Altenpflege-243x250Der Healthcare-Sektor besitzt viel Wachstumspotenzial. Im Gespräch mit dem GoingPublic Magazin erklärt Sanemus-Vorstand Michael Thiess, wo das größte Potenzial zu vermuten ist, welche Themen die Agenda von Gesundheitsunternehmen bestimmen und was ein Investment attraktiv macht.

GoingPublic: Herr Thiess, in welchen Bereichen des Healthcare-Sektors sehen Sie derzeit das größte Wachstumspotenzial?

Thiess: In fast allen! Allein in Deutschland stellt der Gesundheitsmarkt mit einem Volumen von über 300 Mrd. EUR und einem Anteil am BIP von über 10% einen der wichtigsten Wirtschaftsbereiche dar. In diesem Markt bietet jeder Sektor für sich große Chancen, es gibt aber auch Bereiche, in denen während der nächsten Jahre das Wachstum geringer sein wird. Dies ist jeweils von dem medizinischen Fortschritt, dem Bedarf der Patienten und Therapeuten, dem großen Anteil immer noch nicht behandelbarer Krankheiten, der Erstattungssituation durch die Krankenkassen etc. abhängig.

GoingPublic: Wie interessant ist der Healthcare-Sektor für Investoren?

Thiess: Der Gesundheitsmarkt wächst seit Jahren stabil und ist wenig konjunkturabhängig. Gerade in den aktuellen Zeiten unruhiger Finanzmärkte spüren wir ein zunehmendes Interesse, in diesen Sektor zu investieren. So wurden 2011 M&A-Transaktionen mit einem weltweiten Gesamtvolumen in Höhe von 53,3 Mrd. EUR verzeichnet, welches ein Wachstum von 15% darstellt und darauf schließen lässt, dass weltweit vermehrt Investoren an diesem Marktwachstum profitieren möchten. In keinem Portfolio sollten Investments in den Healthcare-Sektor fehlen. Die einzelnen Produkte aus dem Bereich der Medizintechnik benötigen recht lange, um sich in der ärztlichen Praxis durchzusetzen. Wenn sich die Produkte jedoch etabliert haben, werden sie jahrelang angewandt. Allerdings wird der Gesundheitsbereich zunehmend von gesetzlichen Eingriffen beeinflusst, die gerade die Zulassung und die Erstattung der Gesundheitsleistungen durch die Krankenkassen entscheidend mitbestimmen. Für dieses komplizierte Regelwerk müssen die Gesundheitsökonomie-Spezialisten in den Unternehmen des Gesundheitssektors entsprechende Lösungen erarbeiten.

GoingPublic: Welche Themen bestimmen derzeit die Agenda von Gesundheitsunternehmen?

Thiess: Companion Diagnostics, Personalized Medicine, Orphan Drugs, Functional Food sind sicher Themen, die neue Behandlungsmethoden und damit neue Märkte eröffnen. Persönlich sehe ich noch ein großes Wachstumspotenzial in der Verbindung der heutigen Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie mit den Anforderungen des Gesundheitswesens. Schon seit vielen Jahren wird in Pilotprojekte der „Telemedizin“ investiert. Vieles ist technisch möglich. Die Produkte sind reif für die Markteinführung, die die eigentliche Herausforderung darstellt.

GoingPublic: Ist nicht der Senioren-Markt ein Wachstumstreiber der Zukunft?

Thiess: Es ist allgemein bekannt, dass der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung in den nächsten Jahren stark zunimmt. Single-Haushalte wachsen ebenfalls. Hier finden sich Chancen für neue bedarfsgerechte Produkte, besonders auch für Homecare-Anwendungen (medizinische Überwachung bzw. Versorgung zu Hause) und haushaltsnahe Dienstleistungen. Senior sein bedeutet ja nicht zugleich auch Pflegebedürftigkeit. Den Wechsel ins Pflegeheim können bis heute fast 95% der Bevölkerung vermeiden.

GoingPublic: Worauf müssen Investoren in diesem Bereich achten?

Thiess: Bei Investments in den Pflegemarkt muss man grundsätzlich zwischen dem Betrieb und dem Besitz von Pflegeeinrichtungen unterscheiden. Gerade im Immobilienbereich erleben wir derzeit einen Boom. Spezialisierte Fonds – bspw. die der Aachener Grundvermögen – planen immer neue Objekte. Die Erfahrung der Fonds bei der lokalen Standortwahl ist neben der Wahl des Betreibers entscheidend. In vielen Regionen haben wir heute schon einen harten Verdrängungswettbewerb. Die Gewinnung von Bewohnern, die aus einem breiten Angebot in ihrer unmittelbaren Nähe auswählen können, wird zur Herausforderung.

GoingPublic: Welche Kriterien muss ein gutes Healthcare-Investment Ihrer Ansicht nach erfüllen und welche Formen des Investments sind denkbar?

Thiess: Sofern man mit dem Sektor nicht so erfahren ist, bietet es sich an, in Fonds mit einer breiten Abdeckung der verschiedenen Sektoren innerhalb des Gesundheitswesens zu investieren. Im Vordergrund steht dabei sicherlich die langjährige Erfahrung des Fondsmanagements und des unterstützenden Beirats sowie der Track Record. Ein breites Netzwerk ist Voraussetzung, um frühzeitig Partner für New Ventures zu finden.

GoingPublic: Nennen Sie doch bitte einige Beispiele.

Thiess: Nur wenige Fondsgesellschaften investieren ausschließlich in die Medikamentenentwicklung. Hier sind die Risiken hoch, aber entsprechend auch die Chancen überdurchschnittlich, eine gute Rendite im Gesundheitsmarkt zu erzielen. Hier etabliert ist seit Jahren TVM, München. Finance Systems, München, bietet aktuell mit seinem Fonds Pharma Invest die Möglichkeit, in die Reformulierung bewährter Arzneimittel zu investieren. SHS, Tübingen, Wellington Partners, Vesalius, beide München, ermöglichen Investoren durch ein stark diversifiziertes Portfolio an der Breite des Healthcare-Sektors – i.e. Pharma, Medtech, Diagnostik – zu partizipieren.