Die Digitalisierung der Finanzwelt hat längst auch bei den etablierten Bankhäusern Einzug erhalten: So hat die Deutsche Bank Mitte 2016 die Digitalfabrik ins Leben gerufen. Im Gespräch mit dem GoingPublic Magazin erklärt Dr. Markus Pertlwieser, CDO bei der Deutschen Bank, was es mit der Digitalfabrik auf sich hat, welches die wesentlichen Merkmale sind und wie er die Digitalisierung der Branche künftig einschätzt.

Dr. Markus Pertlwieser
Dr. Markus Pertlwieser

GoingPublic: Herr Dr. Pertlwieser, mit welcher Intention haben Sie die Digitalfabrik im letzten Jahr gegründet und wie zufrieden sind Sie bislang?

Dr. Pertlwieser: Die Digitalfabrik ist Kernbestandteil der professionellen Forschung & Entwicklung (F&E) der Deutschen Bank. Wir sind damit Vorreiter in der Finanzbranche in Deutschland. Forschungs- und Entwicklungsabteilungen sind Standard in allen erfolgreichen Sektoren der deutschen Industrie wie Chemie, Pharma, Maschinen- oder Automobilbau. Solche Unternehmen weisen in ihren Jahresabschlüssen genau aus, wie viel sie jedes Jahr in F&E investieren. In der Gewinn- und Verlustrechnung deutscher Banken suchen sie so etwas bisher vergebens. In unserer F&E ist die Digitalfabrik für die Anwendungsentwicklung zuständig, in unseren Innovationslaboren in Berlin, London und Palo Alto betreiben wir Grundlagenforschung etwa zu Blockchain, Künstlicher Intelligenz und Machine Learning. Zur F&E gehören auch unsere Kooperation mit Axel Springer Plug & Play sowie unsere Zusammenarbeit mit dem MIT. Dieses professionelle Vorgehen macht uns auch im Wettbewerb um die besten Talente in der Digitalisierung sehr attraktiv.

Kurz zusammengefasst: Was zeichnet die Digitalfabrik aus?

Ganz konkret haben wir mit der Digitalfabrik jetzt einen Ort, an dem wir unter einem Dach unser Know-how für die Entwicklung digitaler Produkte, Dienstleistungen und Prozesse versammeln. Dort sitzen mehr als 400 Bankexperten, Software-Entwickler und IT-Spezialisten, die eng zusammenarbeiten. Dazu kommen Mitarbeiter aus den Kontrollfunktionen – Legal und Compliance –, die in die Entwicklung einbezogen sind und von Beginn an sicherstellen, dass wir immer alle regulatorischen Vorschriften erfüllen. 50 Arbeitsplätze für FinTechs, mit denen wir kooperieren, ergänzen die Mannschaft. Dieses integrierte Arbeiten macht uns enorm schnell und flexibel. Allein im Jahr 2016 haben wir 70 neue digitale Produkte und Dienstleistungen auf den Markt gebracht, darunter unsere neue, preisgekrönte App, die Multibank-Aggregation und unseren Finanzplaner. Das Innovationstempo steigern wir 2017 noch. In einem Satz: Wir produzieren mittlerweile Innovationen in Serie.

Woran merken Sie die fortschreitende Digitalisierung anhand Ihres Kundenverhaltens, z.B. in Bezug aufs „Mobile Banking“?

Studien sagen, dass heute 30% der Kunden ihre neue Bankverbindung in erster Linie nach dem Online/Mobile-Angebot auswählen. Aber wir haben in den vergangenen zwei Jahren selbst sehr viel Erfahrung sammeln können. Einige Beispiele: Heute erledigen die Kunden 90% der einfachen Banktransaktionen online. Ärzte und Gesundheitsdienstleister nehmen die Informations- und Analyseinstrumente unserer digitalen Heilberufebank sehr gut an. Mehr als 50% der Zugriffe auf den Praxis-Checkup, die Suche nach einem Praxispartner oder den Rechner zur Anschaffung medizinischer Geräte erfolgen mobile, mehr als die Hälfte der Kunden nutzt die Services in der Zeit zwischen 18 Uhr abends und 9 Uhr am Morgen. Wir senden mittlerweile auf ausdrücklichen Wunsch pro Jahr mehr als 9 Mio. digitale Benachrichtigungen zu Konto, Kredit, Depot oder Zahlungsverkehr an unsere Kunden. Bis zu 90% dieser Benachrichtigungen werden regelmäßig gelesen. In Kürze erreichen wir den sogenannten Mobile Moment, den Punkt, an dem dann der überwiegende Teil unserer rund 4 Mio. Online-Kunden dies vorwiegend über mobile Endgeräte tun werden. Kurz: Die Art und Weise, wie die Kunden sich über Bankleistungen informieren, wie sie mit der Bank in Kontakt treten und wie sie Bankgeschäfte tätigen, hat sich grundlegend verändert.

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