Eine große Zahl von VC-Investitionen im Life-Science-Bereich und deren Innovation sind implizit Investitionen in ­personalisierte Medizin oder Precision Medicine. Das können Beteiligungen an einer Plattform sein, an einem neuen Target und einem ­spezifischen Molekül oder an neuen diagnostischen Technologien. Von Daniel Parera

Ziel dieser Innovationen ist eine ­immer spezifischere Anpassung der Behandlung an die individuellen ­Gegebenheiten eines einzelnen Patienten. Je präziser die mögliche Therapie, desto besser die Voraussetzungen für die pharmazeutische Entwicklung. Diese Basis macht Precision Medicine attraktiv für Venture-Capital-Investoren.

Prinzip und Trends in der ­personalisierten Medizin

Ansätze für personalisierte Medizin gibt es schon lange, z.B. Bluttransfusionen nach Bestimmung der Blutgruppen oder auch die gezielte Gabe von Antibiotika nach Erstellung von Antibiogrammen. Im Laufe der Jahre hat sich die Medikamentengabe und Behandlung von Patienten weiterentwickelt – über die Anpassung von Immunsuppressionsschemata in der Organtransplantation nach patienten­individuellen Gegebenheiten oder auch die Anpassung von Hepatitis-Therapien nach Gentypisierungen bis hin zur spe­zifischen Behandlung von Erkrankungen in Abhängigkeit bestimmter Genmuta­tionen.

Wesentliche Aspekte für Weiterentwicklungen in der personalisierten Medizin sind ein immer besser werdendes Verständnis von Erkrankungen, ihrer Pathophysiologie, der genetischen Grundlagen durch Gensequenzierungen und damit verbundenen spezifischen therapeutischen Ansatzmöglichkeiten. In den letzten Jahren wurden diese Entwicklungen ­beschleunigt durch neue Möglichkeiten, Daten zu verarbeiten und selbst große, ­unabhängige Datensätze nach Mustern zu analysieren.


BEISPIEL: AL-S PHARMA AG

Die jüngste Beteiligung des TVM Capital Life Science Fonds TVM LSV VII war die Finanzierung und Gründung der AL-S Pharma AG in der Schweiz zusammen mit der Biotech-Firma Neurimmune Holding AG. Die AL-S Pharma AG entwickelt einen humanen monoklonalen Antikörper gegen das fehlgefaltete Enzym SOD1. Eine Mutation des SOD1-Gens wird bei den ­meisten Fällen der seltenen neurodegenerativen Erkrankung Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) festgestellt. Die Erkrankung ist derzeit noch nicht heilbar und führt zur Schwäche der Muskulatur aller Extremitäten und zu Sprech- und Schluckstörungen. Meist versterben die Patienten innerhalb von drei bis fünf Jahren nach Auftreten der Erkrankung an Atemstillstand.


In der Entwicklung pharmazeutischer Medikamente spiegeln sich die o.g. Weiterentwicklungen in mehreren Trends wider:

1. Entwicklung von Spezialitäten-Produkten u.a. für Krankheits-Subtypen und einzelne Patientensegmente. Zum Beispiel in der Onkologie, dem mit ­Abstand größten und schnellst wachsenden Therapiegebiet, in welchem sich die ­Behandlungsoptionen und -kombinationen vervielfachen.

2. Zunehmende Therapiemöglichkeiten für zumeist genetisch bedingte Seltene Erkrankungen (Rare Diseases). Diese sollen 2020 fast 20% des verschreibungspflichtigen Marktes erreichen.

3. Gleichzeitige Entwicklung von Bio­markern und begleitender Diagnostika (sog. Companion Diagnostics). In Deutschland sind derzeit 51 Medikamente der personalisierten Medizin ­zugelassen, für die ausdrücklich ein Test genetischer, molekularer und zellulärer Besonderheiten des Patienten vor der Behandlung verlangt oder ­empfohlen wird. Ende 2016 verfolgte die Firma Roche 30 begleitende ­Projekte personalisierter Medizin bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe.

Je präziser, desto besser

Die beschriebenen Grundlagen der ­Precision Medicine bringen viele potenzielle Vorteile für die pharmazeutische Entwicklung. Die mögliche Präzisierung der Therapie erzielt eine effektivere ­Wirkung, bei gleichzeitig geringeren ­Nebenwirkungen. Dadurch steigt auch die Erfolgswahrscheinlichkeit in der Entwicklung, bei typischerweise kleineren Patientenzahlen, weniger umfangreichen ­Studien und somit kürzeren Entwicklungszeiten. Zusätzlich werden in der Regel bessere Behandlungsergebnisse erreicht, da Therapien nur bei Patienten eingesetzt und fortgeführt werden, bei denen sie eine Wirkung erzielen. Dies führt potenziell auch zu einer Senkung der Kosten im ­Gesundheitswesen.

All das hat direkten positiven Einfluss auf die Attraktivität von Venture-Investitionen im Bereich Precision Medicine. Das zeigt sich nicht zuletzt durch eine Vielzahl von Venture-Capital-Beteiligungen in den Bereichen Diagnostika und Digital-Health, die beide Eckpfeiler in der schnellen ­Entwicklung von Precision Medicine darstellen. Gerade aufgrund der Innovationen in diesen beiden Bereichen in Kalifornien wurde im Jahr 2016 dort das mit Abstand höchste Life-Science-Venture-Kapital investiert. 

Zum Autor

Daniel Parera

 

Daniel Parera, MD, ist Executive-in-Residence bei TVM Capital Life Science in München. Er ist Mitglied im Board of Directors mehrerer Biotech-Firmen. Ausgebildet als Mediziner in Deutschland, der Schweiz und den USA, hat er bei McKinsey & Co., Inc. und anschließend für zwölf Jahre in drei Divisionen der Novartis AG gearbeitet.

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