Nationale und internationale Standardsetter unternahmen in jüngerer Vergangenheit mehrfach den Versuch, Informationen über strategische Maßnahmen und Ziele in die Pflichtberichterstattung aufzunehmen – bisher ohne Erfolg. Mangelt es den Angaben zur Strategie an Wesentlichkeit? Oder ist es kapitalmarktorientierten Unternehmen aufgrund der Sensibilität der Informationen gar nicht zuzumuten, hierüber zu berichten? Beide Fragen sind zu verneinen. Um die Diskussion auf ein breiteres Fundament zu stellen, untersuchte die Kirchhoff Consult AG die Qualität der Strategieberichterstattung im internationalen Vergleich.

Jens Hecht, CFA, Vorstand, und Christoph Tesch, MBA, Senior Consultant, Kirchhoff Consult AG
Jens Hecht, CFA, Vorstand, und Christoph Tesch, MBA, Senior Consultant, Kirchhoff Consult AG

In der Studie wurden 50 internationale Geschäftsberichte mit Hilfe eines Scoring-Modells (Strategy-Disclosure-Index) analysiert und bewertet. Die Stichprobe umfasste die zehn nach Marktkapitalisierung größten Unternehmen aus den Ländern China, Deutschland, Großbritannien, Japan und den USA.

Großbritannien und Deutschland am transparentesten
Wichtigste Erkenntnis: Die Unternehmen aus Großbritannien und Deutschland weisen die höchste Qualität der Strategieberichterstattung auf. Hier wurden durchschnittlich 60% der im Kriterienkatalog geforderten Angaben in den Geschäftsberichten abgebildet. Auf Platz 3 folgt mit einigem Abstand Japan – noch vor den USA. Überraschend, da den US-Unternehmen in der Regel ein hohes Maß an freiwilliger wie auch verpflichtender Transparenz im Rahmen der SEC-Filings attestiert wird. Die Berichte aus China erreichen mit Werten unter 30% nicht einmal die Hälfte der Punktzahl der Spitzengruppe.

Insgesamt zeigte sich eine sehr große Bandbreite bei der Erfüllung der Kriterien: Diese reicht von 10% (Fanuc/Japan) bis 78% (Vodafone/Großbritannien). Interessanterweise zeigte sich die Streuung der Qualitätsniveaus innerhalb eines Landes gering – abgesehen von den japanischen Unternehmen. Die länderspezifischen Berichtsstandards können hierfür wenig Erklärungsbeitrag leisten. Vielmehr scheinen andere Motive dafür zu sorgen, dass sich die Qualität innerhalb der Länder angleicht.

Deutsche Telekom unter den besten drei
An der Spitze der zehn transparentesten Unternehmen stehen mit der Vodafone Group und GlaxoSmithKline zwei Unternehmen aus Großbritannien. Platz 3 erreichte die Deutsche Telekom. Auf Platz 6 landete Volkswagen, die Ränge 9 und 10 belegten Bayer und BASF. Neben den fünf Unternehmen aus Großbritannien und vier Kandidaten aus Deutschland schaffte es nur ein Unternehmen aus Japan in die Auswahl der besten 10 (Japan Tobacco).

Kirchhoff Strategie
Quelle: Kirchhoff Consult AG

Unternehmen lassen sich ungern zu tief in die Karten schauen, so ein häufig genanntes Vorurteil. Die Auswertung nach Strategiephasen bestätigt dieses Bild.

Wettbewerbsumfeld ist tabu
Wenig überraschend: Innerhalb der Strategieanalyse berichten viele Unternehmen recht ausführlich über die allgemeinen Rahmenbedingungen – rund dreiviertel der geprüften Kriterien wurden hier erfüllt.

Ebenfalls der Strategieanalyse zuzuordnen ist der geschäftsspezifische Rahmen. Hierzu zählen zum Beispiel Informationen zum Markt- oder Wettbewerbsumfeld innerhalb der Geschäftsbereiche. In diese Kategorie fällt die Qualität der Berichterstattung deutlich auf rund ein Drittel ab. Die Unternehmen aus Großbritannien und den USA führen hier das Ranking an.

Deutsche Unternehmen führend bei der Darstellung von strategischen Zielen
In der Kategorie Strategieformulierung unterscheidet die Studie zwischen Unternehmens- und Geschäftsstrategie. Erstere befasst sich mit Faktoren wie der Vision, der Mission oder finanziellen Konzernzielen. Mit einem Mittelwert von 52% stellt nur etwas mehr als die Hälfte aller Unternehmen Konzerninformationen zur Verfügung. Neben den deutschen Gesellschaften veröffentlichen vor allem die Japaner relevante Angaben.

Quelle: Kirchhoff Consult AG
Quelle: Kirchhoff Consult AG

Die Geschäftsstrategie beschäftigt sich mit den Informationen auf Segmentebene. Hier sinkt die Transparenz noch einmal um 10 Prozentpunkte auf 42%. Nur die deutschen Unternehmen mit ihren zum Teil ausführlichen Segmentberichten und dem überwiegend sehr transparenten Ausblick auf Umsatz und Ergebnis können sich hier positiv von der Masse abheben.

Weniger als 50% sprechen über Strategieimplementierung
Neben der Geschäftsstrategie bildet die Strategieimplementierung die Kategorie mit den wenigsten Angaben in den Geschäftsberichten (45%). Unternehmen aus Großbritannien belegen in dieser Kategorie die vorderen Plätze. Sie liefern knapp 80% der geforderten Angaben über Steuerungssystem, Beschreibung von konkreten strategischen Maßnahmen sowie Zielerreichung mit Blick auf die strategischen Maßnahmen. Zudem knüpfen neun von zehn britischen Unternehmen die Managementvergütung an das Erreichen von strategischen Zielen. In Deutschland sind es noch fünf Unternehmen, in den anderen drei Ländern maximal eines. Überraschend ist, dass mit Ausnahme von Großbritannien nur zwei der zehn Gesellschaften pro Land über die Zielerreichung der strategischen Maßnahmen berichten.

Fazit
Andere Länder, andere Sitten. Großbritannien und Deutschland zeigen, dass eine strategische Berichterstattung auch auf relativ hohem Niveau möglich ist. Chinesische Unternehmen werden sich in dieser Hinsicht öffnen müssen, um im internationalen Kapitalmarkt erfolgreich zu sein. Für Investoren sind Informationen zur Unternehmensstrategie entscheidend, um dessen Zukunftswert einzuschätzen zu können. Bei der Suche nach Geldgebern könnten sich Unternehmen entsprechend positiv absetzen, wenn sie eine qualitativ hochwertige Strategieberichterstattung liefern – gerade im internationalen Wettbewerb.

Dieser Artikel ist ursprünglich in der GoingPublic Ausgabe 1/2014 erschienen.

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