Der in der Nähe von Darmstadt ansässige Spezialist für Bio-Ökonomie macht Ernst mit seinen Börsenplänen: Die Aktien können seit Donnerstag gezeichnet werden. Zur Abwechslung würde mit BRAIN ein echter deutscher Mittelständler den Weg an den Kapitalmarkt finden – und das sogar an der heimischen Börse.

Börsengang
Der Bio-Ökonomie-Spezialist aus dem hessischen Zwingenberg (15 km südlich von Darmstadt) zieht seine Pläne durch: Seit Donnerstag können die Aktien in einer Spanne von 9 bis 12 EUR gezeichnet werden. Das Angebot läuft bis voraussichtlich 3. Februar, ab dem 9. sollen die Papiere dann im Prime Standard der Frankfurter Börse notiert sein.

Das Emissionsvolumen beliefe sich dabei auf 36 bis 48 Mio. EUR, bestehend aus 3,5 Mio. neuen Aktien aus einer Kapitalerhöhung sowie bis zu rund 0,5 Mio. Aktien im Zuge einer Überzeichnungsreserve (Greenshoe, Mehrzuteilungsoption) vom Hauptgesellschafter MP Beteiligungs-GmbH. Anschließend würde der Streubesitz maximal knapp 25% betragen – alle Daten inklusive Greenshoe. BRAIN gehört aktuell mehrheitlich der MP Beteiligungs GmbH und zu rund 20% der MIG, etwa 29% halten Gründer und Management. Die Marktkapitalisierung würde am oberen Ende fast 200 Mio. EUR betragen.fb Interview BRAIN 2016-01

Ausgewählten Retail-Investoren (Mitarbeitern der BRAIN Gruppe und Investoren der MIG Fonds sowie GC Global Chance Fund Anlegern und GA Asset Fund Anlegern) räumt BRAIN darüber hinaus die Möglichkeit ein, die Aktie direkt über ein Zeichnungsportal der Gesellschaft zu zeichnen (www.brain-biotech.de/investor-relations/zeichnung).

Die Oddo Seydler Bank begleitet die Transaktion als Sole Global Coordinator sowie Blättchen Financial Advisory als IPO-Berater.

Unternehmen
BRAIN identifiziert – unter Verwendung unternehmenseigener Technologieplattformen –
bislang unerschlossene, leistungsfähige Enzyme, mikrobielle Produzenten-Organismen oder bioaktive Naturstoffe aus der Biodiversität, um diese industriell bzw. bioökonomisch nutzbar zu machen und verweist auf jährliche Wachstumsraten von fast 60% in den letzten beiden Geschäftsjahren (Gesamtleistung 25,7 Mio. EUR im letzten Geschäftsjahr 2014/15).

Markt und Umfeld
Bioökonomie ist ein Wachstumsmarkt. Mehrere nicht nur national zu beobachtende Trends untermauern diese Entwicklung. Eck spricht gar von einem neuen Wirtschaftszyklus Bioökonomie, wie er gegenüber GoingPublic erläutert. Interessante Wachstumsfelder – heute noch teilweise unbesetzt – sind beispielsweise chemiefreie Lösungen bei der Wundheilung, bei Kosmetika, Waschmitteln, aber auch etwa ‚Greener Mining‘, d.h. eine Anreicherung industriell relevanter Metalle durch Mikroorganismen (um also etwa Goldabbau durch Zyanid-Ausspülung überflüssig zu machen – in vielen Ländern bereits verboten). Noch in den Kinderschuhen steckt das Vorhaben, Umweltverschmutzer CO2 als einzige Basis von Bioplastik zu nehmen – eine sicherlich grandiose Symbiose: CO2 wäre dann der einzige Rohstoff mit negativen Einsatzkosten (der Abbau von CO2 wird bekanntlich bezahlt).

BRAIN II

Deutschland ist auch politisch motiviert auf Bioökonomiekurs: Die Kanzlerin selbst ließ sich z.B. auf Kongressen vor den öffentlich wirksamen Gesundheitskurs spannen. US-Präsident Obama droht der heimischen Lebensmittelindustrie gar mit einer Zuckersteuer. Als besonders aussichtsreich stuft Eck daher die sog. Geschmacksmodulation für gesündere Ernährung ein, mithin eine Art Zuckerersatz, allerdings ohne die Nachteile all der anderen derzeitig verfügbaren Lösungen. Hier sei BRAIN auch schon entsprechend weit, wie das GoingPublic Magazin erfuhr. Plan von BRAIN ist, pro Jahr 1 bis 3 Produktideen aus der hausgeigenen Innovationspipeline zu monetisieren.

