Vorständen zum Schutz vor den eigenen Kapitalgebern und deren unverschämten Ansprüchen wie Gleichbehandlung, Eigentumsschutz, risikoadäquatem Ertrag, Auskunft über ihr Unternehmen etc. an die Hand gab. Und was der Gesetzgeber tut, ist doch zum Wohl des privat-altersvorsorgenden Volkes, nicht wahr?

Nichts anderes taten auch Dutzende von Vorständen weniger prominenter Adressen, die kaum beachtet die Spalten des Kurszettels füllen. Haffa & Co. als Exekuteure des Gesetzgeberwillens? Das Tafelsilber und die goldenen Fallschirme sind, wie Aktionäre, Politiker und (ja, das gibt“s!) Gläubiger überrascht feststellen, form- und fristgerecht aus den Unternehmen verschwunden. Jetzt ertönt der Ruf, abgesehen vom Ruf nach dem überlasteten Staatsanwalt, nach Sanierern, Aufräumern, naja, Rettern eben. Auch wenn nur die Nachfolge von Sommer und Lederer das nötige Pressegewicht hat: Wo sollen ad hoc all die erfahrenen und kompetenten Feuerwehrleute herkommen? Müssen wir Vorstände wie Lothar Späth in Großserie klonen?

Letztgenannter hätte sogar das passende Format, um den halbstaatlichen Telefongiganten wieder auf Kurs zu bringen. Und das wäre ja fast so etwas wie ein Ministerposten, immerhin bedeutend besser bezahlt. So könnte es für die Deutsche Telekom dieser Tage vielleicht noch ein schöner Spät(h)-Sommer werden.

Die Kolumne erscheint jeweils montags, mittwochs und freitags in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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