Dr. Rainer Wienke, Rechtsabteilung, Bayerische Börse AG

Die Börse München unterstützt die Finanzierung des Mittelstandes über den Kapitalmarkt bereits seit geraumer Zeit. Auch kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) den Gang an die Börse zu ermöglichen und sie somit mit Kapital zu versorgen, war der Ausgangspunkt für die Gründung des Mittelstandssegments m:access im Jahr 2005. Das Problem dabei war, die Schere zwischen größtmöglichem Informationsbedarf der potenziellen Anleger und dem dahinter stehenden enormen zeitlichen und finanziellen Aufwand für die Unternehmen zusammenzuführen. Dies gelang durch ein schmales Regelwerk, das den Unternehmen zum Beispiel weiterhin die Bilanzierung nach HGB gestattete und ihnen die Chance einräumt, sich einmal jährlich in von der Börse München durchgeführten Analystenkonferenzen optimal zu präsentieren. Inzwischen sind mehr als vierzig Unternehmen aus ganz Deutschland und aus den unterschiedlichsten Branchen in m:access gelistet, mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von etwa 1,5 Mrd. EUR. Die Unternehmen haben sich nicht nur durch ihren Börsengang, sondern viele auch bereits über mehrere Kapitalerhöhungen hinweg erfolgreich mit Kapital versorgt.

Investoren adressieren

Doch in den vergangenen Jahren, insbesondere in der zweiten Hälfte des Jahres 2011, versiegte die Quelle der Eigenkapitalversorgung über die Börse fast zur Gänze. Gleichzeitig schränken neue Regelungen wie Basel III – und nicht zuletzt die weiter herrschende Finanzkrise – die Möglichkeiten des Mittelstandes, sich über Kredite mit ausreichend Fremdkapital zu versorgen, stark ein. Insofern entstanden in den letzten zwei Jahren an verschiedenen Börsen in Deutschland spezielle Segmente für Mittelstandsanleihen, die erstens durch mittelständische Unternehmen ausgegeben werden und sich aufgrund ihrer geringen Stückelung zweitens vor allem auch an Privatanleger richten. Sie kamen damit vielen Anlegern, die auf der Suche nach attraktiven Zinsätzen und neuen Anlageformen waren, als zusätzliche Assetklasse entgegen. Neben klassischen Privatanlegern sind es gerade auch kleinere bis mittlere institutionelle Investoren wie Stiftungen oder typische Family Offices, die offen für diese Form der Kapitalanlage sind. Inzwischen hat sich der Markt für Mittelstandsanleihen erfolgreich etabliert, das Emissionsvolumen liegt in der Regel zwischen 10 und 100 Mio. EUR, der Zinssatz in einer Range von 5,875 bis 9,250%.

Der Primärmarkt umfasste 2011 ein Volumen von bis zu 1,5 Mrd. EUR. Quelle: Blättchen Financial Advisory

Ende des Jahres 2011 öffnete auch die Börse München ein Mittelstandssegment für Anleihen. Die Zugangsvoraussetzungen sind speziell auf Mittelständler abgestimmt, bieten jedoch auch ausreichend Informationen für potenzielle Anleger. So wird auf jeden Fall ein von der BaFin gebilligter Prospekt verlangt, außerdem zum Beispiel die Veröffentlichung der Anleihebedingungen und eines aktuellen Unternehmensratings, das in München mindestens bei BB+ liegen sollte. Das Mindestvolumen einer Anleihe liegt bei 25 Mio. EUR, die Mindeststückelung bei maximal 1.000 EUR. Das Unternehmen muss weiterhin drei Jahre vor der Emission gegründet worden sein und nach Ausgabe der Emission unter anderem jährlich ein Folgerating sowie die Kernaussagen des Unternehmensabschlusses präsentieren. In München gibt es keinen Ausschluss bestimmter Branchen.

Foto: Börse München AG

Emissionsexperte ist verpflichtend

Ein Unternehmen, das eine solche Mittelstandsanleihe ausgeben möchte, muss nicht – oder noch nicht – an der Börse gelistet sein. Deshalb fordert die Börse München verpflichtend einen Emissionsexperten über die gesamte Laufzeit der Anleihe. An der Börse München sind derzeit fünfzehn Emissionsexperten mit reicher Kapitalmarkterfahrung bestellt, die den Unternehmen in allen Stadien einer Emission – von der Prospekterstellung bis zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit – beratend zur Seite stehen. Die Mitarbeiter der Börse München selbst unterstützen die Emission des Weiteren bei Marketing sowie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Die Emission kann klassisch durch eine Fremdemission durch ein Finanzinstitut, über den Eigenvertrieb durch den Emittenten sowie über eine sogenannte Eigenemission (meist unterstützt durch einen Corporate-Finance-Dienstleister) über die Börse München erfolgen – oder über alle drei Wege gemeinsam. Für die Eigenemission wurde eine eigene Zeichnungsfunktionalität über das ausschließlich von der Börse München betriebene Handelssystem Max-One implementiert.

Fazit

Insgesamt versteht die Börse München ihr neues Segment m:access bonds vor allem auch als eine „Bewährungsprobe für den Kapitalmarkt“ und damit als Basis für einen zumindest mittelfristig veranschlagten Börsengang bei noch nicht börsennotierten Unternehmen. Die Börse München achtet auch im Anleihesegment auf die Qualität des emittierenden Unternehmens – im Dienste des Anlegerschutzes, dem sich die Börse in allen Bereichen besonders verpflichtet sieht.

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