Was aber den Devisenhändlern die Freudentränen in die Augen treibt, wird bei Konjunkturexperten zu Sorgenfalten. Der starke Euro und der damit verbundene schwache Dollar ist Gift insbesondere für die exportlastige deutsche Wirtschaft. Das gilt natürlich speziell dann, wenn es mit der Konjunktur sowieso schon nicht zum Besten steht. In diesem Fall wirkt der Euro-Anstieg wie ein exogener Schock, der die rezessiven Tendenzen noch verstärkt. Sogar eine Deflation wäre dann möglich. Investitionen und Konsum würden noch weiter zurückgefahren, die Schulden würden explodieren und die Wirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs getrieben. Was in solch einer Situation hilft, ist eine Abwertung der heimischen Währung bzw. eine deutliche Senkung der Leitzinsen.

Eine klassische Aufgabe der EZB also. Die aber war in der Vergangenheit um den Aufbau ihres Rufes als weitsichtiger Hüter der Geldpolitik bemüht. Und das ging am besten mit der Demonstration von stoischer Ruhe trotz all des Geschreis und konjunkturellen Wirrwarrs. Zu kaum einer Zinssenkung konnten sich die Wächter des Geldes durchringen, und wenn es dann doch einmal nicht anders ging, waren es kaum spürbare Zinsschrittchen. So lang der Euro noch unter der Parität notierte, war das kein Problem. Die große Verantwortung für stabilisierendes Handeln wurde klammheimlich der amerikanischen Fed übertragen. Die kümmerte sich um Dollar und Zins, und die EZB konnte sich zurücklehnen.

Ungeachtet der Gründe für dieser Zwickmühle ist die Konsequenz für die EZB daraus eindeutig. Sie kann auf die Hilfe der US-Notenbank nicht mehr hoffen. Die Politik der „ruhigen Hand“ hat sich damit überlebt. Mit der nun erfolgten Ankündigung einer möglichen Zinssenkung hat die EZB dies endlich öffentlich eingestanden. Daß daraus gleich der amerikanische Notenbank-Aktionismus wird, ist weder nötig noch sinnvoll. Aber ein bißchen mehr Bewegung täte der EZB – und Deutschland – trotzdem sehr gut.

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