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Das ARUG II als nationale Umsetzung der zweiten EU-Aktionärsrechterichtlinie ist Gesetz geworden. Nun sind die Praktiker bei Intermediären, Emittenten und Dienstleistern gefordert, für die gesetzlichen Regelungen eine markttaugliche Lösung voranzutreiben. Von Klaus Schmidt

Wesentlich ist dabei der elektronische Datenaustausch, der durch die EU-Durchführungsverordnung (EU) 2018/1212 vom 3. September 2018 aus Brüssel vorgegeben wird. Zahlreiche Tabellen bestimmen Inhalte und Formate für Aktionärsidentifikation und Information über Unternehmensereignisse. Durch Weiterleitungspflichten der Intermediäre soll die Mitwirkung der Aktionäre auch grenzüberschreitend erleichtert werden.

Kein Wunder, dass sich zahlreiche Arbeitsgruppen auf Banken- und Emittentenseite, Standardisierungsgremien und Arbeitskreise unter Einbindung von SWIFT sowie diverser Dienstleister national wie international mit diesen Themen intensiv befassen und nach Lösungen für die Praxis suchen. Dabei stehen der grenzüberschreitende Ansatz sowie die Etablierung digitaler Prozesse im Vordergrund. Jedoch erschwert die Vielzahl von Projekten zur Umsetzung gesetzlicher und regulatorischer Anforderungen in der Finanzindustrie und die damit verbundene Ressourcenknappheit neben der Komplexität der Thematik eine schnelle Lösungsfindung. Pragmatismus sowie eine enge Zusammenarbeit von Fachexperten, Technikern und Juristen sind gefragt.

Corona-Krise erfordert Priorisierung

Aktuell stellt die Corona-Krise alle Beteiligten vor neue Herausforderungen. Die Prioritäten werden neu gesetzt. Die Aufrechterhaltung des operativen Geschäfts hat Vorrang vor Änderungen. Das gilt auch für die Umsetzung der zweiten EU-Aktionärsrechterichtlinie. Deshalb sollte der Termin für das Inkrafttreten der EU-Durchführungsverordnung angepasst werden. Eine Verschiebung um ein Jahr auf den 3. September 2021 wäre sicherlich eine Maßnahme der Politik, die der Praxis hilft, die aktuelle Situation zu bewältigen. Das ist auch deshalb notwendig, da viele Emittenten gezwungen sind, ihre diesjährige Hauptversammlung zu verschieben. Die bis dahin verbleibende Zeit bietet zudem Gelegenheit, die Klärung offener Punkte bei der Standardisierung voranzutreiben.

Arug II
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Know your Shareholder – jetzt auch bei Inhaberaktien

Seine Aktionäre zu kennen wird immer wichtiger. Schließlich sind Aktionäre wesentliche Stakeholder, deren Ziele und Vorstellungen die Zukunft einer Gesellschaft bestimmen. Den Dialog mit Aktionären zu führen erfordert deren Kenntnis.

Die Aktionäre zu kennen entspricht dem Wesen der Namensaktie, die hier klar im Vorteil ist. Alle Anleger bzw. Aktionäre werden im Aktienregister geführt. Im Falle der etablierten Girosammelverwahrung werden tagesaktuell Meldungen der Depotbanken via Zentralverwahrer Clearstream an das Aktienregister gemeldet. Sollte der wahre Aktionär nicht gemeldet werden, wird zumindest die depotführende Stelle als Nominee ins Aktienregister eingetragen. Mit diesem Anker kann strukturiert durch ein zielgerichtetes Auskunftsverlangen, allerdings nur zu bestimmten Terminen, ein Aufriss der dahinterstehenden Aktionäre ermittelt werden, der in das laufende Reporting und Monitoring der Aktionärsstruktur einfließen kann. Optimierungsbedarf besteht vor allem hinsichtlich der technischen Ausgestaltung der Anfrageund Offenlegungsmeldungen zu den Intermediären. Das adressiert die EU-Durchführungsverordnung, sodass dafür entsprechende Datenfelder mit klar definierten Inhalten und Formaten für eine automatisierte Verarbeitung eingerichtet werden müssen. Als Standard wird die ISO-Norm 20022 zugrunde gelegt. Die SWIFT-Organisation und etliche SWIFT-Teilnehmer haben bereits mit der Implementierung begonnen und erste Tests vereinbart.

Da die Offenlegung der Aktionäre aus nachvollziehbaren Gründen als wesentliche Grundlage für den Dialog mit Aktionären eingestuft wird, wird sie nun auch für Inhaberaktiengesellschaften möglich. Prozessbedingt wird eine bei Namensaktien mögliche tagesaktuelle Verfolgbarkeit wie in einem laufenden Film nicht möglich sein. Zumindest besteht aber die Chance, durch regelmäßige Erhebungen mehr Transparenz zu bestimmten Stichtagen im Sinne eines Fotos zu erhalten. Die Verwaltung der erhobenen Daten bei den Emittenten sollte in einem ausgereiften System erfolgen. Eine solche Lösung sollte ähnlich einem Aktienregister für gespeicherte Anlegerdaten alle Anforderungen an ein laufendes und zielgerichtetes Reporting abdecken, aber auch einschlägige Vorgaben aus der Datenschutz-Grundverordnung berücksichtigen.

Hauptversammlung europaweit

Anders als beim Informationsverlangen bzw. der Aktionärsoffenlegung kommen die Klärungen zum Thema Hauptversammlung nicht so gut voran. Die Komplexität ist deutlich größer. In den einzelnen Ländern gibt es spezifische und jeweils sehr gut eingespielte Prozesse, sodass eine europaweite Harmonisierung zusätzliche Anstrengungen erfordert.

Corona während der HV - klare Ansage vom Deutschen Aktieninstitut

Aus Emittentensicht gibt es noch zahlreiche offene Punkte. Es beginnt mit dem richtigen Zeitpunkt für die Übermittlung des sogenannten Golden Operational Record, auf dessen Basis unter Beachtung streng reglementierter Zeitvorgaben die Weiterleitung der HV-Information an alle Intermediäre und Aktionäre erfolgen muss. Zur Vermeidung von Doppelmeldungen sollte dabei nicht auf die Einberufung im Bundesanzeiger, sondern erst auf die Einladungsmitteilung nach § 125 AktG abgestellt werden. Emittenten benötigen für die Initialisierung einen „Einfüllstutzen“, der beim heimatlichen Zentralverwahrer, also bei Clearstream in Frankfurt, verortet wird. Intermediäre untereinander planen die Weiterleitung bis zum letzten Intermediär in der Kette per SWIFT-Nachricht. Die letzte Meile, also die Information des Aktionärs, soll, so die Richtlinie, möglichst elektronisch bedient werden. Aktuell gehen Banken im Retailbereich immer noch von einem hohen Briefanteil aus.