Maximilian Erb, Investment Manager, NRW.Bank

Die Finanzkrise 2008 hat das Milieu für Börsengänge weltweit nahezu ausgetrocknet. Der US-amerikanische IPO-Markt konnte sich jedoch erholen und bot in den darauffolgen­den Jahren wieder ein gutes Klima für das „Going Public“. Auch Unternehmen aus dem In­dustrial-Biotech-Sektor profitierten von diesem Trend. Obwohl seit dieser Zeit sieben Unter­nehmen ein erfolgreiches Debüt an der US-Technologiebörse NASDAQ absolvierten, haben drei Fir­men ihre IPO-Pläne bereits wieder abgebrochen. Die Börsenlandschaft ist und bleibt als Exit-Kanal unsicher.

Die Folgen der Finanzkrisen
Im Februar 2012 konnte das kanadische Unternehmen Enerkem mit dem mittlerweile sech­zehnten „Filing“ (Aus­druck für das Anmeldeverfahren eines IPOs) innerhalb der letzten rund zwei Jahre belegen, dass der Industrial-Biotech-Sektor zurück in den Fokus der Finanzin­dustrie ge­rückt ist. Ein positiver Trend für eine Branche, die mit star­ken Re­putationsproble­men zu kämpfen hatte und durch die weltweite Finanz- und Staats­schuldenkrise mit Finan­zierungsengpässen konfrontiert war. Die problematische öffentliche Wahr­neh­mung dieser Industrie, die auf dem Spannungsfeld hinsichtlich der Nutzung von Nah­rungs­mittelressour­cen zur Biotreibstoff-Produktion beruht, hat die Kapitalakquise der Firmen zusätzlich er­schwert. Doch nicht nur das ge­schlossene IPO-Fenster fiel in dieser Zeit als Exit-Kanal weg, die Finanz­krise hatte auch ihren Einfluss auf die Finanzierung zahlreicher Forschungspro­jekte und ver­zögerte die Entwick­lung von Technologieplattformen und Pilotanlagen. Trotz positiver Tendenzen hat beispielsweise Enerkem Ende April 2012 aufgrund des weiterhin sehr ver­haltenen Finanzmarktumfeldes die Börsenpläne wieder eingestellt. Auch Genomatica hat die Börsenpläne mittlerweile wieder begraben und sich in einer 41 Mio. USD-Finanzierungsrunde Liquidität bei privaten Investoren beschafft.

Biotreibstoffe, Plattformchemikalien, Kosmetika
Die Produktpaletten der Biotech-Firmen reichen von Spezialölen, Ethanol und Butanol für die Bi­ofuel-Produktion bis hin zu Plattformchemikalien, Nahrungsergän­zungsmitteln und Zusatz­stoffen für Kosmetika. Neben den zur Produktion genutzten Mikroorganismen, in denen teils jahrelange Forschungsanstrengungen stecken, ist für die Wirtschaftlichkeit des Geschäfts­modells vor allem die verwendete Rohstoffbasis relevant. Firmen wie Amyris, die bei ihrer Produktion nahezu komplett auf billigen Rohrzucker setzen, gehen in Brasilien Joint Ven­tures ein, um sich einen stetigen Nachschub an dem begehrten Gut zu si­chern. Ei­nige Marktbeobachter sprechen bereits von der „Glucose Economy“, in Anlehnung an die heutige „Oil Economy“. Ebenso wirtschaftlich attraktiv scheint es zu sein, bei der Kommerzi­alisierung zuerst auf High-Value-Produkte (meist Spezialchemikalien) zu setzen, da diese eine um ein Vielfaches höhere Profitabilität im Vergleich zu Biokraftstoffen versprechen.

In den USA werden rund 40% der nationalen Mais ernte jährlich für die Ethanol – produktion genutzt. Foto: PantherMedia / JCB Prod

Knackpunkt: Rohstoffbasis
Trotz des laufenden „Green Equity“-Börsenmarktes bieten die aktuellen Technologiean­sätze hinsichtlich Nachhaltigkeitsgesichtspunkten gewissen Zündstoff, da Korn und Zucker­rohr in den bisherigen Marktszenarien als Rohstoffbasis dominieren. Das bringt zum einen eine diskussionswürdige Umweltbilanz hinsichtlich der Landnutzung mit sich (in Brasilien werden noch immer Regenwaldbestände zum Anbau von Zu­cker­rohr gerodet), und gleichzeitig ergibt sich auch ein Einfluss auf die globale Nahrungs­mittel­versorgung, vor allem hinsichtlich Preissteigerungen aufgrund der verstärkten Nach­frage nach Getreide, Mais und Zucker. In den USA werden mittlerweile rund 40% der nationa­len Maisernte jährlich für die Ethanol­produk­tion genutzt, was die Preise im ganzen nord­amerikanischen Raum und auf dem Weltmarkt zu­sätzlich anzie­hen lässt. Bisherige Technologieansätze kön­nen daher nur eine Brücke sein, um als Über­gangstechnologie den Weg für die effizientere Nutzung von zellulosehaltiger Biomasse (schnell wachsende Gräser, Pflanzenabfälle, Holz) zu ebnen. Da dies jedoch technologisch sehr viel schwieriger umzusetzen ist als die Her­stellung von Etha­nol oder Bu­tanol aus Glu­kose, wird eine wirtschaftliche Nutzung noch ei­nige Jahre dauern. Lang­fristig wird ein Um­denken aber nötig sein, denn die Korn- und Zu­ckerpreise korrelieren stark mit dem Ölpreis und eine Fokussierung auf zellulosehaltige Biomasse wird die Produ­zen­ten Preisanstiegen gegenüber unabhängiger machen.

Fazit
Die industrielle Biotechnologie bietet das Potenzial, in weiten Teilen der Wirtschaft Fuß zu fassen, die Ressourcennutzung effizienter zu gestalten und Materialien auf Rohölbasis zu­min­dest teilweise zu ersetzen. Trotz einiger erfolgreicher Börsengänge konnten sich auf­grund des aktuellen Finanzmarktumfeldes die Börsenkurse der meisten Firmen nicht halten und brachen teils massiv ein. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieser Trend verstetigt und im allgemeinen Marktsen­timent dazu führt, dass IPOs als Exit-Kanal für Industrial-Biotech-Un­ternehmen zurzeit nicht in Frage kommen. Dies wird auch die strategischen Exit-Szenarien vieler Venture-Capital-Investoren beeinflussen.

Dieser Artikel ist erschienen in der Sonderausgabe Biotechnologie 2012.

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