Jetzt erwischt es die Finanzunternehmen tatsächlich heftig. Die Kultur der Broker und Investmentbanken, die über hundert Jahre Bestand hatte, neigt sich ihrem Ende zu. Innerhalb weniger Monate sind von den fünf führenden Gesellschaften drei Häuser untergegangen: Bear Stearns, Merrill Lynch und Lehman Brothers. Nur noch Morgan Stanley und Goldman Sachs sind jetzt noch unabhängige Investmentbanken, die nicht unter dem Dach einer großen Universalbank existieren.

Sie waren die „Masters of the Universe“. Sie haben den ganzen Hypothekenschrott in Anleihen gepackt und den arglosen Bürgern in die Depots gedrückt. Und ich erinnere mich noch sehr gut an einen Aufsatz von Marc Faber, der mir damals die Augen geöffnet und mich sehr beeindruckt und inspiriert hat. Er stammt von Anfang 2007 und heißt „Irreparable Schäden im Finanzsystem“. In ihm zeichnet Faber das Bild in den USA anhand eines fiktiven Beispiels einer Insel, auf der zwei Stämme leben, die „Bushes“ und die „Smartos“. Bald bilden die „Bushes“ die Masse der Bevölkerung, die von den „Smartos“ beherrscht werden. Die „Smartos“, das sind die Finanzleute, die Finanzintermediäre, die im neuen MADchester-Kapitalismus die Herrschaft an sich gezogen haben.

Wunderbar ist hier die folgende Passage zu lesen. Tun Sie es sich an und lesen Sie das heute noch einmal: „Nicht dass die Smartos ihr eigenes Geld an diese nicht kreditwürdigen Individuen (Bushes) vergeben hätten (dazu waren sie viel zu schlau); gegen eine fette Gebühr richteten sie diese neue Art der Finanzierung ein und ermutigten zu ihrer Nutzung. Kreditkarten, Verbraucher und Hypothekenschulden wurden alle zur Absicherung verbrieft und an die Rentenfonds und Asset-Management-Unternehmen verkauft, deren Leistungsempfänger die Masse der Bushes war, die, wie oben gezeigt, 99 % der Bevölkerung ausmachten. Darüber hinaus wurden diese verbrieften Produkte an vertrauensselige ausländische Anleger verkauft. Indem sie das taten, erreichten die Smartos drei Ziele. Sie nahmen die hohen Gebühren ein, sie stießen indirekt die Risiken an genau diejenigen Leute ab, die das Geld liehen und an die Ausländer.“

So, so, denke ich, wenn ich das heute lese: Die Smarten haben also die Risiken an die Leute abgestoßen, denen sie das Geld geliehen haben. Die gegenwärtige Wirklichkeit zeigt uns jedoch eine völlig andere Wirklichkeit, denn anscheinend haben die vermeintlich so smarten „Smartos“ gar nicht diejenigen in den Ruin geführt, denen sie Geld geliehen und faule Papiere aufgedrückt haben, sondern sich selbst ihr Grab geschaufelt.

Und da kann man sich als kleiner Angehöriger des Nicht-Smarto-Stammes einer gewissen Schadenfreude nicht entsagen. Sollen Sie doch ruhig im Meer versinken! Dafür nehmen wir die Wellen, die jetzt an das Kiel unserer Boote schlägt, gerne in Kauf. Und es kommt noch etwas Weiteres hinzu: Wenn das jetzt nicht das Ende der Welt ist – und es deutet nichts darauf hin, dass es so wäre – dann kann man diesen Kursrutsch nutzen, um nun die finalen Bausteine steuerfreien Altersvorsorge-Portfolios zu erwerben.

Das sollte kein Anleger vergessen. Nur wer in diesem Jahr noch kauft, hat die Steuerfreiheit seiner Anlagen auf Lebenszeit gesichert! Und welch ein Zufall – gerade gibt es dazu alles im Sonderangebot. Man muss jetzt also zugreifen – und die Papiere dann wegschließen und nicht mehr anschauen. Kaufen Sie einen Index oder einen breit gesteuerten Fonds. Und denken Sie daran: Wenn Sie erst kaufen, wenn das Ende der Krise zu sehen ist, kaufen Sie (wahrscheinlich) teurer und (ziemlich sicher) den Nebeneffekt, auf alle Gewinne zukünftig ein Leben lang 25 % Abgeltungssteuer zahlen zu müssen.

Bernd Niquet

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