„Politiker taugen eben nicht zur Unternehmensführung.“ Solche und ähnliche Kommentare hört man überall zum Rücktritt des Ex-Politikers – und jetzt auch Ex-Vorstandschefs – Roland Koch bei Bilfinger. Da mag sogar etwas dran sein, aber es ist bestenfalls die halbe Wahrheit.

Wer genauer hinschaut, stößt schnell auf die weit verbreitete (Un-)Sitte des Geschichtenerzählens. Im modernen Investmentsprech heißen sie natürlich „Storys“, die den Anlegern schmackhaft gemacht werden, damit die Aktienkurse steigen. Ohne sie kann heutzutage kaum ein Vorstandschef mehr sein Dasein rechtfertigen. Sie werden von Analysten, Großanlegern oder Beratern ausgedacht, um eine Aktie „sexy“ zu machen.

Im Falle Bilfinger war das so: Baufirmen gelten an der Börse generell als langweilig und wenig „sexy“. Und deshalb hat schon Kochs Vorgänger die Story ersonnen – oder ersinnen lassen? -, sich vom Baugeschäft weg- und auf vermeintlich attraktivere Geschäftsgebiete zuzubewegen. Wie die Geschichte ankam, zeigt der Aktienkurs: Er stieg und stieg und stieg und wurde nur einmal während der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise vorübergehend nach unten geholt.

Was wäre wohl ohne diese Story passiert? Bilfinger wäre heute ein Baukonzern wie eh und je, vielleicht ohne große Phantasie, aber zumindest mit einem soliden Basisgeschäft – denn gebaut wird schließlich immer. Der Aktienkurs hätte wahrscheinlich ebenfalls geschwankt, aber nicht so erratisch wie jetzt , und eine Reihe von Analysten, Beratern und Börsenspekulanten hätte mit Sicherheit nichts an Bilfinger verdient. Aber wäre die Welt deshalb ärmer?

Roland Koch war, als er das Ruder übernahm, auch nur noch Getriebener der Story, die sein Vorgänger bereits angefangen hatte zu erzählen, und die Koch unbedingt weiterspinnen wollte, noch erfolgreicher und noch besser. Dabei hat er sich schließlich verrannt. Aber ist das ein Wunder? Schließlich sind die meisten dieser Storys irgendwann vorbei. Dann kommt regelmäßig das böse Erwachen – und ein neuer Chef, der eine neue Story erfindet oder von gut dotierten Beratern erfinden lässt. Vielleicht zur Abwechslung mal eine „Restrukturierungsstory“, mit der man von Neuem auf Anlegerfang geht?

Ich weiß, dass das Geschäft so funktioniert – bei Bilfinger und bei vielen anderen Unternehmen dieser Welt. Ich will es auch gar nicht ändern, sondern nur die Frage stellen, wie sinnvoll diese dauernde Geschichtenerzählerei ist. Was meinen Sie?,

fragt Ihr

Raimund Brichta

Autor/Autorin