Der erstmalige Sprung eines deutschen Biotech-Start-ups an den Aktienmarkt ist bisweilen ein beschwerlicher, insbesondere wenn der angestrebte Börsengang auch noch außerhalb der eigenen Landesgrenzen erfolgreich über die Bühne gehen soll.

Curetis-CEO Oliver Schacht. Foto: Curetis AG
Curetis-CEO Oliver Schacht. Foto: Curetis AG

Als ich 2011 die Leitung der Curetis übernahm, hatte das junge Unternehmen etwa 20 Mitarbeiter, eine solide Investorenbasis und eine viel versprechende Technologie. Die Unyvero-Plattform erlaubt es Ärzten, binnen vier bis fünf Stunden zu erfahren, welche Pathogene und Antibiotikaresistenzen bei einem Patienten vorliegen. Damit löst der Ansatz ein großes Problem bei der Behandlung von schweren Infektionskrankheiten, denn die klassische Labordiagnostik benötigt für diese Bestimmung nicht Stunden, sondern Tage, und viele Patienten erhalten oft erst sehr spät – manchmal zu spät – das richtige Antibiotikum. Unser Ziel war es, die Unyvero-Plattform mit einer ersten Anwendung so schnell wie möglich marktreif zu machen, Umsätze zu erzielen und das Unternehmen dann an eine große Diagnostikfirma zu verkaufen. Insofern stand ein Börsengang damals nicht zur Debatte.

Strategiewechsel erhöht Kapitalbedarf
Es zeigte sich jedoch rasch, dass Produkte, die nur in Europa zugelassen sind, bei großen Firmen wenig Interesse finden. Notwendig ist zusätzlich eine US-Zulassung und der Nachweis soliden Umsatzwachstums. Schon bald begannen wir daher mit den Vorbereitungen für eine US-Studie, um eine FDA-Zulassung des Unyvero-Systems zu erreichen. Das erhöhte den Kapitalbedarf, auch unter dem Aspekt, nach einer Zulassung in den USA eine Marketing- und Vertriebsgesellschaft aufbauen zu können.

Kurz nach unserer Serie B Erweiterungsrunde im November 2014 beschlossen daher Aufsichtsrat und Investoren (u.a. namhafte institutionelle Investoren wie aeris Capital, LSP, Forbion, HBM, Roche und Qiagen), das Unternehmen auf einen Börsengang vorzubereiten. Der Zeitpunkt schien auch deswegen günstig, weil ein Börsenfenster für Unternehmen in der Life Science Branche offen stand.

Erfolgsentscheidend: Schnelligkeit und Börsenplatz
Bei der Auswahl des Börsenplatzes schied der Heimatmarkt Frankfurt rasch aus, obwohl unsere Branche dort durchaus vertreten ist und die Deutsche Börse uns sehr umworben hat. Doch in Frankfurt hatte es seit fast einem Jahrzehnt kein IPO eines Life Science Unternehmens mehr gegeben. Es fehlt an Investoren, die Biotechnologie-Firmen attraktiv finden, und an Analysten und Medien, die sie kompetent beobachten und begleiten. Auch einige namhafte deutsche Banken rieten uns ab.

Als internationales Technologieunternehmen, das auf dem US-Markt präsent sein will, haben wir natürlich auch die New Yorker NASDAQ-Börse ins Auge gefasst und intensive Gespräche mit US-Investoren geführt. Aber die empfahlen angesichts der noch fehlenden US-Zulassung von Unyvero mehrheitlich eine private Crossover-Runde, eine Option, die weder für uns noch für unser Investoren-Syndikat in Frage kam. Es hätte bedeutet, den Börsengang zu verschieben. Das erschien uns angesichts des bereits sehr lange geöffneten IPO-Fensters zu riskant – eine Einschätzung, die sich am Beginn des Börsenjahrs 2016 bewahrheitete.