Ein regelmäßiger Besucher von Hauptversammlungen ist Klaus Irlenkäuser. Geschah dies ursprünglich aus beruflichem Interesse, ist die HV mittlerweile seine private Leidenschaft geworden. Die aktionärsfreundliche Gestaltung von Präsenz- und Online-Aktionärstreffen liegt ihm dabei besonders am Herzen. Im Gespräch mit dem HV Magazin äußert sich Irlenkäuser über den Stellenwert der HV früher und heute, das Catering und seine Visionen für die Online-HV.

HV Magazin: Herr Irlenkäuser, Hauptversammlungen beobachten Sie seit vielen Jahren kritisch. Was fällt Ihnen im Rückblick besonders auf?

Klaus Irlenkäuser: Hauptversammlungen sind von je her Veranstaltungen des Vorstands. Wenn der Vorstand sagt, es geht rechtsherum, dann schwenken alle nach rechts, wenn es heißt „links“, dann eben nach links. Das hat sich nicht zuletzt durch die kritischen Aktionäre ein wenig verändert.

HV Magazin: Ja, eine Daseinsberechtigung haben kritische Aktionäre auf jeden Fall.

Irlenkäuser: Sie springen nur immer gleich von der Kiepe, wie wir im Rheinland sagen. Sie müssten sachlich bleiben, dann würden sie auch vom Vorstand und Aufsichtsrat ernster genommen. Und es würde schwerer werden, vernünftige Antworten zu finden. Wenn jemand unbotmäßig frech wird, braucht man ihm nicht die richtige Antwort zu geben.

HV Magazin: Welches sind denn die Themen, die über die Jahre immer wieder auf den HVs angesprochen wurden?

Irlenkäuser: Das ist sicherlich die Vergütungsfrage. Aber hier hat man als Aktionär wenig ausrichten können: Wenn die Institutionellen mit ihrer großen Stimmkraft dafür waren, war das Thema ohnehin schon vom Tisch. Das hat sich insbesondere durch Einflüsse aus England geändert. Dort schauen die Institutionellen genauer hin.

HV Magazin: Aber ist das nicht eine positive Entwicklung?

Irlenkäuser: Auf jeden Fall. Doch damit geht einher, dass die Hochachtung, die man lange vor Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzenden hatte, schwindet. Und es wird immer schwieriger: Je mehr die Schuldenkrise auf das persönliche Portemonnaie der Aktionäre wirkt, desto mehr wird der Neidfaktor den gutverdienenden Vorständen und Aufsichtsräten zu schaffen machen.

HV Magazin: Wird die Dividende auch wieder verstärkt in den Fokus rücken?

Irlenkäuser: Eine Erhöhung der Dividende wird immer für positive Stimmung sorgen, wie man zuletzt bei Gildemeister gesehen hat, die eine Erhöhung für 2013 angekündigt haben, oder bei der Deutschen Börse, die dieses Jahr eine Sonderausschüttung hatten.

HV Magazin: Also ist es doch leicht, Aktionäre zufriedenzustellen …

Irlenkäuser: Es wäre noch viel leichter: Dass die Verpflegung der HV-Besucher Wirkung auf den reibungslosen Ablauf und die Zufriedenheit bei den Aktionären sorgt, ist ausreichend bekannt. Doch nicht jede AG richtet sich danach. Die Zeiten, als warme Gerichte und alkoholische Getränke serviert wurden, sind für manche AG vorbei. Hingegen lässt die Technik einer Hauptversammlung kaum noch Wünsche übrig.

HV Magazin: Für Sie ein klares Missverhältnis?

Irlenkäuser: Absolut! Ein Gegenbeispiel: E.ON 2012. Nachdem bereits der Geschäftsbericht den Sparwillen des Unternehmens signalisiert hat, wurde auch die HV entsprechend ausgestaltet. Nicht jedoch das Catering! Hier wurden Aktionäre nicht mit einem Würstchen pro Person und zwei Sorten belegte Brötchen abgespeist.

HV Magazin: Wie können Aktionäre denn ansonsten noch zufriedengestellt werden?

Irlenkäuser: Hier sind sicherlich die richtigen Antworten zu nennen. Wenn ich sehe, wie oft Aktionäre mit belanglosen Antworten abgeschmettert werden, da frage ich mich, wieso diese nicht gleich in ihr Facebook-Account gehen und einmal über den Vorstandsvorsitzenden vom Leder ziehen. Aber das sehen sie so gut wie gar nicht, obwohl viele Unternehmen mittlerweile ja eigene Facebook-Seiten haben.

HV Magazin: Was es natürlich gibt, sind auf einschlägigen Community-Seiten wie Wallstreet Online Unterhaltungen zu Unternehmen, deren Management und auch Hauptversammlungen.

Irlenkäuser: Und das wird so weitergehen. Die jungen Leute heute verabreden sich im täglichen Leben über die sozialen Netzwerke, und diese Kultur wird auch für die Hauptversammlung Einzug halten. Hier werden Unternehmen künftig verstärkt aktiv werden müssen.

HV Magazin: Hat sich der Stellenwert der HV also über die Jahre verändert und wird sich verändern?

Irlenkäuser: Die HV hat auch in der Öffentlichkeit einen höheren Stellenwert bekommen. Nehmen Sie die herkömmlichen Tageszeitungen. Früher gab es keinen Wirtschaftsteil, wohl aber einen Sportteil. Da finden sich HVs schnell auch einmal in der örtlichen Presse in halbseitigen Artikeln wieder, auch wenn Wirtschaftsmedien nicht berichten. Je mehr in den Zeitungen stand und berichtet wurde, desto eher kamen auch die aggressiven Aktionäre auf den Plan.

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