Dr. Matthias Schüppen, Partner, GRAF KANITZ, SCHÜPPEN & PARTNER
Dr. Matthias Schüppen, Partner, GRAF KANITZ, SCHÜPPEN & PARTNER

Der Abschlussprüfer einer prüfungspflichtigen Gesellschaft wird (Ausnahme für Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds) von der HV gewählt; eine Delegation auf andere Organe ist unzulässig. Die Wahl soll jeweils vor Ablauf des zu prüfenden Geschäftsjahres erfolgen. Einen Beschlussvorschlag darf gemäß § 124 Abs. 3 AktG nur der Aufsichtsrat unterbreiten; dabei sind neben dem zu prüfenden Geschäftsjahr Name, konkret ausgeübter Beruf und Wohnort des Vorgeschlagenen zu nennen; bei einer Prüfungsgesellschaft Firma und Sitz. Die HV ist nicht an den Vorschlag gebunden.

Zeitpunkt und Zeitdauer/Rumpfgeschäftsjahr

In der Praxis erfolgt die Wahl regelmäßig jeweils für das laufende Geschäftsjahr in der ordentlichen HV. Möglich wäre auch eine Wahl nach Ablauf des Geschäftsjahres, nicht jedoch vor dessen Beginn. Die Wahl ist nicht für mehrere Jahre zulässig.

Dr. Alexandra Tretter, Partnerin, GRAF KANITZ, SCHÜPPEN & PARTNER
Dr. Alexandra Tretter, Partnerin, GRAF KANITZ, SCHÜPPEN & PARTNER

Bei Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres wird von einer – umstrittenen – Literaturauffassung die Bestellung für das laufende Geschäftsjahr und das Rumpfgeschäftsjahr für zulässig erachtet, wenn zwei gesonderte Beschlussfassungen erfolgen. Um mangels höchstrichterlicher Klärung dieser Frage ein Anfechtungsrisiko zu vermeiden, bleiben der Gesellschaft folgende Alternativen, wenn sie eine mit weiteren Kosten verbundene außerordentliche HV vermeiden will:

(i)           Wahl des Prüfers erst bei der nächsten ordentlichen HV. Solange ein Prüfer noch nicht gerichtlich bestellt ist, ist ein solcher „nachgängiger“ Beschluss zulässig; gewählt wird dann der Prüfer sowohl für das abgelaufene Rumpfgeschäftsjahr als auch für das laufende Geschäftsjahr;

(ii)          Antrag auf gerichtliche Bestellung des Prüfers gemäß § 318 Abs. 4 HGB durch Vorstand, Aufsichtsrat oder einem Aktionär nach Ablauf des Rumpfgeschäftsjahres.

Soll dagegen das laufende Geschäftsjahr in ein Rumpfgeschäftsjahr geändert werden, kann der Abschlussprüfer für das laufende Geschäftsjahr mit der Maßgabe bestellt werden, dass für den Fall, dass die Satzungsänderung zur Umstellung des Geschäftsjahres vor Ablauf des geplanten Umstellungsdatums wirksam wird, der Vorschlag als Bestellung des Prüfers für das Rumpfgeschäftsjahr gilt. Es handelt sich dann nicht um eine unzulässige Wahl vor Beginn des Rumpfgeschäftsjahres, da sich die Wahl auf das laufende Geschäftsjahr bezieht, das nur durch Eintragung der Satzungsänderung zu einem Rumpfgeschäftsjahr wird.

Joint Audit

Die Wahl mehrerer Prüfer für ein sog. Joint Audit ist möglich. Dabei können sie entweder gemeinsam oder voneinander unabhängig prüfen. Bei einer gemeinsamen Prüfung müssen die Abschlussprüfer aber gleichzeitig bestellt werden. Unzulässig wäre es, mehrere Prüfer zu wählen, unter denen dann z.B. der Aufsichtsrat einen bestimmen/auswählen kann.

Prüferische Durchsicht

Sofern bei kapitalmarktorientierten Unternehmen eine prüferische Durchsicht von Halbjahresfinanzberichten (§ 37w WpHG) erfolgen soll, muss die Wahl des Prüfers hierzu gesondert vorgeschlagen werden, da die Bestellung zum Abschlussprüfer die Bestellung für eine prüferische Durchsicht nicht umfasst. Theoretisch denkbar, aber wenig zweckmäßig wäre eine unterschiedliche Prüferbestellung bzgl. Jahres-/Konzernabschluss und für die prüferische Durchsicht. Demgegenüber gilt für die Prüfung eines etwaigen für Veröffentlichungszwecke aufgestellten zusätzlichen IFRS-Einzelabschusses (§ 325 Abs. 2a HGB) der Abschlussprüfer als bestellt (§ 324a Abs. 2 HGB).

Auswahl des Abschlussprüfers (Kandidaten) und Beschlussvorschlag

In der Praxis war es nicht unüblich, dass der Vorschlag vom Vorstand ausging und vom Aufsichtsrat übernommen wurde. Mit einer solchen Vorgehensweise wird der Leitgedanke der Unabhängigkeit des Prüfers vom Vorstand und der alleinigen Unterstützung des Aufsichtsrats bei der Ausführung seiner Überwachungsaufgabe konterkariert. Der Aufsichtsrat hat sich daher selbst eine Meinung über den vorzuschlagenden Prüfer zu bilden. Ist bei kapitalmarktorientierten AGs ein Prüfungsausschuss eingerichtet, wie es gängiger Praxis und der Empfehlung in Ziff. 5.3.2 DCGK entspricht, ist der Vorschlag des Aufsichtsrats auf die Empfehlung des Prüfungsausschusses zu stützen und in der Einladung zur Hauptversammlung entsprechend zu formulieren („Der Aufsichtsrat schlägt, gestützt auf die Empfehlung seines Prüfungsausschusses, vor, …“). Ob ein Abweichen des Aufsichtsrats beim Vorschlag an die HV von der Empfehlung des Prüfungsausschusses den Beschluss anfechtbar machen würde, wie in der Literatur behauptet wird, ist zweifelhaft, der Fall aber eher theoretisch. Im eher in der Praxis vorkommenden Fall einer überhaupt fehlenden Empfehlung des Prüfungsausschusses ist ein Vorschlag des Gesamtaufsichtsrats dagegen wirksam.

