Nicht jedes börsennotierte Unternehmen, das sich ein (oder zwei) Ausrufezeichen zum Namen setzt, muß „innovativ“ sein – auch wenn speziell dieses Wort ebenfalls zum Firmennamen gehört. Die Aktionäre der Media! AG für innovative Medientechnologie hatten bislang jedenfalls nicht viel zu lachen. Zusätzlich zu verfehlten Prognosen und mindestens eines möglichen (Insider-)Skandals existieren zahlreiche weitere Ungereimtheiten. Auch die Strategie des neuen Großaktionärs, der selbst nicht wenige Probleme hat, ist mehr als unklar.

Insider am Werk?
Am 4. September 2001 legte die Media! AG, ein Unternehmen, das im BereichBroadcast- und Präsentationstechnologien tätig ist, aber auch TV-Formate produziert, vorläufige Zahlen für das Geschäftsjahr 2000/01 (Ende 30. Juni) vor: Demnach stieg der Umsatz um 108 % auf 51 Mio. Euro. Das Nachsteuer-Ergebnis sollte 1,5 Mio. Euro betragen. Am 27. September, also gerade mal drei Wochen später, folgte dann die quasi nachträgliche Gewinnwarnung: Auf der Bilanzpressekonferenz wurde ein Umsatz von 51,5 Mio. Euro präsentiert. Doch auf der Ertragsseite kam alles ganz anders: Das EBITDA betrug -1,5 Mio. Euro; das Ergebnis nach Steuern betrug -6,6 Mio. Euro. Doch der Aktienkurs brach erstaunlicherweise bereits einen Tag vor der Meldung intraday um 61 % ein! Dabei war der erste Kurs zugleich auch der höchste, die Aktie schloß nahe dem Tagestief. Das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel hat nach einer „positiven“ Analyse eine förmliche Insideruntersuchung eingeleitet, die zur Zeit noch läuft.

Designated Sponsor legt Mandat nieder
Ende 2001 legte die DG Bank (seit der Fusion mit der GZ Bank als DZ Bank firmierend), Konsortialführerin beim IPO im Juni 2000, ihr Mandat als Designated Sponsor nieder. Dies wurde von der Media! AG nicht öffentlich kommuniziert. Förmlich in letzter Minute soll dann Lang & Schwarz das Mandat übernommen haben.

Beteiligungsverkauf verschwiegen
Im Oktober 2000 gründete Media! zusammen mit dem in Genf ansässigen Plakatspezialisten Affichage Holding AG das Joint Venture e-Advertising AG (Winterthur), an dem Media! mit 26 % beteiligt war. Das Gemeinschaftsunternehmen ist im Bereich der elektronischen Außen-Plakatwerbung tätig und hat z.B. eine 80m² große Multimediawand im Züricher Hauptbahnhof angebracht. Die Beteiligung wurde als Ad hoc-Meldung am 23.10.2000 kommuniziert. Nicht veröffentlicht von Media! wurde jedoch, daß die in der Schweiz börsennotierte Affichage Holding den Media!-Anteil an der e-Advertising AG im Dezember 2001 gekauft und das Unternehmen damit vollständig übernommen hat. Eine Ad hoc-Meldung nach § 15 WpHG wurde nicht veröffentlicht. Zudem sind aus Bankenkreisen Gerüchte zu hören, daß der Scheck von Affichage nicht auf Media!-Konten eingereicht wurde. Bleibt die Frage, wo das Geld geblieben ist! Es ist von der These zu hören, daß sehr innovativ verschiedene Bilanzpositionen gegeneinander aufgerechnet wurden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob dieser Scheck zur Tilgung eines Gesellschafterdarlehens genutzt wurde.

Wo bleibt das Geld?
Die größte außenstehende Videowand Europas wurde von der Media! AG installiert. Diese befindet sich am Kudamm-Eck in Berlin und hat eine Bildfläche von 100 m². Wie das Unternehmen am 26. April 2001 meldete, habe man den Auftrag mit einem Volumen von 2,05 Mio. Euro von der Hamburger Multi International Media Deutschland GmbH (MIM) erhalten. Doch nach Informationen von GoingPublic wurde der Kaufpreis nur zu einem geringen Teil gezahlt. MIM-Geschäftsführer Güntner bestätigte gegenüber GoingPublic zwar, daß MIM den Auftrag an den „Hardware-Lieferanten“ Media! AG erteilt hat. Doch zur Frage, ob dieser Auftrag auch bezahlt wurde, wollte er sich nicht äußern. Nach seiner Meinung sollten die Media!-Vorstände zu dieser Frage Stellung nehmen. Möglicherweise muß ein Teil der Forderung abgeschrieben werden, was gerade angesichts der angespannten finanziellen Situation um so mehr schmerzt.

Großaktionär spielt Banker
Am 15. November 2001 erwarb die Kölner Condomi AG 9,07 % der Media!-Aktien aus einer Kapitalerhöhung. Darüber hinaus hatte das Unternehmen die Option zum Erwerb von weiteren 30,9 % der Anteile aus dem Bestand der Altaktionäre. Nur fünf Wochen später, am 21. Dezember, kaufte die Distefora Holding (Deutschland) schließlich 44,78 % der Media!-Aktien von Condomi. Doch der neue Großaktionär hat längst mit eigenen Problemen zu kämpfen. Der Konzern-Lenker und Ex-Star der New Economy Alexander Falk ist längst zum Buhmann beworden. Schweizer Analysten erwarten für Distefora einen 2001er Umsatz von 74 Mio. CHF und einen Netto-Verlust von über 11 Mio. CHF. Falk berichtete gegenüber dem Schweizer Finanzmagazin „Cash“, er plante bereits im Frühling letzten Jahres, sich von Distefora zu verabschieden. Nun ja, der deutsche Millionenerbe („Falk Stadtpläne“) kann es sich ja leisten, er „hat sich einen neuen Job gekauft“, wie er gegenüber Cash sagte. Mit seinem 31 %igen Anteil bei Hornblower Fischer möchte er jetzt „Banker spielen“, wie ein weiterer Schweizer Kollege gegenüber GoingPublic amüsiert berichtete.

Für das Media!-Management dürfte es bei der heutigen Hauptversammlung eng werden! Um eine Stellungnahme zu den Insiderermittlungen und dem nicht kommunizierten Beteiligungsverkauf – § 15 WpHG läßt grüßen – dürften die Vorstände nicht herumkommen. Aber auch die finanzielle Situation von Media! sowie nicht geklärte Finanzströme werfen Fragen auf. Darüber hinaus bleibt angesichts einer Vielzahl von Kündigungen in den Bereichen Buchhaltung und Controlling die Frage offen, welche Qualität die nächsten Quartalsberichte haben werden.

Diesen Text können Sie auch im aktuellen GoingPublic Magazin 3/2002 nachlesen.

Die GoingPublic Kolumne erscheint jeweils montags, mittwochs und freitags in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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