Der Marktanteil bioökonomischer Produkte oder Prozesse lag im vergangenen Jahr bereits bei 12% innerhalb der 228 Mrd. EUR umfassenden chemischen Industrie. In fünf Jahren sollen es Prognosen zufolge 20% von über 500 Mrd. EUR sein – damit wäre Bioökonomie der Wachstumstreiber schlechthin innerhalb der chemischen Industrie.

Erlösverwendung & Pläne
Der Börsengang werde aus genau dem Grunde realisiert, um zukünftige Wachstumschancen bereits jetzt wahrnehmen und in die Wege leiten zu können, wie BRAIN gegenüber dem GoingPublic Magazin erläuterte: Namentlich seien dies die Produktentwicklungen sowie der verstärkte Vertrieb eigener Produkte (Enzyme, Mikroorganismen und bioaktive Naturstoffe) in den aussichtsreichen Wachstumsfeldern, um hier quasi die heute schon funktionierenden Lösungen in konkrete Produktentwicklungen und damit Erlöse/Erträge umzusetzen. Klar, dass BRAIN dies nicht allein bewältigen kann, sondern nur zusammen mit großen Partnern. BRAIN lizenziert an Industriepartner und muss nicht selbst ein Vertriebsnetz vorhalten. B2B-Umsätze seien erst in einer fortgeschrittenen Phase angedacht, so Eck. Konkret sollen 60% der Erlöse in die Produktpipeline investiert werden, 20% für mögliche Zukäufe vorrätig gehalten und 20% für das operative Geschäft vorgesehen werden.

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Management
Dr. Jürgen Eck ist Urgewächs von BRAIN und avancierte schon im Jahr 2000 zum CTO (Vorstand für Forschung und Entwicklung) der in eine Aktiengesellschaft umfirmierten BRAIN. Eck selbst ist als Erfinder an mehreren internationalen Patenten beteiligt. BRAIN sicherte sich mehrere nationale Auszeichnungen, darunter den Deutschen Umweltpreis 2008, Unternehmen des Monats 3/2011, Hidden Champion 2013 und schließlich Biotechnica Award 2013. Eck wurde Mitte 2015 zum CEO der BRAIN AG.

Stärken & Schwächen
+ erfolgreiche Kooperationshistorie bei der Entwicklung neuartiger biologischer Substanzen
+ (fast) weltweit zu beobachtende Markttrends hin zu mehr Natur und weniger Chemie in Endkonsumentenprodukten oder -prozessen
+ erfahrenes Management mit langjähriger Historie
+ gestaffelte Produktpipeline mit schon zeitnah vermarktbaren Lösungen

– kleines Unternehmen mit limitierter Kapitalausstattung
– Profitabilität kurzfristig noch nicht gesichert
– gemessen an Kennzahlen vergleichsweise hohe Bewertung zum BörsengangBRAIN Tabelle IAlle Angaben in Mio. EUR; Quelle: GoingPublic Research, Unternehmensangaben

Das negative EBIT ist zurückzuführen auf die Forschungstätigkeiten, die die Innovationsschmiede über die letzten Jahre jeweils konstant hoch hielt. Die Profitabilität soll mit Hilfe der Produkteinführungen ‚so schnell wie eben darstellbar‘ realisiert werden, unterstreicht Eck. 16-17% F&E als Anteil vom Umsatz sei internationale Richtschnur und diese möchte auch BRAIN mittel- und langfristig anstreben – zuletzt lag BRAIN noch bei über 40%.

Fazit
BRAIN ist gut aufgestellt, um seine Innovationspipeline zeitnah zu monetisieren. Dies wird auch nötig sein, denn die Zwingenberger verkaufen sich zum Börsengang zwar als Wachstumsunternehmen, aber eines, das nicht etwa Liebhaberprojekte finanzieren, sondern absehbar mittelfristig profitabel sein möchte. ‚Bio-Ökonomie erlebbar machen‘, wie CEO Eck es ausdrückt, ist ein hehres Ziel, allerdings werden bisherige und neue Investoren früher oder später die ebenso erlebbare Profitabilität auch von BRAIN einfordern. Aufgrund von BRAINs Venture-Capital- und Private-Equity-Historie darf man davon ausgehen, dass der Mittelständler auf die Stromschnellen des Kapitalmarktes besser vorbereitet sein dürfte als so manches andere Wachstumsunternehmen.

Falko Bozicevic

Fotos 2 und 3 sowie Frontpage: BRAIN AG; Foto 1: @fb

BRAIN Tabelle II

 

 

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