Die eigenverantwortliche Wahrnehmung des Vorschlagsrechts des Aufsichtsrats erfordert insbesondere bei der im Vorfeld vorzunehmenden Sondierung und ggf. Ausschreibung finanzielle und personelle Ressourcen. Nur bei sehr großen Gesellschaften wird der Aufsichtsrat über ein eigenes Aufsichtsratsbüro verfügen können. Möglich ist aber die Inanspruchnahme externer Unterstützung, wobei der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Aufgaben die Gesellschaft zur Übernahme der hierbei entstehenden Kosten verpflichten kann. Der Verabschiedung eines „Budgets“ bedarf es dafür nicht. In der Vergangenheit erhielt häufig der billigste Anbieter den Zuschlag; aufgrund der hohen Erwartungen, die Aufsichtsrat und Öffentlichkeit – zu Recht – an die Qualität der Prüfungsleistungen stellen, sollte dies nicht maßgebliches Kriterium sein (vgl. Schüppen, GoingPublic Magazin 12/12, S. 58 f.).

Sicherung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers

Der Aufsichtsrat hat vor Unterbreitung des Vorschlags die Auswahl-/Eignungs- und Unabhängigkeitsvoraussetzungen der §§ 319, 319a (bei kapitalmarktorientierten Unternehmen) und 319b HGB zu prüfen und holt bei börsennotierten Gesellschaften bei Befolgung von Ziff. 7.2.1 DCKG eine Unabhängigkeitserklärung ein.

Ausschlussgründe sind insbesondere Beziehungen geschäftlicher, finanzieller oder persönlicher Art, nach denen die Besorgnis der Befangenheit besteht. Auch die Mitwirkung bei der Buchführung, der Erstellung des zu prüfenden Abschlusses oder der internen Revision sowie die Erbringung von Unternehmensleitungs- oder Finanzdienstleistungen oder Bewertungsleistungen stehen der Bestellung entgegen, wenn die Tätigkeiten nicht nur von untergeordneter Bedeutung waren. Bei kapitalmarktorientierten Unternehmen sind die Unabhängigkeitsanforderungen gemäß § 319a HGB zur Verhinderung einer Abhängigkeit zwischen Prüfer und Gesellschaft verschärft. Danach sind z.B. Rechts- oder Steuerberatungsleistungen mit der Prüfungstätigkeit unvereinbar, wenn diese Beratung über das Aufzeigen von Gestaltungsalternativen hinausgeht und sich auf die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage in dem zu prüfenden Jahresabschluss nicht nur unwesentlich auswirkt. Abschlussprüfer sind auch dann ausgeschlossen, wenn sie in den letzten fünf Jahren jeweils mehr als 15% ihrer Gesamteinnahmen von dem zu prüfenden oder damit verbundenen Unternehmen bezogen haben. Nach Unterzeichnung des Bestätigungsvermerkes in sieben oder mehr Fällen ist eine interne Rotation mit einer Cooling-off-Periode von mindestens zwei Jahren vorgeschrieben. Ein Zwang zur externen Rotation, also zu einem Wechsel der Prüfungsgesellschaft, besteht bisher nicht.

Folgefragen

Eine einmal getroffene Wahl kann nach Zustandekommen des Prüfungsauftrags nicht mehr per HV-Beschluss geändert werden; hierfür steht nur das gerichtliche Ersetzungsverfahren gemäß § 318 Abs. 3 HGB zur Verfügung.

Ebenso können Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen den Wahlbeschluss nach § 243 Abs. 3 Nr. 3 AktG nicht auf das Vorliegen von Befangenheitsgründen und damit auch nicht auf eine unzureichende Beantwortung von Aktionärsfragen nach einer möglichen Befangenheit gestützt werden (OLG München, WM 2009, 265, 270); hier ist allein das Ersetzungsverfahren nach § 318 Abs. 3 HGB möglich.

Von der im Gesetz als „Bestellung“ bezeichneten Wahl des Aufsichtsrats ist die Erteilung des Prüfungsauftrags zu unterscheiden. Diese erfolgt nach der Wahl stets durch den Aufsichtsrat (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG).

Ausblick

„Status quo is not an option“ war das geflügelte Wort, mit dem der EU-Kommissar Barnier Lobbyisten entgegentrat, die eine europäische Reform der Abschlussprüfung für überflüssig erklärten. Diese Reform steht nun kurz vor ihrer Verabschiedung durch das EU-Parlament. Auch wenn zumindest noch 2014 und 2015 das bisherige Recht gelten wird, gibt diese bevorstehende Neuerung schon heute Anlass, sich intensiver als in der Vergangenheit zumeist üblich mit der Wahl des Abschlussprüfers zu beschäftigen.

Vorab-Veröffentlichung aus der HV Magazin Sonderausgabe “HV-Recht 2014″

Autor/Autorin