Dr. Martin Steinbach ( Head of IPO und Listing Service, EY) und Ralf Geisler (Transaction Accounting Leader, EMEIA, und Partner, EY)
Dr. Martin Steinbach ( Head of IPO und Listing Service, EY) und Ralf Geisler (Transaction Accounting Leader, EMEIA, und Partner, EY)

Eine Möglichkeit, Unternehmensteile und Geschäftsmodelle aus einem bestehenden Unternehmen oder einer Unternehmensgruppe herauszulösen und für externe Investoren zu öffnen oder gar ganz zu veräußern, ist – neben dem Verkauf an strategische Investoren oder Private Equity – der Börsengang. Von Dr. Martin Steinbach und Ralf Geisler

Carve-out-Anlässe sind vielfältig. Bei bereits börsennotierten Unternehmensgruppen werden diese oft ausgelöst durch die Analyse und Diskussionen mit Analysten und Investoren über die strategische Ausrichtung und rund um den sogenannten Konglomeratsabschlag. Ziel ist es, durch den Carve-out-IPO Bewertungspotenziale der Mutter und des herauszulösenden Unternehmens(teils) zu heben.

Carve-out-IPOs weltweit

Für noch nicht börsennotierte Unternehmensgruppen, die z.B. ein Tochterunternehmen an die Börse führen wollen, ist das IPO eine strategische Option, weiterhin maßgeblich unternehmerisch, strategisch und finanziell beteiligt zu bleiben.

Carve-out Anlässe. Quelle: EY.
Carve-out Anlässe. Quelle: EY.

Beispiele in Deutschland aus der jüngeren Vergangenheit sind die Börsengänge aus „Carve-out-Situationen“ von Bayer–Covestro, Wacker–Siltronic, Telefonica-O2 und international z.B. Koninklijke Philips-Philips Lighting und Fiat Chrysler Automobiles-Ferrari.

Weltweit bereicherten in den letzten fünf Jahren 156 Carve-out-IPOs mit einem Emissionsvolumen von über 107 Mrd. EUR die Landschaft an Börsengängen.

Wichtige IPO-Readiness-Carve-out-Bereiche

In der Umsetzung des Carve-out-Projekts ist neben den Themen, die den operativen Carve-out (neues Geschäfts- und Steuermodell, Legalstruktur, Separierung und Entflechtung wichtiger Funktionen und Bereiche wie IT-Systeme, Personal- und Rechnungswesen, Service Level Agreements etc.) betreffen, die Herstellung der IPO-Readiness des Börsenkandidaten ein zentrales Themengebiet.
Darunter fallen alle Prozesse, die Infrastruktur, die Berichtsinhalte und Verantwortliche, die der herausgelöste Börsenkandidat für die Einhaltung der Kapitalmarktregularien und das Adressieren der Investorenanforderungen einrichten muss. Relevante Kernfunktionen, deren Prozesse und Infrastrukturen, die ggfs. neu implementiert und auf den Börsengang und die Zeit danach gut vorbereitet werden müssen, sind insbesondere:

  • Investor Relations

Zentrale Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kapitalmarktteilnehmern wie Aktionären, Investoren, Analysten und Regulatoren ist die Investor-Relations-Funktion (IR-Funktion). Zu ihren wichtigsten Aufgaben in der Finanzkommunikation zählen die Pflege, Ansprache und Nachverfolgung von Investoren, die Einhaltung der Kapitalmarktregularien und deren Reporting. Dabei ist der jährliche Kommunikationskalender eng mit den gesetzlichen Vorgaben verzahnt, insbesondere im Hinblick auf alle Prozesse, die eine Einbeziehung des Vorstands und des Aufsichtsrats beinhalten. Die Pflicht, die gesetzlichen Kapitalmarktregularien einzuhalten, und das breite Aufgabenspektrum im Kommunikationskalender als Kür erfordern oft die Organisation neuer Berichts- und Informationslinien zwischen der in einer IR-Abteilung institutionalisierten Finanzkommunikation und den in einer Carve-out-Situation häufig neu aufgestellten Abteilungen wie Rechnungswesen, Controlling, Personalwesen und Risikomanagement.

  • Accounting und Controlling

Zentrale Themen sind hier zunächst, bezogen auf das Wertpapierprospekt zum IPO, die Erstellung und Prüfung der konsolidierten Carve-out Financials oder Combined Financial Statements, also der Konzernabschluss für die herausgelösten Unternehmensteile bzw. die herausgelösten Unternehmen. Hier reichen die historischen Finanzinformationen des Veräußerers in Form von Einzel- und Konzernabschlüssen regelmäßig nicht aus, genau das Geschäftssegment umfassend und eindeutig abzubilden. Dabei werden im Wertpapierprospekt historische Abschlüsse aufgestellt, die sich nicht an den rechtlichen Strukturen im Konzern orientieren, sondern wirtschaftlich die operative Geschäftstätigkeit dieses Segments zum Zeitpunkt des Börsengangs umfasst. Dieser Abschluss soll de facto die historischen Ergebnisse des separierten Geschäftsbereichs aus einer „Stand-alone-Perspektive“ darstellen. Besonders im Rahmen der Allokation von Vermögenswerten und Schulden sowie von Erträgen und Aufwendungen, die innerhalb des Konzernverbunds in der Vergangenheit gemeinsam verursacht wurden, ergeben sich regelmäßig komplexe Fragestellungen. Die erforderlichen Daten für die Erstellung der Abschlüsse werden dabei aus der Kostenrechnung oder aus der Finanzbuchhaltung des auszugliedernden Unternehmens(teils) unter Verwendung sachlich adäquater Allokationsschlüssel abgeleitet.
Zudem sind Fragen rund um ein mögliches Segmentreporting im Einklang mit der Equity Story und Unternehmensstrategie des herausgelösten Unternehmensteils auf der Grundlage des neu zu implementierenden Managementreportings nach IFRS 8 zu klären.