Uwe Nespethal (links) und Prof. Dr. Wolfgang Blättchen

Von Uwe Nespethal, Partner, und Prof. Dr. Wolfgang Blättchen, Gründer und Gesellschafter, Blättchen Financial Advisory GmbH

Da die Deutsche Börse das Segment Prime Standard für Unternehmensanleihen im Frühjahr 2012 starten möchte, stellt sich die Frage nach der Zielgruppe. Laut DBAG soll das Segment Emittenten ansprechen, die sich an den Gepflogenheiten institutioneller Emissionen orientieren und sich in Bezug auf Unternehmensgröße und Anleihevolumen deutlich von den Emittenten der Mittelstandssegmente abheben. Die institutionelle Bondplatzierung erfolgt im Gegensatz zur Mittelstandsanleihe grundsätzlich über eine Fremdemission, d.h. für die Emission wird ein Underwriter bzw. Underwriterkonsortium beauftragt. Doch wie sieht eine typische institutionelle Anleihe in der bisherigen Praxis aus?

Im Jahr 2010 emittierten deutsche „Non-Financials“-Emittenten 87 institutionelle Anleihen mit einem Volumen von rd. 35 Mrd. EUR. Dieses Volumen konnte im Jahr 2011 nochmals auf rd. 39 Mrd. EUR mit insgesamt 165 Emissionen gesteigert werden. Den bisherigen Emissionsrekord gab es jedoch im Jahr 2009 mit insgesamt 105 Mrd. EUR (173 Anleihen), der in erster Linie der Finanzkrise und der daraus gefürchteten Kreditklemme seitens der Banken geschuldet war. Im europäischen Maßstab nehmen deutsche Emittenten einen Anteil von knapp 20% im institutionellen Bondmarkt ein. Der spezielle Markt der High-Yield-Bonds konnte 2011 ein Volumen von 7,6 Mrd. EUR einnehmen, was einer Quote von 19% des deutschen Gesamtmarktes entspricht, nach 24% bzw. bei 8,6 Mrd. EUR im Vorjahr (Abb. 1). Darunter finden sich zehn Emissionen von fünf Emittenten (ATU, Grohe, Kabel BW, Kion, Evonik Carbon Black) mit einem Volumen von 4,3 Mrd. EUR, in denen Private Equity oder im Fall Kabel BW ein strategischer Käufer das Instrument der Hochzinsanleihe für ihre Akquisitionsrefinanzierung nutzten.

Quelle: Thomson Financial, eigene Recherche

 

Dauer- und Gelegenheitsemittenten

Grundsätzlich lassen sich die Emittenten in „Dauer-“ und „Gelegenheitsemittenten“ unterscheiden. Die Daueremittenten, die im Rahmen eines Emissionsprogramms quasi monatlich neue Anleihen emittieren, zählen anzahl- und volumenmäßig zur größten Gruppe. Von den 252 Bondemissionen der Jahre 2010 und 2011 stammen 178 Anleihen oder 43,3 Mrd. EUR von ihnen. Darunter sind vor allem die großen Automobilhersteller oder Energieversorger zu finden, die einen streng getakteten Emissionskalender haben und daher einen sehr hohen Standardisierungsgrad für ihren Platzierungsprozess aufweisen. Die Gruppe der „Gelegenheitsemittenten“ nutzt den Zugang zum Kapitalmarkt, wenn sich ein günstiges Zeitfenster zur Refinanzierung bietet oder ein bestimmter Anlass, wie z.B. eine Übernahmefinanzierung, eine Anleiheemission notwendig macht. Da diese Emittenten ein inhaltlich und zeitlich flexibel gestaltbares Emissionskonzept besitzen, kommen vor allem sie als potenzielle Zielgruppe für den Prime Standard in Frage. Von den 252 Bondemissionen der letzten beiden Jahre wären es 74 Anleiheemissionen bzw. 46 Emittenten mit einem gesamten Emissionsvolumen von 30,7 Mrd. EUR. Durchschnittlich emittierten sie 415 Mio. EUR (Median 400 Mio. EUR) pro Anleihe. Fast die Hälfte der Emissionen waren High Yields (Abb. 2).

*) 74 institutionelle Emissionen (Non-financials) ohne Daueremittenten 2010/2011 Quelle: Thomson Financial, eigene Recherche
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