Die Arbeit von IR-Abteilungen sollte über die reine Aufbereitung des Zahlenwerks hinausgehen. Research-Analysten haben genaue Erwartungen an die IR. Erfahrene Analysten erläutern, warum sie eigenständige IR-Verantwortliche für unverzichtbar halten – und ihnen im Zweifel eher vertrauen als dem Vorstand.

Zumeist ist der Kontakt zum Analysten Sache des Finanzvorstands. Der Analyst erhält so Informationen aus erster Hand und kann tief in die Finanzen des Unternehmens einsteigen. Holger Schmidt, Analyst bei der Frankfurter equinet Bank AG und zuletzt beim renommierten Analysten-Award von Starmine und dem Handelsblatt als bester Gewinnschätzer für deutsche Industriewerte ausgezeichnet, würdigt aber auch den Dialog mit Investor Relations: „Der Vorstand versucht eher, den Analysten zu steuern. IR ist da manchmal sachlicher und weniger emotional.“ Schmidt kann sich vorstellen, dass dies auch mit der Kopplung der Vorstandsboni an den Aktienkurs zusammenhängt. Ähnlich sieht es Christoph Schlienkamp, Leiter Research beim Bankhaus Lampe in Düsseldorf, der seinerseits laut Starmine und Handelsblatt die Gewinne der deutschen Konsum- und Einzelhandelsaktien am besten vorhergesagt hat. Das Interesse der IR-Leute bestehe zumeist darin, dass der Analyst das Unternehmen richtig einschätzt – und nicht in der Kursmaximierung. „Das ist für den Analysten natürlich gut.“ Gleichzeitig weist Malte Schaumann, Analyst für IT-Ausrüster bei Warburg Research in Hamburg, auf eine Problematik in diesem Zusammenhang hin: „Oft kommt es zu Missverständnissen, wenn die IR-Leute intern nicht ausreichend gebrieft sind. Wenn ich aber als Analyst immer darauf angewiesen bin, mit dem Vorstand zu sprechen, hat IR keine Daseinsberechtigung.“

IR und PR: Besser in getrennte Hände!

Dass die IR-Verantwortlichen nicht immer adäquate Ansprechpartner für den Analysten sind, erklärt sich Tim Kruse, Analyst für Retail- und Konsumwerte beim unabhängigen Hamburger Research-Haus Montega, so: „Gerade bei gründergeführten Unternehmen herrscht häufig noch die Denke vor, der Konkurrent darf nicht zu viel über mich erfahren. IR ist in diesen Fällen oft ein lästiges Beiwerk. Entsprechend wenig Mühe gibt man sich, das erschwert die Arbeit des Analysten natürlich.“ Warburg-Analyst Schaumann gibt zu bedenken, dass am Kapitalmarkt die Uhren anders ticken als in der klassischen Unternehmenskommunikation: „Wenn IR und PR in einer Hand liegen, kann es eher passieren, dass Dinge aufgebauscht werden. Oder die Transparenz leidet, weil schlechte News versteckt werden.“ So beobachtet Schaumann auch, dass Fehler bei den Unternehmen häufiger dann passieren, wenn es Negatives zu berichten gibt. Beispielsweise werde zu oft zu lange an der Guidance festgehalten, obwohl die Ziele bereits unerreichbar sind – aus Angst vor der Gewinnwarnung. Noch schlimmer: Es werde klammheimlich von der Prognose abgewichen, nach dem Motto „Vielleicht merkt es ja keiner“.

Feedback erwünscht: Was lässt sich verbessern?

Lampe-Analyst Schlienkamp beobachtet, dass von den Unternehmen zur Darstellung am Kapitalmarkt oder zum Einsatz bestimmter Kennzahlen noch deutlich mehr nach Feedback gefragt werden sollte, z.B. direkt nach Roadshows. „Aber ein Analyst sollte den Vorstand nicht belehren hinsichtlich seiner strategischen Ausrichtung.“ Entsprechend stellt equinet-Analyst Schmidt im Small-Cap-Bereich Verbesserungspotenzial fest, das sich leicht heben ließe: „Bei Unternehmen unterhalb des Prime Standard werden Mitteilungen oft nur in Deutsch veröffentlicht. Wie sollen da englische Investoren angezogen werden?“ Auch wenn beispielsweise gesagt werde, der Halbjahresbericht komme im August, sei das laut Schmidt nicht ausreichend im Sinne einer vernünftigen IR. „Hier ist es wichtig, dass ein bestimmter Tag im Voraus feststeht und kommuniziert wird.“ Auch Kruse stellt handwerkliche Schwächen fest. „Ich lese manchmal sehr ungeschickt ausgedrückte Presse- oder Ad-hoc-Mitteilungen. Wenn es dann zusätzlich erst mal keine Gelegenheit gibt nachzufragen, kann das problematisch werden.“

Faszination vor Ort: Capital Market Days

Um die Beziehung zum Analysten zu stärken und das Unternehmen erlebbar zu machen, empfehlen sich Veranstaltungen am Unternehmenssitz. Roger Peeters, Vorstand von Close Brothers Seydler Research in Frankfurt, bringt es auf den Punkt: „Bei allen Zahlen und Statistiken – der persönliche Eindruck beim Unternehmen vor Ort ist unverzichtbar!“ Die Ausgestaltung eines solchen Tages sollte aber vom Herkömmlichen abweichen. Montega-Mann Kruse dazu: „Es muss mehr passieren als nur das Durchklicken einer PowerPoint-Präsentation zu den Quartalszahlen.“ Beispielhaft nennt er die Vorstellung eines großen Kunden oder eines Geschäftsführers einer bedeutenden Sparte des Unternehmens. Wichtig sei auch, diese Events nicht während der Quartalssaison stattfinden zu lassen: „Eher zwischen den Zahlen.“ Dann müsse das Unternehmen aber aufpassen, auf bohrende Fragen nicht zu viele Details preiszugeben, die ansonsten nicht publik sind. „Sie wissen ja, wie Analysten sind“, so Kruse. Auch Schmidt von equinet hält den Termin vor Ort bei den von ihm beobachteten Industrieunternehmen für unverzichtbar: „Denn ich möchte sehen, wie effizient produziert wird.“ Danach fahre man gut mit Conference Calls zu den Zahlen. Das spare allen Beteiligten Zeit und der Analyst kann dem Investor am Tag des Reportings schneller eine Analyse liefern.

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